Climate Partner:
So kann Werbung klimaneutral werden
Klimaschutz, eines der großen Themen in der Medienbranche, spielt eine wichtige Rolle während der Screenforce Days. Was echte Ambitionen von Greenwashing unterscheidet, erklärt Moritz Lehmkuhl von Climate Partner.
Am "Future Day", dem letzten Tag der Screenforce Days vom 14. bis 17. Juni, sprechen Florian Haller, Geschäftsführer Serviceplan, Peter Christmann, Geschäftsführer Media4Planet, und Moritz Lehmkuhl, Geschäftsführer ClimatePartner darüber, wie die Medien- und Mediabranche ihren CO2-Abdruck signifikant reduzieren kann. Den Impulsvortrag zur Einführung steuert Kerstin Erbe, Geschäftsführerin dm bei.
Moritz Lehmkuhl erläutert im W&V-Digitalspecial zu den Screenforce Days, was unter Klimaneutralität zu verstehen ist, wie der Begriff in der Werbung richtig zu benutzen ist und was Verbraucher zu Recht erwarten dürfen.
Klimaschutz nimmt Fahrt auf, über sämtliche Bereiche hinweg. Was ist in diesem Zusammenhang unter Klimaneutralität zu verstehen und wie wird sie konkret erreicht?
Das Prinzip der Klimaneutralität basiert auf dem bereits 1997 beschlossenen Kyoto-Protokoll, das bis heute im Wesentlichen unverändert ist. Allerdings sollen Details zur weiteren Schärfung bei der nächsten Weltklimakonferenz im November in Glasgow weiterentwickelt und verhandelt werden. Der Begriff besagt, dass CO2-Emissionen, die an einem Ort entstehen, durch Einsparungsmaßnahmen an einem anderen Ort ausgeglichen werden können. Es entsteht somit Neutralität.
Um dies zu erreichen, haben sich international anerkannte Kriterien etabliert: die Emissionen müssen zuerst gemessen und berechnet werden, dann Möglichkeiten zur Reduktion und Vermeidung identifiziert werden. Schließlich müssen die Emissionen, die als unvermeidbar zurück bleiben, über zertifizierte Klimaschutzprojekte, in denen nachweislich CO2 eingespart wird, ausgeglichen werden. Diese liegen in der Regel in den Ländern des globalen Südens und sind gleichzeitig auch Entwicklungsprojekte im Sinne der UN Nachhaltigkeitsziele (SDGs).
Warum finden solche Klimaschutzprojekte nicht direkt hier in Deutschland statt und wie können Unternehmen sicher sein, dass sie die richtigen Projekte unterstützen?
Damit Projekte sich für den Ausgleich von CO2-Emissionen qualifizieren, müssen sie eine Reihe Anforderungen erfüllen. Sie müssen dauerhaft aufgesetzt sein ("Dauerhaftigkeit"), ihre Finanzierung muss auf nicht-staatliche Unterstützung angewiesen sein ("Zusätzlichkeit"), die eingesparten Emissionen dürfen nicht dem jeweiligen nationalen Treibhausgasinventar angerechnet werden ("keine Doppelzählung") und sie müssen regelmäßig überprüft werden ("Überprüfbarkeit").
Diese Anforderungen erfüllen die zertifizierten, internationalen Klimaschutzprojekte. Ein lokaler Ausgleich der Emissionen in Deutschland ist bis dato nicht möglich, da die Bundesregierung noch keinen Prozess zur Berücksichtigung von nationalen Emissionsminderungszertifikaten im deutschen Emissionsinventar definiert hat.
Wichtige und zuverlässige Qualitätskriterien bieten Zertifizierungsstandards wie z.B. Gold Standard oder Verified Carbon Standard. Sie bestätigen auch, dass durch die Projekte die 17 UN-SDGs (Social development Goals) gefördert werden. Davon profitieren u.a. der Tierschutz, die Biodiversität und vor allem verbessert sich das Leben der Menschen vor Ort.
CO2-Emissionen entstehen ja bei allem, was wir tun. Ist es überhaupt realistisch, komplett ohne Emissionen leben und arbeiten zu wollen?
Niemand und nichts kann komplett emissionsfrei sein, auch bei sehr großen Anstrengungen werden immer noch unvermeidbare Emissionen übrig bleiben. Der Ausgleich dieser Emissionen ist daher ein wichtiger Baustein in einer umfassenden Klimaschutzstrategie, bei der Vermeidung und Reduktion natürlich stets Priorität haben sollten.
Wenn man den CO2-Ausgleich als kontinuierlichen Prozess ansetzt, bei dem regelmäßig ein CO2-Fußabdruck erhoben und die Maßnahmen zu Reduktion und Vermeidung überprüft und verbessert werden, lassen sich dadurch auch die verbleibenden Emissionen verringern.
Auch die Werbebranche ist inzwischen aktiv geworden, wie die Initiativen der großen Vermarkter zeigen. Was müssen die Unternehmen und Agenturen hier beachten?
Es gibt inzwischen verschiedenste Konzepte und Initiativen wie beispielsweise von Media4Planet, Mediaplus oder WallDecaux, die hier in Zusammenarbeit mit Climate Partner schlüsselfertige Lösungen in den Bereichen Print, Digital, Bewegtbild, Audio und Out-of-Home bieten. Mit ihnen lassen sich die Emissionen im Zusammenhang mit Werbekampagnen errechnen und ausgleichen – die Werbung wird somit klimaneutral.
Für viele Unternehmen ist das eine willkommene und konsequente Verlängerung ihrer Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Wer den Klimaschutz in seine Geschäftsstrategie und Produkte integriert, will dies auch in der Vermarktung dazu fortführen.
Zuletzt wurde die Verwendung des Begriffes Klimaneutralität in der Werbung kritisiert. Hilft eine solche Begriffsdiskussion dem Klimaschutz im Allgemeinen oder erzeugt das nicht auch Unsicherheit?
Es gibt zur Erreichung von Klimaneutralität etablierte Methoden. Bei der Kommunikation dazu ist es natürlich wichtig für die Glaubwürdigkeit, falsche Aussagen oder nicht einhaltbare Versprechen zu vermeiden. Die Informationen sollten nachvollziehbar und verständlich sein.
Hier tragen Unternehmen eine hohe Verantwortung. Wir unterstützen sie durch detaillierte Unterlagen und Informationen bei ihren Marketing- und Kommunikationsmaßnahmen. Darüber bietet unsere Climate Partner Academy Schulungen zum aktuellen Stand beim Klimaschutz, den entsprechenden Technologien, Vorgehensweisen bis hin zu Praxisbeispielen an.
Glaubwürdiger Klimaschutz erfordert immer Reduktion und Vermeidung von Emissionen. Der bloße Ausgleich ohne intensive Reduktion und Vermeidung ist zu vermeiden, ein solches "Freikaufen" wäre tatsächlich als "Greenwashing" einzustufen.
Worauf kommt es Ihrer Meinung nach an, damit auch die Verbraucher Orientierung für ihre Konsumentscheidungen bekommen?
Auch hier kommt es auf bestmögliche Transparenz und Klarheit in der Kommunikation an. Während Unternehmen Vertrauen in die Wirksamkeit benötigen, um sich mit ihren Prozessen und Zielen auf den Weg des Klimaschutzes einzulassen, haben Verbraucher einen Anspruch darauf, dass die Kennzeichnung von Produkten ihnen zu den richtigen Entscheidungen verhilft.