Screenforce Day:
OWM streitet mit Vermarktern um TV-Reichweite
Der Werbetreibendenverband OWM plant im Vorfeld des Screenforce Days einen Verbal-Angriff auf die TV-Vermarkter. Im Fernsehlager sorgt das für Unruhe. Dort kontert man den Schlag bereits im Vorfeld.
Die Werbungtreibenden verschärfen den Ton gegenüber den TV-Vermarktern. Wie W&V in der aktuellen Print-Ausgabe berichtet, will die Organisation der Werbungtreibenden im Markenverband (OWM) am Dienstag kritische Thesen zum werbefinanzierten Fernsehen veröffentlichen (W&V 19/2016). Der Zeitpunkt ist wohl gewählt: Am darauf folgenden Mittwoch steigt mit dem Screenforce Day in Düsseldorf das große Branchenevent der deutschen TV-Vermarkter.
Bereits im Vorfeld sickerte durch, was OWM-Vize Uwe Storch, Mediachef von Ferrero, am Dienstag den Fernsehsendern ins Stammbuch schreiben will: eine Zusammenfassung und Zuspitzung einiger Streitthemen, die seit längerem zwischen Unternehmen und Sendern gären. Im Zentrum wird dabei wohl der Stellenwert der Mediawährung TV-Reichweite an sich stehen. Deren Wert ist aus Sicht der Werbungtreibenden gesunken. Weil immer weniger Menschen immer mehr fernsehen, sinken die Nettoreichweiten. Vor allem jüngere Zuschauer sind mit Fernsehen schwieriger und aufwändiger zu erreichen. Die Sender arbeiten zwar seit Jahren daran, ihre Reichweitenwährung TV-Quote an die veränderte Fernsehnutzung anzupassen. So will deren Forschungsverbund AGF noch dieses Jahr die lang erwarteten Zahlen zur bildschirmübergreifenden Crossmedia-Reichweite vorlegen. Den Werbungtreibenden geht das aber nicht schnell genug.
Beim Thema TV-Reichweiten hadern Kunden und Sender hinter den Kulissen ohnehin schon seit Monaten miteinander. Seit Januar misst die AGF auch das TV-Verhalten der Nicht-EU-Ausländer. Das hat zu steigenden Reichweiten und absolut höheren Spotpreisen geführt (W&V 6/2016)b – zum Unmut von Werbekunden und Mediaagenturen. Der Grund dafür ist, dass die neue Grundgesamtheit bislang nicht von ausreichend vielen Nicht-EU-Haushalten im Quotenpanel der AGF repräsentiert wurde. Die AGF hat zwar Nachbesserungen versprochen. Kunden und Agenturen geht aber auch das nicht schnell genug.
Ebenfalls Gegenstand der Storch-Thesen ist wohl auch die wachsende Zahl sogenannter Media-for-Equity-Deals der großen Sendergruppen. Vor allem ProSiebenSat.1 hat dieses Geschäftsfeld in den letzten Jahren massiv ausgebaut. Die Folge: Spots zahlreicher Dotcom-Firmen, an denen der Konzern beteiligt ist, prägen und entwerten aus Sicht einiger TV-Kunden die Werbeblöcke. Andere Unternehmen stören sich daran, dass Sender mit ihrer Mediamacht Konkurrenten fürs eigene Geschäft hochpäppeln.
Die Storch-Thesen sorgen bereits vor ihrer Veröffentlichung für Unruhe im TV-Lager. Martin Krapf, Geschäftsführer des Gattungsverbunds Screenforce, kontert im Vorfeld: "Forschung und Währungen sind nie perfekt– man kann wie das Haar in der Suppe immer kritische Punkte finden. Am Ende kommt es auf das Ergebnis an – und da liefert TV nachweislich den höchsten Beitrag."
"Das Problem der tendenziell sinkenden Netto-Reichweiten bei jüngeren Zielgruppen" sei den TV-Vermarktern "völlig bewusst", erklärt Krapf. Man arbeite "mit allem Hochdruck daran: Mit programmlichen Anstrengungen im linearen TV, aber eben auch mit neuen Content-on-Demand-Angeboten im Internet". Allerdings seien die Veränderungen "wesentlich geringer als vielfach behauptet", meint Krapf. "Selbst bei den Digital Natives liegt die Netto-Reichweite immer noch bei 77 Prozent pro Woche und bei 88 Prozent pro Monat, das schafft nicht annähernd und selbst bei den jungen Zuschauern kein anderes Massenmedium."
Auch die wahrscheinliche Kritik an der AGF erwidert Krapf: "Auch wenn dem einen oder anderen der Prozess zu langsam gehen mag: Im Vergleich zu allen anderen Ländern liegt Deutschland bei der audiovisuellen Gesamtreichweite im Spitzenfeld."