Digitales Marketing im Mittelstand:
Marketing im Mittelstand: Besser als sein Ruf, herausfordernd für die Zukunft
Der Mittelstand gilt als Motor unserer Wirtschaft. Doch die zentralen Assets der Mittelständler könnten im Zuge der digitalen Transformation zum Hemmschuh werden. Gastautor Stefan Postler zeigt vier Handlungsfelder, wie sie die Digitalisierung erfolgreich meistern.
Marketing im Mittelstand – das klingt immer so, als müsste man hier besonders unter die Arme greifen, damit er nicht komplett den Anschluss an den Zeitgeist verliert. Dabei blenden wir kurzerhand aus, dass der Mittelstand 99 Prozent der deutschen Unternehmen repräsentiert, Motor für das Wirtschaftswachstum, Garant für Vollbeschäftigung und Export-Überschüsse ist. Ganz so verkehrt kann es also nicht sein, was der deutsche Mittelstand an unternehmerischen Leistungen und damit letztlich auch an Marketing auf die Straße bringt, oder?
Dass das Thema „Marketing im Mittelstand“ gerade omnipräsent ist, hängt aus meiner Sicht ganz wesentlich mit den Herausforderungen der Zukunft zusammen. Denn die zentralen Assets der Mittelständler – ganz egal, ob regionale Vertriebsgesellschaft oder Hidden Champion im Schwarzwald – drohen im Zuge der digitalen Transformation zum Hemmschuh zu werden: Kontinuität, Erfahrung und eben auch eine gewisse, durchaus gesunde Skepsis neuen Trends gegenüber. Denn das Tempo und damit eben auch die Standards für die Wirtschaft von morgen setzen jetzt die viel beschworenen Start-Ups. Sie kompensieren ihre fehlende Erfahrung sehr erfolgreich mit technologischem Know-how, einer völlig neuen Form von Konsumentenzentrierung und jugendlicher Unerschrockenheit.
KMUs, die ja in der Regel Familienunternehmen bzw. Personengesellschaften sind, stehen diesem tiefgreifenden Kulturwandel häufig ambivalent gegenüber, weil sie mit ihrem bisherigen Geschäftsmodell eine lange, erfolgreiche Tradition fortführen, andererseits natürlich die Notwendigkeit der digitalen Transformation sehen. In unserer repräsentativen Umfrage „Digitalisierung im deutschen Mittelstand“ fanden wir heraus, dass durchgängig alle befragten Top-Manager die Digitalisierung als wichtig erachten, jedoch etwa zur Umsetzung der digitalen Kommunikationsstrategie bei jedem Zweiten Kapazitäten fehlen. Außerdem scheitern 43,9 Prozent der mittelständischen Unternehmen an Differenzen bezüglich der Zukunftsvorstellungen innerhalb der Chef-Etage.
Es läuft also auf die Frage hinaus, wie man die Digitalisierung erfolgreich umsetzt und zugleich aus Marketingsicht entsprechend operationalisiert. Aus unserer Erfahrung und unserer Forschung haben sich hier vier Handlungsfelder heraus kristallisiert:
1.) Markenführung: In zehn Jahren werden wahrscheinlich 80 Prozent aller Unternehmen hierzulande im weitesten Sinne Technologie-Anbieter sein oder mindestens überwiegend digital basierte Geschäfte abwickeln. Aber wenn etwa eine regional verankerte B2C-Marke ihre Produkte künftig vor allem über E-Commerce-Plattformen statt im stationären Handel anbietet, so erfordert das natürlich völlig andere Mechanismen in der Markenführung als im analogen Zeitalter. Plötzlich muss sich der Anbieter auf globaler Ebene digital positionieren und behaupten – eben weil der Konkurrent vielleicht nicht mehr ein Bundesland, sondern nur noch einen Mausklick entfernt ist. Aus einer recht bequemen Monopolstellung findet man sich plötzlich im hart umkämpften Polypol wieder. Doch die verschärfte Wettbewerbssituation bringt natürlich auch höhere Standards im Marketing mit sich. Tatsächlich setzen knapp die Hälfte (47 Prozent) ihre Markenstrategie aktuell gar nicht oder inkonsequent um. Das zeigen die Ergebnisse einer exklusiven Studie, die wir zusammen mit Innofact durchgeführt haben. Doch für die Zukunft werden wohl mehr Beständigkeit und Durchsetzungskraft hinter den gesetzten Strategien nötig sein, damit der Mittelstand dauerhaft seine Stellung behält.
2.) Neue Marketing-Tools: Passgenaue Technologien wie Data Management-Plattformen, KI zur Ausspielung von eigenem Content und Werbung, Chatbots – Deutschlands Mittelstand weiß sehr genau, welche neuen Technologien für ihn wichtig sind. In der Studie nannten mehr als die Hälfte – bei den DMPs und KI waren es sogar 67 bzw. 71 Prozent – die drei Tools als die zentralen technologischen Treiber. Berührungsängste müssen hier also kaum abgebaut werden, es geht vielmehr um die strategische Planung und Steuerung sowie den koordinierten Einsatz der Technologien in der Praxis. Ein wesentlicher Aspekt ist hierbei das Festlegen von Erfolgskennziffern: Beim Einsatz von Chatbots etwa liegt die Frage auf der Hand, um wie viel effizienter ist eine Erstberatung hierüber im Vergleich zur herkömmlichen Telefon- bzw. Mail-Kommunikation. In der Praxis ist es so, dass die Implementierung von neuen Tools in Verbindung mit entsprechenden KPIs häufig jedoch noch fehlt.
3.) CRM und Multichannel-Orchestrierung: Wo kann ich überall mit meinen Kunden in Dialog treten? Wie optimiere ich die Customer Journey? Wie schaffe ich es, ein kongruentes Markenbild über alle Kanäle aufrecht zu erhalten? Aus unserer täglichen Arbeit und unserer Forschung wissen wir, dass diese Fragestellung eben nicht nur die ganz großen Konzerne umtreibt, sondern auch den Mittelstand: 69 Prozent der Marketingentscheider im Mittelstand, so zeigt unsere Studie, sehen die Abstimmung der verschiedenen Kundenkanäle und Inhalte als große Herausforderung. Dabei definieren wir diese Multichannel-Orchestrierung nicht allein als eine Optimierung der digitalen Kanäle, sondern ganz wesentlich ist hier häufig der Brückenschlag in den stationären Handel – das gilt erst recht für regional tätige Unternehmen. So ist es laut einer Studie des Handelsverband Deutschland und weiteren Partnern drei Viertel der Konsumenten auch in Zukunft wichtig, direkt und persönlich im Laden einkaufen zu können . Die Wechselwirkungen von digitalen und stationären Verkaufskanälen zu vernachlässigen, wäre grob fahrlässig. Digital ausbauen sowie zugleich die fachliche Kompetenz und Präsenz vor Ort stärken, kann also nur die Antwort auf die Anforderungen von morgen sein.
4.) Interne Kommunikation im Change Management: Mitarbeiter, die zehn, zwanzig Jahre im Unternehmen sind, auf die Reise in eine völlig veränderte Zukunft mitzunehmen – das ist nicht leicht. Auch weil Führungskräfte realistisch eben nicht genau prognostizieren können, wie sich die Märkte in fünf Jahren darstellen. Das schafft Verunsicherung – im Management genauso wie in der Belegschaft. Das Einzige, was (mittelständische) Unternehmen tun können: Das Thema Change Management ganz oben auf ihre Agenda zu setzen und konsequent die Voraussetzungen für sich verändernde Rahmenbedingungen zu schaffen. Dies offen und ehrlich zu kommunizieren, ist Aufgabe des Top-Managements. Doch nur 48,3 Prozent der Entscheidungsträger sehen die Information der Mitarbeiter als eine Hauptaufgabe der internen Kommunikation. Kommunikation ist jedoch das A und O da ist sich der Großteil der mittelständischen Unternehmen einig, denn immerhin 80,3 Prozent halten interne Kommunikation für strategisch bedeutend.
Der Mittelstand ist Basis und Motor der deutschen Wirtschaft, er muss dem digitalen Zeitalter noch selbstbewusster entgegen treten und sich mit geeigneten Kommunikations- und Marketinglösungen für die Herausforderungen der Zukunft wappnen.
Stefan Postler ist Mitglied des Executive Boards von TERRITORY, der Agentur für Markeninhalte. Rund 1.000 Mitarbeiter arbeiten daran, für Unternehmen und ihre Marken inhaltliche Territorien zu definieren, diese kontinuierlich mit Inhalten, Aktionen und Services zu beleben und so Relevanz und Aufmerksamkeit zu erzielen.