Retail:
Handel der Zukunft: Menschlicher als gedacht
Wird der Handel in Zeiten von Drohnen und Robotern zur Parallelwelt? Nicht unbedingt. Denn: Die nahe Zukunft ist zwar technologisch versierter - aber doch viel menschlicher als vor zehn Jahren gedacht.
Man braucht durchaus eine gewisse Paradoxie-Kompetenz, wenn man sich mit den Veränderungen im Handel beschäftigt – und das besonders im Zukunftsjahr 2020. Zahlreiche Visionen formten sich in den letzten 10 Jahren um dieses magische Jahr: Darunter autonome Fahrzeuge, die Bestellungen entgegennehmen und Roboter, die im Laden stehen. Zu den Visionen zählt auch das Ende der stationären Ladenflächen durch den E-Commerce und regelrechte Handels-Einöden. Heute sehen wir Zalando mit stationären Partnern, Amazon mit eigenen Buchläden, Karstadt-Kaufhof mit der Renaissance eines digital-überarbeiteten Warenhauses und ganze Städte, die sich durch Online-Citys neu erfinden. Wir sehen auch, dass unsere Kunden noch ungeduldiger werden und gleichzeitig Entschleunigung suchen. Dazu kommen die Berichte von großen Handelskonzepten aus der Stadt sowie dass gleichzeitig die nachhaltigsten Innovationen gerade in den ländlichen Regionen entwickelt werden. Umso spannender ist es, sich genau in dieser Zeit mit dem Handel zu beschäftigen. In der Zeit, in der sich On-und Offline annähern und selbst die größten Wettbewerber zu Partnern werden, um der Vielzahl an Anforderungen heute gerecht zu werden.
Vier Entwicklungen für den Handel 2020:
1. Age of Ecosystems: Der Online-Shop weicht dem Erlebnis-Ökosystem
Den Anfang machten die großen Online-Händler. Sie haben gemerkt, dass sie ohne lokale Netzwerke an ihre Wachstumsgrenzen stoßen. Schließlich wollen ihre Kunden einzigartige Produkte und das bitte schnell. In Zukunft soll das besser gelingen: Otto, Amazon und Zalando investieren in lokale Netzwerke mit kleineren Händlern und feiern sich als Marktplätze. Auch in der Werbung sehen wir die Kooperationen. In einem von Amazon produzierten nationalen TV-Spot zeigt das Konzept „Aus klein mach groß“ gezielt die Lieferung von Produkten kleiner Unternehmen, wie der „Manufaktur Liebevoll“ aus dem brandenburgischen Erkner. Im Ausland gehen die Ökosysteme bereits weiter. Alibaba beispielsweise vernetzt nicht nur lokale Händler, sondern auch Dienstleister. So können bald Friseurtermine, Reinigungen, Postlieferungen und vieles mehr über das Alibaba Netzwerk getätigt werden.
2. Instant Retail: Autonome Shops gibt es bald "to go"
Die sofortige Verfügbarkeit von Produkten führt zu einem weiteren Trend. Dem mobilen Handel - und nein, nicht dem Mobile Commerce. Stores auf Rädern wurden schon des Öfteren ausprobiert und mit dem Fortschritt im autonomen Fahren wird dies immer erfolgreicher. Egal ob fahrende Tante Emma Läden vom Fraunhofer Institut auf dem Land innerhalb des Projektes „Digitales Dorf“, rollende Erlebniswelten und Cafés von Ikea durch hochfrequentierte Städte oder kleine autonom fahrende Supermärkte, die Frische-Produkte liefern. Wichtig ist; die Läden sind nicht nur klein, sondern auch beweglich und können mithilfe einer App die Produkte direkt zum Kunden fahren.
3. Playful Stores: das Erlebnis pro Quadratmeter zählt, egal wo
Innerhalb und außerhalb der neuen Marktplätze besinnt sich der stationäre Handel auf seine Kern-Stärke und zelebriert sie im Übermaß. Die Folge: Spielerische Erlebniswelten, die den Kunden in eine ganz eigene Welt entführen. Was zählt ist nicht mehr einfach die Flächenproduktivität, sondern das maximale Erlebnis pro Fläche. Das Kaufhaus Showfields in New York beispielsweise inszeniert über vier Etagen Erlebniswelten für einzelne Online- und Startup-Produkte. Hier gibt es keine Zahnbürste im Regal, sondern ein eigens angelegtes Badezimmer.
4. Algorithmic Retail: Technologien wie KI werden der Motor ökologischer Konzepte
Technologien, besonders künstliche Intelligenz, beschäftigt die Handelswelt. Spätestens mit Apple Pay und Amazon Go ist beispielsweise das Bezahlen per Fingerabdruck oder Wearable zum Trend geworden. Doch jenseits des für den Kunden sichtbaren Einsatzes von intelligenter Technologie sind Prozesse für eine nachhaltigere Produktion immer ausschlaggebender. Daher setzen auch immer mehr Händler KI-Analysen ein, um Abfälle und Energieüberschuss zu vermeiden und somit einer nachfolgenden Generation und ihren Forderungen nach Nachhaltigkeit gerecht zu werden.
Text: Theresa Schleicher, VORN Strategy Consulting