Essay:
Wer kommt zur Party auf dem Mond?
Das Internet verbindet - und entzweit zugleich. Technologien von VR bis hin zu Voice entführen den Menschen in parallele Wirklichkeiten. Was bringen die neuen Sphären?
Feuer flammt, Lava sprudelt. In Fortnite ist ein Vulkan am Dampfen. Doch der Vesuv ist nur virtuell: Das Game hat den Vulkan inszeniert, und die Spieler-Community kann mit Waffen und Munition, die sie in den Krater werfen, den Ausbruch noch verstärken. Ein klassisches Game-Szenario. Doch kommen solche Szenarien heute in der Mitte der Konsumenten an. VR-Brillen wie Oculus Rift treiben die Entwicklung an.
Im Mittelpunkt stehen reale Objekte, wie der Kölner Dom zum Beispiel. Dort können Besucher ein exklusives Chorkonzert genießen, und wenn sie Lust haben, besichtigen sie danach das Gebäude wie es nach dem 2. Weltkrieg ausgesehen hat: damals war alles um ihn herum zerfallen. "Virtual Reality bringt uns an Orte, an die wir sonst nicht kämen", heißt es dazu auf der Website des WDR. Der Fernsehsender zeigt mit seiner Virtual Reality-App WDR 360 VR den Dom im 360 Grad-Rundumblick. Und bietet damit Einsichten, die zuvor nicht möglich waren.
So beschreibt es Rolf Illenberger, Gründer und Geschäftsführer beim VR-Anbieter VRdirect. "Virtual Reality bringt den User an verschiedene Orte und lassen ihn in andere Zeiten und Orte reisen, wo er sehr reale Erlebnisse haben kann", sagt er. Immerhin sind bei VR die wichtigsten Sinne des Menschen - Hören und Sehen - involviert. Damit bewegt er sich gedanklich und - virtuell - auch physisch in anderen Sphären. Auch ein Trip zum Mond wird damit möglich. Jeder nach seiner Facon. Oder anders gesagt: Jeder erlebt, was er erleben will. Je nachdem, welche Brille er sich aufsetzt. Neue Welten tun sich auf.
Während früher der jeweilige Ort, an dem der Mensch seine sozialen Kontakte gepflegt hat, für ein Zusammengehörigkeitsgefühl gesorgt hat, verbinden nun die gemeinsamen Interessen. Dem Internet und immer neuen Technologien sei Dank. So formieren sich neue Communitys - ganz so wie das eben schon Games vormachten, wie eben Fortnite: Dort finden In-Game-Konzerte statt die von Millionen an Menschen anzieht.
Haupttreiber virtuelle Realität
Haupttreiber der neuen Universen sind virtuelle und erweiterte Realität. Mit Augmented Reality wiederum wird ein Layer über die Außenwelt gelegt, die den User Dinge sehen lassen, die vorher nicht da waren. Das gilt für die berüchtigte Jagd nach den Pokemons genauso wie auch im Marketing. Dort sorgt L´Oréal für Experimente mit dem eigenen Gesicht. Der Kosmetikhersteller hat dafür eine AR-Applikation mit Facebook entwickelt. Dazu müssen die User noch nicht einmal eine App installieren oder eine Website besuchen. Sondern einfach nur eine Anzeige des Kosmetik-Herstellers auf Facebook ansehen: Dort können sie Make-Up ausprobieren - und, wenn ihnen das Ergebnis gefällt, im Online-Shop bestellen. Möglich sind auch AR-Spiegel beim Friseur. Statt über Flyer oder ähnliche Werbematerialien könnten ausgewählte Haarpflegeprodukte dann dort eingeblendet werden - direkt vor der Nase des Kunden.
Über die Verlängerung der Realität tauchen Konsumenten in völlig neue Sphären ein, die zuvor nicht da waren. Jeder bekommt dabei sein eigenes Erlebnis. Das gelingt auch über Künstliche Intelligenz: Über Daten und selbstlernende Systeme können User auf Webseiten personalisierten Content vorzusetzen. Das gelingt schon über Daten allein, wie zum Beispiel auf Plattformen wie Facebook. So erhöht sich die Relevanz für den User, auch im Marketing: KI schafft die Voraussetzungen, den gestiegenen Erwartungen der Verbraucher im digitalen Zeitalter gerecht zu werden. Über die Systeme können sehr komplexe Daten in Windeseile so aufbereitet werden, dass das gesamte Marketing individuell auf die Bedürfnisse des Kunden, die Situation und den Kanal abstimmt werden können. Dabei gilt: Je mehr Daten es gibt, auch solche die in die Vergangenheit zurückreichen, desto besser kann die KI die echten Bedürfnisse der User erkennen. Marken können einen User A somit leichter abholen und ihn in ihre Markenwelt entführen. Anders als sie das bei User B machen.
Diese Art der Individualisierung setzt sich weiter fort im Zukunftsfeld Voice. Sprachassistenten können Menschen überall erreichen, Zuhause oder im Auto. Genauso wie auf Websiten oder Display-Ads auch können über Daten die jeweiligen Präferenzen des Nutzers bedient werden. Über Google Maps zum Beispiel kann erkannt werden, wo der Fahrer täglich fährt und wo er schon mal essen war - und danach können Vorschläge unterbreitet werden. Das sorgt dafür, dass die Ansprache für den einzelnen relevanter wird, er aber letztlich andere Erlebnisse haben wird als sein Nachbar oder sein Kollege. Denn auch wenn der physisch wie immer am Schreibtisch sitzt, ist er in Wirklichkeit gerade an einem ganz anderen Ort. Am Vesuv oder bei einer Party auf dem Mond.