Gastbeitrag :
Im Trend-Menü 2023 ist für jeden was dabei
W&V-Kolumnist Jochen Schlosser hält nichts von Trends. Insbesondere von solchen, die am Ende eines jeden Jahres formuliert werden. Er findet, Trends müssen wieder Trends sein und nicht das wiedergeben, was ohnehin klar ist.
Wenn ich mir anschaue, was vor zirka einem Jahr so als Trend proklamiert wurde, hier und in anderen Medien, dann ist da sicherlich viel Handfestes dabei. Ist alles eingetreten? Natürlich nicht, niemand von uns hat eine funktionierende Glaskugel daheim. War viel Quatsch dabei? Ja sicher, auch das liegt in der Natur der Sache. Mobile Advertising, Programmatic Audio, CTV und die Cookieless Future – wunderbar.
50 Prozent der Weissagungen für das kommende Jahr werden wieder ähnliches zutage fördern; garniert mit einer Prise "Künstliche Intelligenz", einem Schuss "1st-Party", einem Hauch "Retail Media" und im Jahr 2023 wohl erstmal ohne "Blockchain". Und schon haben wir es, das Trend-Menü 2023 – Bon Appetit!
Wat mutt dat mutt!
Wäre eine Zukunft ohne die oben genannten Zutaten überhaupt vorstellbar? Nein! Diese Themen sind keine kurzfristigen Trends, sie sind klare Marschrichtung einer Branche, die schon seit längerem nicht mehr jedes Jahr ein brandneues Thema antreibt. Programmatic Advertising ist echtes Enterprise Business und die Trends sind seit Jahren stabil, nicht nur für zwölf, schon eher für 24 Monate, und häufig sogar weit darüber hinaus.
Tatsächlich schaffen es nur wenige Trends sich wirklich langfristig in einer Branche zu etablieren. Die Themen, welche wir in den letzten Jahren immer wieder genannt haben, sind aber real, sie sind nicht wegzudiskutieren, sie stellen einen Umbruch der gesamten Branche dar. Als Trends sollte man diese Themen daher nicht verkaufen, auch nicht, wenn es immer wieder für einen erfolgreichen Artikel zum Anfang des neuen Jahres sorgt.
Was könnte denn ein wirklich kurzfristiger Trend der kommenden zwölf Monate sein? Das Jahr 2023 könnte durchaus ein Jahr der (noch intensiveren) Yield- und Kostenoptimierung werden, bis zum letzten Cent. In schwierigen Zeiten ist dies klare Aufgabe jedes Management-Teams, auch wenn es dem langfristigen Ziel "Reduzierung der notwendigen Partner von Unternehmen in der Lieferkette", zwecks erhöhter Governance rund um Business- und Datenschutzthemen, widerspricht. Es gibt hier durchaus Widersprüche zwischen kurzfristigen und langfristigen Zielen. Es ist ein wenig wie im Energiesektor, wo die Kohlekraftwerke derzeit auch überraschend "trendy" und zurück in den Fokus gerückt sind.
Schwierig, noch etwas zu finden, was richtig heiß ist
Alles andere fühlt sich nicht nach Trend, sondern nach Evolution an. Ja, der Third-Party-Cookie. Er stirbt dann wohl Mitte 2024. Na endlich! Aber die Zukunft ist jetzt, Lösungen sind bereits da und wenn wir alle unsere Angst hinter uns lassen und Zeit in diese Zukunft investieren, dann wären wir auch schon deutlich weiter. Auch hier gilt aber: Noch sind die Third-Party-Cookies da, also sollten sie auch vernünftig und kontrolliert genutzt werden. Eine Einschätzung, die mir im ganzen Trendnebel häufig verloren geht.
Auch sonst sind wir eher von Evolution umgeben, von Dingen, die so schon lange im positiven Sinne schwelen. Branding wird aufgrund der mangelnden Transparenz immer weniger in den großen, Netzwerken stattfinden. Datenschutz wird ausgebaut, weniger Partner, sicherere Onboarding-Strecken, ob mit Clean Room oder ohne. Klar, dies alles natürlich auf Basis von 1st-Party-Daten. Bleibt Social Media eigentlich ein Trend? Onboarding von obigen Daten funktioniert ja auch dort. Andererseits ist TikTok inzwischen viel zu groß, um noch ein Trend zu sein. Schwierig, hier noch etwas zu finden, was richtig heiß ist.
Blick nach innen
Um die (R)evolution muss man sich selbst kümmern. Für alle Advertiser, Agenturen und Publisher da draußen: Hört auf, wartet nicht auf den Trend, der eure Probleme löst – denn auf der nächsten Webseite lest ihr den entgegengesetzten Trend, der es dann richten soll. Geht es selbst an! Keiner der Trendgeber hat das goldene Schwert, welches die Probleme von heute mit einem Schlag löst.
Wir sind alle unterschiedlich. Jedes Unternehmen, jedes Team, jede Geschäftsidee und jede Geschäftsausrichtung. Für jeden von uns sind andere Dinge wichtig und es haben andere Dinge Priorität. Das Trendgebaren ist da eher wie ein Fähnchen im Wind. Es gilt den Blick auf sich selbst zu richten und zu schauen, welche makroökonomischen Entwicklungen sind für mich und mein Geschäft von Bedeutung. Was machen denn eigentlich die anderen? Sicher, ein Blick von außen ist nicht schädlich. Sich von Trendforschern verrückt machen zu lassen jedoch schon. Geschäftlicher Erfolg ist immer ein Zusammenspiel, aus dem was ist, im Umfeld, in welchem die Firma operiert, und dem, wo die Firma hinwill. Der Lärm drumherum stört da gerne mal.
BYOT – Bring your own Trend
Worauf ich hinaus will? Natürlich will ich niemanden seine Trends absprechen, am Ende macht es ja auch Spaß zu lesen, wo man sich einig ist und wo gegebenenfalls auch nicht. Ich verstehe auch, dass das "Hypeschwein" gefüttert werden will. Wichtig ist nur, den Stall sauber zu halten und sauber zwischen Hype, Trend und den wichtigen Veränderungen zu trennen. Ich bin gespannt und freue mich auf Trends der nächsten Wochen – auch für mich wird sicher was Spannendes dabei sein.
Die Cookiekalypse hält die Branche in Atem. Besser, man hat eine gute First-Party-Data-Strategie. Wie man die entwickelt, lernst du im W&V Executive Briefing.
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Wie funktioniert eigentlich Tiktok? Einen schnellen und umfassenden Überblick gibt dir die aktuelle Ausgabe des W&V Executive Briefing zum Thema Tiktok.