Kommentar zu Thomas Strerath:
Der Fuchs und die Content-Trauben
Die Agentur Jung von Matt reagiert auf den Content-Boom, indem sie ihn totsagt. Anmerkungen zu Thomas Streraths pausenloser "Content-wird-überschätzt"-Story.
Jung-von-Matt-Vorstand Thomas Strerath hat seine Einwände gegen Content Marketing auf großer Bühne wiederholt. "Es gibt schon heute mehr Inhalte, als die Menschen jemals konsumieren könnten", sagte er in einem doppelseitigen Interview mit dem "Handelsblatt". Ähnlich äußerte sich Strerath bereits 2016 bei W&V ("Content-Lüge") und vor einigen Wochen in einem Streitgespräch mit dem naturgemäß anders argumentierenden Territory-Chef Soheil Dastyari bei Horizont.
Der Chef von Deutschlands zweitgrößter inhabergeführten Agentur setzt stattdessen auf klassische Markenführung und Paid Media. Die "kleinteiligen Markengeschichtchen" unternehmseigener Content-Teams könnten einfach zu wenig ausrichten, glaubt Strerath. Er rechnet damit, dass Unternehmen und Agenturen ihre Content-Abteilungen wieder abbauen: "Die Produktion ist für die meisten zu aufwendig, zu teuer und der Ertrag ist viel zu gering, bei Amazon sogar wirkungslos."
Jung von Matt war zuletzt ein Underperformer
Streraths Prognose muss noch den Realitätstest bestehen. Bisher sieht es eher nach der Fabel vom Fuchs und den Trauben aus, denn der real existierende Content-Boom ging an seiner Agentur weitgehend vorbei. Während große Agenturmarken wie Serviceplan und Scholz & Friends massiv in Content Marketing investiert haben und Spezialdienstleister wie C3 und Territory stark wachsen, lief es bei Jung von Matt weniger gut. Und das lag nicht nur am Verlust des Mercedes-Etats - eines Kunden übrigens, der u.a. mit Dominik Wichmanns Looping und dem Corporate Blogger Sascha Pallenberg mehr denn je auf Content Marketing setzt.
Laut Umsatzranking der inhabergeführten Agenturen wuchs Jung von Matt 2014 - im Jahr der Pitch-Entscheidung, die sich aber erst 2015 auszuwirken begann - um magere 2,3 Prozent. Nur eine der damaligen Top 10-Agenturen entwickelte sich noch schwächer.
2015 schrumpfte der Umsatz sogar. Jung von Matt erwirtschaftete 4,8 Prozent weniger, während die Top-50-Agenturen in Deutschland um durchschnittlich 6,2 Prozent wuchsen, wie W&V damals berichtete.
2016 rutschte Jung von Matt weiter ab. Der Umsatz sank um fast 10 Prozent, das Gross Income fiel unter die 70-Mio-Marke. Was bei Jung von Matt wuchs, war der Abstand zum Marktführer Serviceplan.
Unterdurchschnittliche Geschäftszahlen können viele Ursachen haben und sind nie ein Grund zur Häme. Sie deuten aber selten auf überdurchschnittliche Innovationskraft hin. Schon gar nicht, wenn Wettbewerber von Trends profitieren, die man selber seit 18 Monaten totsagt.