
Shanghai Corona Days:
Chinesische Marken punkten mit Haltung statt Werbung
Stefan Justl von Storymaker China hat 45 Tage Corona-Schockstarre in Shanghai hinter sich. In Teil 11 seiner Kolumne erzählt er, mit welchen Aktionen Alibaba und Co. um die Gunst der chinesischen Kunden buhlen.

Foto: Stefan Justl
Heute morgen in der Metro ist mir ein Werbespot für einen Sportartikelhersteller aufgefallen – nicht, weil er so außergewöhnlich war, sondern weil er überhaupt zu sehen war. Wofür hat der Spot geworben? Brands sind wieder präsenter in der Außenwerbung mit Spots, die nichts mehr mit Corona zu tun haben. Marken fokussieren neben E-Commerce, wo sie eigentlich durchgängig präsent waren, auch hier wieder auf ihren eigentlichen Markenkern und ihre Markenbotschaften.
Bis vor wenigen Wochen dominierten noch die Aufklärung-Spots der Regierung auf den City Light Postern und den großen Screens am People Square, in Jing'an oder bei mir zu Hause in Xujiahui. Die Gesundheit der Menschen und der Beitrag der Unterhemen zur Linderung der Krise standen im Vordergrund von Denken und Handeln. Einige Unternehmen haben sich dabei ganz gut positioniert.
Mitgefühl statt Markenbotschaft
Zahlreiche Marken setzen in der Hochphase des Ausbruchs auf Zurückhaltung, keine großen und schrillen Kampagnen mit KOL, den chinesischen Key Opinion Leadern. Angesagt waren positive, bestärkende Botschaften an die Zielgruppe.
Aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Krise ersetzte die beliebte chinesische E-Commerce-Website Netease Yeation die ursprüngliche Plakatwerbung durch eine augenzwinkernde Erinnerung. Sinngemäß: Wir möchten schon, dass Sie diese Anzeige sehen, aber es ist wesentlich besser, wenn Sie zu Hause in Sicherheit bleiben. Yeation entwickelt eigene Lifestyle-Marken und startete im vergangenen Jahr das Offline-Geschäft, eröffnete Geschäfte vor allem in Hangzhou und in Shanghai.
Wenn sich Brands während der Krisenzeit ins Gespräch brachten, dann verstärkt über soziale Aktionen in Form von Geld- oder Produktspenden. Viele chinesische Unternehmen entdeckten CSR, Corporate Social Responsibility für sich. Doch nicht immer mussten es die so dringend benötigten Masken oder Schutzanzüge sein, die für Aufmerksamkeit sorgten.
Chinas größte Marke für Daunenjacken Bosideng spendete zum Beispiel 150.000 Daunenjacken im Gesamtwert von 39 Millionen Euro für medizinisches Personal und Arbeiter an vorderster Front. Die Aktion wurde überwiegend positiv in den sozialen Netzwerken bewertet. Viele Ärzte und Krankenschwestern posteten Bilder auf sozialen Plattformen wie WeChat und Weibo, um sich für diese Spende zu bedanken.
Aus einer Untersuchung von Unicepta, Unternehmen für Media Monitoring und Media Analyse, geht hervor, dass in China Spenden oder andere Arten von Unterstützung mit Bezug zu COVID-19 ungefähr 40 Prozent der Berichterstattung in den Medien ausmachten. Um sich zu hierbei zu unterscheiden, fokussierten einige Unternehmen auf bestimmte Regionen oder Zielgruppen.
Die chinesischen Fluglinien Juneyao und Hainan Airlines zum Beispiel erlangten Medienaufmerksamkeit, weil sie Touristen aus Osaka und den Philippinen zurück nach Hubei flogen, als die Lage dort wieder sicherer war. Bei den chinesischen Unternehmen legte sich der Technologiegigant Alibaba besonders ins Zeug.
Alibaba positioniert sich als Corona-Helfer
Alibaba war aufgrund der Aktivitäten seiner vielfachen Beteiligung quasi omnipräsent. Der Techgigant war schon bei der Entwicklung der Gesundheits-App maßgeblich beteiligt, die unter anderem über die Bezahlplattform Alipay abzurufen ist. Für große Aufmerksamkeit sorgte die zum Konzern gehörende Supermarktkette Hema, als sie fast 2.000 arbeitslos gewordene Mitarbeiter von 30 Restaurantketten einstellte.
Damit konnten der Supermarkt die gestiegene Nachfrage nach Hauslieferung bedienen, gleichzeitig aber auch den beschäftigungslosen Restaurantangestellten einen Job geben. Zu den großen beteiligten Ketten gehörten unter anderem Mystic South Yunnan Ethnic Cuisine and Youth Restaurant, Xibei Restaurant, South Memory und Shudaxia Hotpot. Die neuen Zeitarbeitskräfte wurden in den Hema-Filialen im ganzen Land meist für In-Store-Jobs wie Produktverpackung, Sortierung, Lebensmittelzubereitung und andere Arbeiten eingesetzt, in die man schnell eingelernt werden konnte.
In Wuhan lieferten die Hema-Supermärkte zudem kostenlose Lebensmittel und Trinkwasser für lokale Krankenhäuser, Rettungsteams, Journalisten und Freiwillige bereit. Über die eigene Reiseplattform Fliggy bot Alibaba medizinischem Personal kostenlose Unterkünfte mit insgesamt mehr als 10.000 Zimmern. Darüber hinaus spendete das Unternehmen 1 Mrd RMB, rund 130 Millionen Euro.
Wenn ich aus dem Fenster schaue, kann ich in der Entfernung die riesigen Werbeflächen hinter dem Jing'an Kerry Center sehen. Es gibt auch schon wieder Werbung für Urlaubsziele. Reisen ist seit einigen Wochen im Land wieder möglich, ohne dass man anschließend wieder in Quarantäne muss. Wie das genau geht und was man alles tun muss, erzähle ich dann beim nächsten Mal. Bleibt gesund.