Gastbeitrag:
Humor in der Werbung? Braucht es nicht - unbedingt
Claudia Leischner, Geschäftsführerin von Gyro Deutschland (Dentsu Aegis Network) in München, liebt witzige Werbung. Übertreiben darf man es aber nicht damit, sagt sie. Das kann schnell daneben gehen.
Fragt man die Menschen, was sie von Werbung halten, ist die Antwort seit Jahrzehnten gleich: Werbung nervt! Um diesem Gefühl entgegenzuwirken, setzen Werber häufig auf Humor als Allheilmittel. Dass Werbung lustig sein muss, um zu funktionieren oder, anders gesagt, lustige Werbung immer funktioniert, ist ein, vielleicht sogar der größte Werbe-Mythos.
Natürlich wird Humor in der Werbung vom Publikum geliebt, wobei er, wie wir wissen, durchaus eine Geschmacksfrage ist. Auf jeden Fall bedeutet es nicht, dass er zwingend Trigger für das Auslösen eines konkreten Kaufwunsches ist. Vielmehr funktioniert humorvolle Werbung als Katalysator für das Schaffen von Markenbindung, da sie im Gedächtnis bleibt (Welchen Autoverleiher verbinden Sie gleich wieder mit lustigen Werbeanzeigen?). ABER: Wer erinnert sich noch an das tatsächliche Produkt oder Angebot, das gefeatured wird?
Humor wird missbraucht...
Wenn der Humor im Vordergrund steht und das Produkt zur Nebensache wird (der sogenannte "Vampir-Effekt"), dann geht die Rechnung "Humor = mehr Umsatz" nicht auf. Wenn Witz und Ware aber eng zusammenhängen und in einen lustigen Kontext gestellt werden, kann das Prinzip Humor bestehen. Aktuell zu sehen bei der 100 Momente-Kampagne, die Amazon derzeit für seine Lautsprechersysteme Echo und Dot schaltet.
Leider dient Humor jedoch häufig nur als Lockmittel für mehr Aufmerksamkeit und Reichweite. Die gezeigte Werbung ist "zwar lustig", hat aber keinen Bezug zur Marke oder zum Produkt. Kritisch wird es außerdem bei sehr "einfachem" Humor, bei dem schnellen Witz, der in jeder Sitcom von Lachern aus dem Off begleitet würde. Dieses Niveau passt zu vielen Marken nicht.
... und verfehlt oft seinen Zweck
Humor ist also kein Garant für schnellen Abverkauf, sondern stärkt – bei einer positiven oder neutralen Einstellung gegenüber der Marke bzw. dem Produkt – bestenfalls die Markenbindung oder -wahrnehmung. Das Produkt muss in Szene gesetzt werden und nicht der Witz! Preisfrage: An die lachenden Pferde von VW erinnern Sie sich doch noch, oder? Und welches Auto wurde da gleich wieder beworben?