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Funke-Springer: Im Big Deal steckt eine große Chance
Verrat an Gründervater Axel Springer, Abschied von Print und Anfang vom Ende des Journalismus: Vielen Kommentatoren konnte es am Tag des großen Funke-Springer-Deals gar nicht schrill genug sein. Dabei birgt das Geschäft eine große Chance für den Medienmarkt. Mediaagenturen könnten an Macht verlieren.
Was für ein Coup! Klar reißt sich der Traditionsverlag Springer mehrere Stücke seines Herzens aus seinem noch recht gesunden Organismus, Ur-Werte des Gründungsvaters Axel. Und natürlich muss man auch über das Zeichen nachdenken, das der Konzern mit seinem radikalen Sommerschlussverkauf sendet: Allein es fehlt der Glaube an Print? Die Börse jedenfalls scheint den Print-Abstoß zu goutieren, zeitweise stieg der Springer-Kurs um 25 Prozent.
Auf der anderen Seite zeigt der Konzern, wie Change-Management betrieben werden kann. Wie man sich von Traditionen lösen muss, um sich für die Zukunft zu rüsten, natürlich mit dem Risiko, sich nach und nach als Medienkonzern zu verabschieden. In anderen Branchen ist diese Art von Change schon öfters vorgekommen, bekanntestes Beispiel ist der ehemalige Gummistiefelhersteller Nokia.
Der Millionen-Deal zwischen Springer und Funke scheint erst ein Anfang zu sein: Axel-Springer-CEO Mathias Döpfner hat nun noch mehr Spielgeld für Investitionen ins digitale Roulette und könnte nun doch bei der Scout-Gruppe zuschlagen. Ob das bisherige Zögern der Berliner mit dem Funke-Geschäft zusammenhing? Gut möglich.
Zugleich aber böte sich ein weiterer Print-Deal mit Funke an, nämlich sich bei der österreichischen "Kronen-Zeitung" zu beteiligen, dem alpenrepublikanischen Pendant zu "Bild". 50 Prozent halten die Essener seit 1987 an dem bis heute sehr erfolgreichen Boulevardblatt. Auch hier herrscht großes Synergiepotenzial, freilich mit Mitarbeiter- oder quasi Menschenopfern.
The Big Deal aber ist die ganze Vermarktungskiste, die Springer und Funke da unter dem Regime vom bisherigen Asmi-Chef Peter Würtenberger planen. Es wird ein großer Vermarkter entstehen, der vielleicht größte der Republik. Vor allem dann, wenn der als extremst verflochten geltende Asmi-Manager seine Kontakte nutzt und weitere Partner an Bord holt. Wenn kleinere Medienhäuser anklopfen, um ihre Produkte vermarkten zu lassen. Dann erwächst aus dem Konstrukt so was wie ein fast neutraler Riesenvermarkter.
Und es werden weitere Riesenvermarkter mit Mandantengeschäft entstehen. Burda und Bauer sind mögliche Kandidaten, IQ Media auch, vor allem aber Ströer und digitale Player, die geradezu (un)heimlich wachsen. In einer neuen Medienlandschaft mit Riesenvermarktern könnte sich die Medienwelt drehen. Mediaagenturen könnten endlich an Macht verlieren. Was mal neu wäre. Weil Vermarkter im Interesse der Medien den Markt gestalten – und weniger, wie manch große Agentur, im sturen Eigeninteresse handeln. So gesehen steckt im Big Deal eine große Chance für den Medienmarkt.
Es bleibt also spannend, das Spiel geht weiter. All die Hintergründe und Folgen dieses Funke/Springer-Coups hat unser W&V-Team recherchiert und kurzfristig zur Titelstory erklärt. Am Montag auf jedem wichtigen Schreibtisch.