5 Grand Prix beim ADC 2018:
ADC-Jurypräsident Jung: "Die Branche ist erwachsen geworden"
Deutschlands Kreativbranche blickt auf ein sehr erfolgreiches Jahr zurück. Die Autowerbung ist zurück mit Antoni. Beste Agentur wird Jung von Matt.
Die 27 Jurys haben getagt: Zwei Tage lang haben sie über 7000 Arbeiten gesichtet, sie selektiert und diskutiert, verworfen und bepreist. Zwei Tage lang sind 378 Juroren emotional durch alle Höhen und Tiefen gegangen. Am Ende aber kann sich das Ergebnis des Jahrgangs 2018 sehen lassen. 342 Nägel wurden vergeben und damit etwas weniger als im vergangenen Jahr (365), dafür aber gab es mehr Gold (50 zu 40). Der Rest verteilt sich auf 92-mal Silber- und 200 Bronzenägel. ADC-Präsident Stephan Vogel sagt: "Weniger ist mehr, das Resultat spricht für sich." Und in der Tat kann die Branche mit dem Kreativ-Output zufrieden sein. Top-Niveau, "auf Augenhöhe mit dem Ausland", sagt Fabian Frese, Geschäftsführer Kreation von Kolle Rebbe und Mitglied der Branded-Content- und PR-Jury. Wenn man die Goldrolle ins Netz stellen würde, so wie sie ist, sie würde die Leute umhauen, glaubt sein Kollege und Kreativpartner Sascha Hanke.
So viel Euphorie beim ADC? Was ist da passiert? Klar gibt es auch die kritischen Stimmen. "Zu wenig Qualität in der Breite", hört man immer wieder von einzelnen Juroren, "zu wenig Innovatives", "keine Überraschungen mehr", "alles gesehen". Aber der Tenor dieser Festivalwoche in Hamburg ist doch eher positiv. Eingereicht hatten ja eigentlich nur etwa so viele Agenturen wie im vergangenen Jahr. Jung von Matt, dieses Jahr wieder Nummer eins, war erneut dabei, dafür Scholz & Friends nicht und auch Publicis nicht. Aber was da halt so am Ende übrig blieb auf den Listen, hat die Kreativen der Republik offenbar aufgebracht. Alles von Relevanz gewinnt, sämtliche Favoriten, divers im Erscheinungsbild und den Kanälen, digital getrieben und kein Fakes. "Auf einen Skandal muss die Presse dieses Jahr leider verzichten", sagte Jung mit einem Schmunzeln während der Pressekonferenz Donnerstagnachmittag auf Kampnagel. Dort wurden am Abend die prestigeträchtigen Kreativpreise vergeben.
Viele Bestnoten
Fünf Grands Prix hat die ADC-Jury aus den 50 Goldarbeiten gekürt - das darf sie seit dem vergangenen Jahr - und auch da war die Aufgabe nicht einfach. Die Auswahl war einfach zu gut. 2017 kamen erst vier Grands Prix zusammen. So gewinnt die Bundeswehr einen Grand Prix für "Mali" von Castenow in Düsseldorf in der Kategorie Digital. Die Juroren überzeugte die Echtzeitkommunikation der acht Soldatinnen und Soldaten in den verschiedenen sozialen Medien. "Das ist rundum digital gedacht", sagt Jung. Hier der Case-Film:
Zweiter Grand Prix im Bereich Editorial an "Die Welt" mit Deniz Yücels Gefängniszelle. Wer die bedruckten Rückseiten der Tageszeitung auf dem Boden auslegte, konnte den Grundruss seiner Zelle in der Türkei auf exakt 4,18 mal 3,10 Metern zusammenstellen und hautnah spüren, wie sich der inhaftierte Journalist fühlen musste so beengt.
Eine sinnliche Erfahrung:
Der dritte Grand Prix ging an den Fahrradhersteller Everve aus Bayern in der Rubrik "Design" für die Arbeit "Continous Cycling von Grey/KW 43 in Düsseldorf. Die Agentur konnte das Unternehmen davon überzeugen, seine Firma zu ändern. Vom unaussprechlichen Namen Leverve zu Everve. Das steht für "ever" und "verve", passt zum Sport. Und die drei "e" im Namen haben die Designer außerdem zu Rädern gemacht und als Key Visual über alle Medien hinweg ausgespielt. "Mutig", befindet Vogel, "und eine schöne Designarbeit."
Grand Prix Nummer 5 war die Überraschung des Jahres. "Bewegtes Land" heißt das Kunstprojekt vom Kunstfest Weimar / Jena in der Kategorie "Räumliche Inszenierung" (eingereicht von: Datenstrudel Jörn Hintzer und Jakob Hüfner). Sie erinnern sich vielleicht: Entlang der Zugstrecke Jena-Weimar inszenierten Laienschauspieler aus der Region kleine Theaterstücke, um die Bahnfahrer zu unterhalten. Die Landschaft wurde zur Bühne. "Eine Arbeit, die zeigt, dass es nicht viel Budget braucht, um kreativ zu sein", so die Jury. Als sich die Juroren den Film angesehen hatten, brandete spontan Applaus auf. Sehen Sie selbst:
Und last but not least zeichnete der ADC 2018 den BVG-Schuh aus, klar. Der hat noch gefehlt. Er wurde auch für Digital und Design diskutiert, gewann aber in der Kategorie "Werbung". Jung von Matt, GUD Berlin und Achtung nehmen den Preis mit nach Hause. Wie man aus einer echten Hass- eine echte Love Brand macht - das beweise dieser Case, sagt Jung stolz.
Neben den fünf Grand Prix haben freilich etliche andere Werke Nägel gewonnen, zu den fünf wichtigsten gehören "Grow up" von Antoni, Berlin, für Mercedes-Benz. Die Agentur reichte zum ersten Mal in Hamburg ein und belegte mit ihren 9 Gold-, 7 Silber- und 3 Bronze-Nägeln gleich mal Platz drei nach Jung von Matt und Heimat und vor Grabarz & Partner sowie Kolle Rebbe. Generell sei eine Rückkehr guter Autowerbung zu beobachten, so der ADC. Und es stimmt: In den vergangenen Jahren war der Handel stark mit Edeka, Hornbach, Mediamarkt, jetzt sind es Mercedes-Benz, VW, Mini. Hier "Grow up":
Auf den Plätzen zwei bis fünf landen Heimat mit der FDP-Kampagne "Darf Diaries", der BVG-Schuh, die G-Klasse in Kunstharz (Antoni) und Edekas "Deutscher Supermarkt" (Jung von Matt).
Als ADC-Studenten des Jahres ausgezeichnet wurden Kerstin End, Christina Brandl, Kevin Jung und Jochen Wiech, Duale Hochschule Baden-Württemberg Ravensburg, mit ihrer Arbeit "Artificial Blues". ADC-Absolvent des Jahres ist Tom Hegan, Hochschule Konstanz, für die Arbeit "Habitat".
"Die Branche ist erwachsen geworden", sagt Jury-Chairman Richard Jung. In allen Arbeiten spiele die User-Zentriertheit eine wichtige Rolle, "durch die Bank". Insights werden ernst genommen, Kommunikation geschickt über alle Medienkanäle getrieben. "Der ADC ist da angekommen, wo wir ihn über all die Jahre haben wollten", schließt er. Die Kreation reagiere jetzt einfach sehr schnell auf das, was draußen passiere. Das haben sie am Donnerstagabend in Hamburg ausgiebig gefeiert.