Es geht um neue, differenzierende Angebote

Man muss aber nicht auf die großen Networks schimpfen, das reine Ansammeln einzelner Einheiten funktioniert auch auf lokaler Ebene nicht, wenn man daraus für Kunden kein neues, differenzierendes Angebot bauen kann. UDG ist dafür ein einfaches Beispiel. Um neue Angebote geht es aber - und dieses Spiel versteht Accenture. Während die etablierten Spieler sich schwertun, schon existierende Strukturen in neuer Weise zu kombinieren, baut sich Accenture ein neues Marktangebot quasi auf der grünen Wiese auf.

So machen es auch andere Player. Die Übernahme von Elbkind durch Reply  ist ein Beispiel. Das Vorgehen von Cognizant, ein IT-Consulting-Riese mit über 250.000 Mitarbeitern, ein anderes: Netcentric wäre auch ein gutes Akquise-Objekt für Marketing-Organisationen gewesen, die sind aber nicht zum Zug gekommen. Sofern sie Netcentric überhaupt auf dem Zettel hatten. Netcentric baut für große Marken wie Mercedes, Allianz, Swisscom oder Henkel auf der Basis des Industrie-Standards Adobe Marketing Cloud Lösungen für bessere und skalierbare Kundenerfahrungen.

Die Agenturen führen einen aussichtslosen Kampf

Ok - das Buzzword heißt Customer Experience und steht sonst gerne in jeder Agentur-Credential. Die etablierten Agenturen drehen sich um Kreativität, werden dafür aber nicht wirklich bezahlt. Daher versuchen sie, möglichst viel von der Wertschöpfungskette der Adaptions- und Produktionsarbeiten abzugreifen. Ein aussichtsloser Kampf, die Tendenzen Automatisierung, Inhousing und Customized Agencies lassen den alten Spielern wenig Raum.

Die neuen Marketing-Dienstleister kommen aus anderen Bereichen. Statt Kreativität, steht Consulting oder Technologie im Kern, gerne auch kombiniert. Produktion wird zu einer Commodity und Kreation kann man zukaufen. Wie Accenture das jetzt mit Kolle Rebbe getan hat. Umgekehrt ist das deutlich schwieriger. Man stelle sich eine Übernahme von Bechtle oder Cancom durch eine deutsche Agentur vor, das klingt zumindest ungewohnt.

Technologie- und Beratungsfirmen bauen die besseren Angebote

An dieser Stelle kommt immer der Einwand, Kreativität sei keine Commodity - und grundsätzlich stimme ich dem zu. Jean-Remy von Matt hat es gerade sehr treffend formuliert: Technologie verleiht einen Vorsprung, Kreativität macht den Unterschied. Das Problem ist aber, dass die Auftraggeber sich gerne einen Vorsprung verschaffen; anders sein, das können gerne die anderen. Und die Kunden machen nun mal den Markt - und aktuell werden technologiebasierte Lösungen, die eine integrierte Produktion und effiziente Distribution von Marketing-Assets ermöglichen, gesucht.

Hier haben Technologie- und Beratungsfirmen die besseren Angebote bzw. bauen sie gerade. Dort ist die Übernahme von Kolle Rebbe durch Accenture einzuordnen. Wo andere vertikale Werbezwergreiche aufgebaut haben, bauen Accenture, IBM und Co. horizontale Lösungen. Deren permanentes Beteuern, man wolle gar nicht in Konkurrenz zu den Agenturen treten, ist ungefähr so ernst zu nehmen, wie die gleichen Wortlaute der GAFAs.

Über den Gastautor:

Thomas Strerath hat in den vergangenen 20 Jahren große und bekannte Agenturen geführt. Von 1998 bis 2004 war er Vorstand der WOB AG. Danach wechselte er zu Ogilvy, wo er von 2009 bis 2015 Deutschlandchef war. Von 2015 bis 2018 war er Agenturvorstand bei Jung von Matt.


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Autor: W&V Redaktion

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