Gastkommentar:
Corona ist ein Crashkurs in Sachen Purpose
Joko Weykopfs Agentur Polycore betreut seit Jahren fast ausschließlich nachhaltige Kunden. Mit einem Schmunzeln betrachtet er, was Unternehmen aktuell in kurzer Zeit auf die Beine gestellt haben.
Corona ist ein Systemschock. Ein kollektiver Turboboost in ein neues Bewusstsein. Unsere Verantwortung ist es, folgenkritisch zu denken und dementsprechend bewusst zu handeln. Denn alles, egal für wie selbstverständlich wir es bislang vielleicht gehalten haben, hat Impact: Destruktiv. Oder eben konstruktiv.
Die Purpose-Diskussion war Topfschlagen
Die aktuelle Purpose-Diskussion wirkt gegen diese Erkenntnis wie eine intellektuelle Runde Topfschlagen. Ambitioniert, aber irgendwie doch fast immer knapp daneben. In der Corona-Krise entwickeln Unternehmen plötzlich konstruktiven Impact. Und zwar aus dem eigenen Kerngeschäft. Einfach so. Als wäre das nie anders gewesen und vollkommen logisch. CSR-Strategie? Wozu das denn? Zweck und Mittel sind ja gesetzt. Wir brauchen Alkohol für Desinfektionsmittel? Jägermeister gibt 50.000 Liter aus. Es mangelt an medizinischer Schutzkleidung? Trigema stellt die Produktion um. H&M setzt die Kapazitäten seiner Lieferkette zur Belieferung von Krankenhauspersonal ein.
In existenzbedrohenden Zeiten lernt der Mensch schnell
Viele Menschen in den sozialen Medien fangen an, Vergleiche zwischen der Klimakrise und Corona zu ziehen. Bei allen Unzulänglichkeiten eines Vergleichs, die Betrachtung dieser beiden Entwicklungen und der gesellschaftlichen Reaktionen regt zum Nachdenken an. Denn offenbar haben die Meisten von uns mehr Angst um ihr eigenes Leben als um das Überleben der Menschheit.
Vor dem Hintergrund weltweiter Bedrohungen unserer natürlichen Lebensbedingungen, müssen Unternehmen und Organisationen jetzt dringend verantwortungsbewusst handeln. Unternehmen sollten auf das in der aktuelle Krise erwachte, individuelle Erkenntnisinteresse aufbauen und sich für entsprechende Verhaltensänderungen engagieren. Immer mit dem Ziel, eine nachhaltige globale Entwicklung auf ökonomischer, sozialer sowie ökologischer Ebene zu sichern.
Und nicht nur das: Sie müssen auch ihre Dialoggruppen als Verbündete dazu verführen und fördern, es ihnen gleich zu tun, denn folgenkritisches Denken muss erlernt werden. Glücklicherweise lernen Menschen offenbar schnell in existenzbedrohenden Zeiten. Das Corona-Virus Covid 19 ist rasant zu einem Teil unserer Welt geworden. Es trifft jeden von uns und jeden für sich.
Diese finale Konsequenz für jeden Einzelnen von uns ist bei den globalen Klimaänderungen letztendlich nicht anders. Allerdings verläuft diese Bewegung im Vergleich zur C-19 Pandemie gewissermaßen in Zeitlupe.
Die Gesellschaft lernt, ihr Verhalten folgenkritisch zu betrachten
Das Learning für die zukünftige Markenkommunikation in allen Branchen ist es, Transparenz und die verständliche Darstellung möglicher kritischer Folgen von Konsum beziehungsweise Nutzung für die Welt zu schaffen. So wird die Überzeugung beim Menschen gefördert, dass durch das eigene folgenkritisch betrachtete Konsumverhalten, etwas Wirksames zum Erhalt der Lebensbedingungen aller beigetragen werden kann.
Unternehmen erzielen seit einigen Jahrzehnten exorbitante Gewinne damit, weltweit Mensch und Umwelt auszubeuten. Doch die aktuelle Pandemie führt uns vor Augen, was kaum noch eine Rolle zu spielen schien: Wie unsere hochentwickelte Industrienation auf solidarisches und gemeinwohlorientiertes Denken und Handeln angewiesen ist. Ökonomisch, ökologisch und sozial. Unternehmen und Politik müssen deshalb jetzt dafür sorgen, Nachhaltigkeit und Gemeinwohl konsequent zum Bestandteil der Wirtschaft zu machen.
Die Handlungsfelder dafür sind in den siebzehn Zielen der Agenda 2030 definiert. Der Purpose eines Unternehmens leitet sich also logisch aus dem Kerngeschäft und dessen Peripherie ab. Es ist eine Frage des Framings. Wir alle müssen den Lebensraum auf diesem Planeten bewahren. Aber wie weit in die Detailtiefe übernehmen wir Verantwortung? Und wie können wir folgenkritisch handeln?
Vielleicht klingt das alles ein wenig esoterisch. Aber eben nur so lange niemand beim Vorstandsmeeting mit Corona infiziert ist.
Joko Weykopf ist Inhaber und Geschäftsführer von Polycore, einer Agentur, die sich auf nachhaltige und soziale Produkte und Dienstleitungen spezialisiert hat. Die Hamburger Agentur, die er 2015 zusammen mit Jannes Vahl gründete, bezeichnet sich selber als "Agentur für eine bessere Welt". Polycore arbeitet unter anderem für Greenpeace Energy, Ben & Jerry's, Budnikowski, den Bund Naturschutz und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Die Hamburger stecken auch hinter dem Duschbus Gobanyo, eine Art mobiles Badezimmer für Obdachlose.
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