Wir erinnern uns: Im vergangenen Jahr hat Thomas Strerath, Vorstand von Jung von Matt, den Namen seiner eigenen Agentur für die Astra-Kampagne (Philipp und Keuntje, Hamburg) in der Kategorie "Evergreen" auf die Gewinnerliste gesetzt – und zwar nachdem die Jury getagt hatte. Das geschah zwar in Absprache, aber regelkonform war das Verhalten nicht. Die Folgen sind bekannt: Strerath zog sich von allen GWA-Posten zurück, sein Amt als Vorsitzender der Effie-Jury übernahm Michael Trautmann von Thjnk. Es stimmt ja: Jung von Matt hat lange vor Philipp und Keuntje, heute Leadagentur auf Astra, den Kunden betreut. Einfach Nachnominieren ging trotzdem nicht.

Das Problem dürfte es kein zweites Mal geben. "Um jeden Skandal auszuschließen: Jung von Matt und Grabarz & Partner gewinnen beide Gold", flachste Michael Trautmann auf der Bühne im Gesellschaftshaus. Zusammen mit der Tagesschau-Sprecherin Linda Zervakis führte er durch den Abend, gut vorbereit und launig. Die Moderatorin war die Überraschung des Abends, weil sie sich immer wieder selbst parodierte.

Der GWA hatte also vorgesorgt und Jung von Matt bemühte sich ehrlich, alles richtig zu machen. Chefstrategin Larissa Pohl hat sich in diesem Jahr um die Effie-Einreichungen ihrer Agentur gekümmert. Sie saß auch in der Effie-Reformgruppe. "Die Diskussion (um Effiegate; Anm. d. Red.) ist für uns abgeschlossen", sagt sie. In der Tat: Gleich dreimal hat Jung von Matt mit einer Partneragentur Cases für den Effie eingereicht. Man hat dazugelernt in Hamburg; und das Redliche zu tun zahlte sich aus. Jung von Matt ist mit einmal Gold, dreimal Silber und einmal Bronze die erfolgreichste Agentur in Frankfurt, sie gewinnt für Edeka Gold und Silber, für Eis ("Es rappelt im Karton") Silber, mit dem "Comeback" der Berliner Verkehrsbetriebe (zusammen mit GUD) ebenfalls Silber, und für die F.A.Z.-App "Der Tag" Bronze. Das macht fünf Effies in ganz unterschiedlichen Kategorien.

"Gewinnen tut der Seele einer Agentur immer gut", sagt Larissa Pohl. Es ist eine geschundene Seele, die in jüngster Zeit viel gelitten hat. Opel hat die Agentur nicht gewonnen, auch Porsche konnte sie nicht von sich einnehmen. Euronics hat sie verloren, nun umwirbt Thjnk auch noch den langjährigen Jung-von-Matt-Kunden Sixt. Da tut der Triumph beim Effie richtig gut.

Ein Wort noch zu Edeka: Die Kampagne "Wir lieben Lebensmittel" hat die Jury vor allem wegen ihrer Kontinuität beeindruckt. "Nur selten gelingt einem Kunden eine Positionierung so blitzsauber aus dem Markenkern heraus", sagt Jurymitglied Torben Hansen, Geschäftsführer von Philipp und Keuntje: "Ein Volltreffer". Es sei schon eine große Leistung gewesen, den Ansatz von Grabarz & Partner, dem Ex-Etathalter und ebenfalls Gold-Gewinner, nicht verwässert zu haben. Im Gegenteil: Mit eigenen Aktionen, etwa dem Film #Heimkommen um den einsamen Großvater, setzt die Agentur noch einen drauf. #Heimkommen gewinnt Silber in der Kategorie "Content Hero".

Eine ähnliche Leistung ist DDB mit der Telekom gelungen. Die Kampagne "Erleben, was verbindet" setzt Standards, seit vielen Jahren. Trotz aller Partikularinteressen in diesem übermächtigen, unüberschaubaren Konzern ist eine Markenarchitektur entstanden, die bis heute trägt. Nicht umsonst ist Marketingchef Hans-Christian Schwingen kürzlich zum "CMO of the Year" gekürt worden. DDB gewinnt Gold in der Kategorie "Evergreen", außerdem Bronze für Sony und nochmal Bronze für die Telekom.

"Erleben, was verbindet" - Evergreen-Gold für DDB/Telekom:

Es sind die großen, kreativen Arbeiten, die in diesem Jahr das Rennen machen: Edeka, Telekom, BVG, Eis und Hornbach. Man kennt sie von den Kreativfestivals in Cannes, vom ADC und vielen mehr. Kreativität und Effektivität? Das war beim Effie jahrelang ein Widerspruch. Doch das ist lange her. Jetzt stellen sie fest: Das schließt sich nicht aus. Im Gegenteil, das befruchtet sich. "Wenn uns als Juroren die Arbeit mehr Spaß macht, wenn wir kreative Kampagnen sehen, muss das auch für die Verbraucher gelten", sagt Hansen. "So etwas bleibt hängen". Und Larissa Pohl weiß: "Kreative Kampagnen sind erwiesenermaßen elfmal wirksamer als alle anderen." Und es ist wahr.

Schade nur, dass an diesem Abend keine der vielgelobten "Effektiven" ausführlich vorgestellt wurde, außer vielleicht die Goldgewinner. Stattdessen setzten die Veranstalter auf flache Schauspielereien, die spielerisch auf die jeweiligen Preiskategorien einstimmen sollten. Ein Versuch zu unterhalten. Die Gäste aber hätten für ihre teuren Eintrittskarten lieber mehr erfahren, über Zahlen und Fakten beispielsweise. Trotzdem: Die Inszenierung mit der Bar auf der Bühne, an die Zervakis und Trautmann die Gewinner baten, war gut. Mal etwas anderes. Aufsehenerregend, schick.

Zurück zum Preis: Den dritten Platz* teilen sich in diesem Jahr die Agenturen Grabarz & Partner (mit Gold für Edeka), Heimat und Kolle Rebbe. Heimat aus Berlin hat die Juroren in der Kategorie "Content Hero" mit dem Herrenzimmer für Hornbach überrascht. Seit Jahren schafft es die Agentur, ihre ohnehin schon ikonische Werbung weiterzuentwickeln, immer noch eine Schippe draufzulegen, wenn es um neue Ideen geht. Und das, ohne dem Markenkern des Baumarktes zu schaden. Bei Bastelarbeiten sollten die Herren der Schöpfung sich im eigenen Zimmer austoben können, im echten Leben wie im Netz. Talk of Town - einmal Silber.

Eine überragende Arbeit hat Kolle Rebbe für Aktion Mensch abgeliefert. Menschen begegnen sich, mit und ohne Behinderung, ganz ohne Vorwarnung. Das ist zuerst irritierend, dann aber gehen beide Seiten aufeinander zu ("Doing good"). Die Haltung zum Thema Handicap hat diese Arbeit nachhaltig verändert, wie die Zahlen belegen. Silber für die Agentur aus Hamburg.

Der ganze Rest ging an die vielen Einzelkämpfer des Effie-Jahrgangs 2016, eine Vielzahl von Agenturen, die nur ein einziges, selten auch zweimal auf die Bühne im Palmengarten treten durften, um aus den Händen der beiden Moderatoren ihre Trophäe und ein Glas Sekt in Empfang zu nehmen. Thjnk etwa für Audi und Ikea, PHD für Universal Pictures, MEC, Publicis Pixelpark, RPM, Underdog Heye für Mammut; Grey, Mediaplus, BBDO für Dr. Oetker; Scholz & Friends, GUD für BVG und Philosophy Brands. Um sie alle einmal zu nennen.

Berührend schließlich die Laudatio auf F.M. Schmidt, die Opels Marketingchefin Tina Müller auf den Obersten von Scholz & Friends hielt. Die Wirtschaftswoche hatte den Agenturmann in ihre Hall of Fame aufgenommen. Und Müller, ausgerechnet Müller, hatte sich mit viel Liebe ans Werk gemacht, das Leben dieses großen Werbers auszuforschen, sein Werk zu ehren. Müller, die Scholz & Friends so viel zu verdanken hat, die Agentur dann in den Pitch zwang. Es war eine schöne Geste, wie sie sich da am Schluss in den Arm genommen haben, die beiden. Alles gut, Scholz & Friends wirbt ja auch weiter für Opel.

Nicht alle Preisträger waren der Masse übrigens so bekannt. Müssen sie auch nicht. Sie gewinnen trotzdem: Bilou etwa, das Duschgel, das die Beauty-Bloggerin Bibi erfunden hat ("Ich liebe Duschgel, das schäumt und gut riecht"). Die Agentur Philosophy Brands hat es mit ihr eingeführt. Influencer Marketing at its best, fein auf die Zielgruppe zugeschnitten, ohne Streuverluste und mediale Aufmerksamkeit, dennoch erfolgreich. "Mit einem schlauen Kniff kann man viel erreichen", sagt Juror Mirko Kaminski, der Chef von Achtung. "Auch ohne breit sichtbar zu sein." Effie-Silber in der Kategorie "New New" für Neueinführungen.

Kaminski saß das erste Mal in der Effie-Jury. Und er war gleich begeistert: So viel Professionalität und einen so lehrreichen Austausch hatte er sich gar nicht erwartet. "Im Prinzip war das eine Fortbildung, für die ich hätte bezahlen müssen", sagt der PR-Mann. Er wirkt wie beseelt an diesem Abend im Palmenhaus - so wie die meisten hier.

Es ist eben zum Glück alles gut gegangen beim Effie in diesem Jahr. Auf ein Neues.

*Anmerkung: W&V wertet Gold mit sechs Punkten, Silber mit vier Punkten und Bronze mit zwei Punkten.


Conrad Breyer, W&V
Autor: Conrad Breyer

Er kam über Umwege zur W&V. Als Allrounder sollte er nach seinem Volontoriat bei Media & Marketing einst beim Kontakter als Reporter einfach nur aushelfen, blieb dann aber und machte seinen Weg im Verlag. Conrad interessiert sich für alles, was Werber- und Marketer:innen unter den Nägeln brennt. Seine Schwerpunktthemen sind UX, Kreation, Agenturstrategie. Privat engagiert er sich für LGBTQI*-Rechte, insbesondere in der Ukraine.