Generation Z :
"Gen Z hebt die Always-On-Mentalität auf die nächste Stufe"
Im Interview knacken Christian von den Brincken, Managing Director Ströer und René Coiffard, Managing Director MediaCom, den "Code to Teens".
Es fing an mit den Babyboomern, die vor allem dadurch charakterisiert werden, dass es sehr viele von ihnen gibt. Es folgten die Generation X, die als Null-Bock-Generation verunglimpft wurde und schließlich die Generation Y, aka Millennials, die als gutgebildet und technikaffin gilt. Jetzt rückt mit der "Gen Z" die nächste Generation in den Blickpunkt der Marketingwelt. Was macht sie aus, wie können wir sie charakterisieren?
Christian von den Brincken: "Zunächst aus sicherer Entfernung beobachten und bewerten und dann erst selber machen:
So lässt sich die Generation Z beschreiben, die in ihrer multioptionalen Realität nach Sicherheit und Stabilität strebt. Ströer und [m]Science haben im Rahmen der 'Code to Teens'-Studie in einer Online-Community je rund 40 Personen aus der Generation Z und der Generation Y zu ihrem Denken und Handeln befragt. Die heute 16 bis 23-Jährigen ticken demnach anders als ihre Vorgänger-Generation Y (24-35 Jahre), die eigenständig mit- und umgestalten will, neuen Erfahrungen gegenüber offen ist und gerne Neues ausprobieren und erleben möchte.
Die Generation Z hingegen folgt lieber dem Beispiel anderer, bewegt sich vorsichtiger und braucht das Sicherheitsnetz ihrer Peer-Group (wie Eltern, Freundeskreis oder Influencer) und bestehende Regeln, bevor sie selbst aktiv wird. Veränderung bedeutet in ihrer Welt die Anpassung von bereits existierenden Gegebenheiten an ihre Wünsche.
Werbungtreibende müssen sich der Herausforderung bewusst sein, dass es immer schwieriger wird, diese begehrte Zielgruppe der 16- bis 23-Jährigen mit ihren Werbebotschaften zu erreichen und von ihren Produkten überzeugen zu können.
René Coiffard: "In einer scheinbar unbegrenzten Welt an Möglichkeiten, mit flachen Hierarchien, offenen Strukturen und einer enormen Informationsflut, der diese Generation schon in jungen Jahren ausgesetzt ist, entwickeln die heute 16- bis 23-Jährigen ein stark ausgeprägtes Bedürfnis nach Sicherheit und Orientierung. Diese eher traditionellen Werte charakterisieren die Generation Z ganz besonders. Darin unterscheidet sie sich vehement von der Generation Y, die wesentlich mehr mitgestalten möchte und Neuem gegenüber auch deutlich aufgeschlossener ist."
Welche Herausforderungen leiten sich daraus für das Marketing generell ab?
Coiffard: "Von der Werbung will sich die Generation Z mit ihren Werten verstanden und auf Augenhöhe behandelt fühlen. Um dies zu gewährleisten, sollte das Marketing authentische Botschaften, Situationen und Strukturen aufzeigen, die dieser Generation wichtig sind und an denen sie sich orientieren können. Wie bei jeder anderen Zielgruppe auch, gilt es daher zunächst, die Generation Z wirklich zu verstehen, um das Marketing auf starken Insights aufzubauen. Entscheidend ist z. B. nicht die Frage, was ein Produkt kann, sondern welche Bedürfnisse der Generation Z es bedienen kann. Generell sollte Werbung für die Generation Z immer auf das Wesen und das Wertemuster der Jugendlichen einzahlen und ihnen über alltagsnahe, erlebbare und nachvollziehbare Stories Sicherheit und wertvolle Orientierung bieten. Denn genau das ist es, wonach sie sich am meisten sehnt."
Und wie muss Werbung aussehen, wenn sie die Gen Z nicht nur erreichen, sondern auch etwas bewirken will?
von den Brincken: "Die Generation Z will sich von Werbebotschaften verstanden fühlen und schätzt eine authentische, alltagsnahe Ansprache auf Augenhöhe. Für die Gestaltung der Werbung bedeutet dies, dass sie Verbindung zur Realität und den Herausforderungen der Jugendlichen haben sollte um Nähe & Relevanz zu schaffen. Auf die Verpackung des Inhalts kommt es an: Snackable Content, also klare, kurze Botschaften (wie aus Social Media gelernt) mit Fokus auf Bildern und Story, die Stimmung und Emotionen transportieren, prägen sich besonders gut ein.
Spannend, humorvoll, authentisch und erlebbar – so wird die Kommunikation mit der Generation Z ein Erfolg. Das klappt übrigens bei OOH besonders gut, denn OOH muss ohnehin snackable und auf den Punkt sein. Das was man bisher „flüchtig“ nannte ist im Grunde genommen die neue Aufmerksamkeitsspanne, maximal 8 Sekunden hat eine Botschaft Zeit zu punkten, oft noch weniger. Die Außenwerbung kommt schon seit Jahren mit zwei Sekunden aus.
Die schwedische Schülerin Greta Thunberg dürfte aktuell die prominenteste Vertreterin der Gen Z sein. Was können wir aus ihrem Wirken und der Bewegung #FridaysForFuture lernen?
Coiffard:"#FridaysForFuture ist zunächst einmal ein gutes Beispiel für das Credo der Generation Z 'Erst zu- und abschauen, dann selber machen'. Denn auch bei diesem Engagement für den Klimaschutz brauchte es zunächst ein starkes Vorbild, wie eben Greta Thunberg, um die Generation aus ihrer Passivität zu befreien und zu mobilisieren. Greta hat ihnen eine klare Botschaft aufgezeigt und das Konzept des Streikens als Mittel der Wahl vorgegeben. Erst in dieser Komfortzone konnten sie sich sicher fühlen, kontrolliert bewegen und entsprechend situativ an ihre Umwelt anpassen. Deutlich wird an der #FridaysForFuture-Bewegung vor allem eines: Sobald die Generation Z das Gefühl hat 'es funktioniert', kann diese Generation eine extrem starke Dynamik entwickeln und stellt sich dann auch voller Überzeugung hinter ein Ziel bzw. ein Vorbild. Aber: Es braucht eben diese Impulsgeber von außen, sei es Greta oder wie zuletzt bei Artikel 13 bzw. der Europawahl einen oder mehrere Youtuber."
Wie gut haben sich die Unternehmen bereits auf die neuen Herausforderungen eingestellt? Wie gehen sie mit der Fragmentierung ihrer Zielgruppen um, die schließlich sehr unterschiedliche Anforderungen stellen?
von den Brincken: "Stellenweise noch zu wenig. Viele Unternehmen halten an der Belegung klassischer Medien und gelernten Kommunikations-Strategien fest. "
Fakt ist aber, dass es zunehmend schwieriger ist, die jungen Zielgruppen über die klassischen Zuhause-Medien zu erreichen. Die Generation Z ist viel unterwegs auf dem Weg zur Arbeit/Ausbildung oder in der Freizeit und dabei always on. Daher ist es wichtig, wie wir in der Studie gelernt haben, die Zielgruppe mit authentischen Werbebotschaften dort zu erreichen wo sie sich aufhält, also zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, mit der richtigen Message ohne, dass diese störend wirkt.
Die Kommunikation der Gen Z verlagert sich auf neue Kanäle und immer mehr in geschlossene Räume, die für Marken nur schwer zu erreichen sind. Müssen Marken jetzt also zwingend eine Strategie für Tik Tok & Co. entwickeln?
Coiffard: "Nicht zwingend. Aber natürlich gilt für die Generation Z wie für jede andere Zielgruppe auch, dass eine Marke zwei Dinge verstehen muss: An welchen Touchpoints kann die Zielgruppe erreicht werden und welche dieser Touchpoints eignen sich am besten zur Kommunikation einer bestimmten Botschaft und damit zur Erreichung bestimmter Kommunikationsziele. Klar ist in jedem Fall, dass bei der Generation Z digitale und mobile Touchpoints eine deutlich dominantere Rolle einnehmen als bei älteren Zielgruppen. Darauf müssen sich Marketer definitiv einstellen."
Bekanntlich ist nichts so beständig wie der Wandel. Gibt es bereits Ideen, was uns nach der Gen Z erwarten könnte?
Coiffard: "Uns erwartet eine Generation, die die 'Always-On'-Mentalität noch einmal auf eine völlig neue Stufe heben wird, für die der permanente Zugang zu jeglicher Art von Inhalten eine Selbstverständlichkeit ist und die in einer Welt groß wird, die von massiven technischen, gesellschaftlichen und politischen Veränderungen geprägt ist. Welchen Einfluss das auf diese Generation haben wird, kann man heute nur schwer abschätzen. Aber ich bin sicher, dass auch diese Generation völlig neue Herausforderungen für das Marketing mit sich bringen wird."
von den Brincken: "Der Zukunftsforscher und Demograf Mark McCrindle nennt die nächste Generation, die seit 2010 geboren wird, 'Generation Alpha'. 'Alpha werden mit dem iPad in ihrer Hand aufwachsen, nie ohne Smartphone leben und können einen Gedanken binnen einer Sekunde online übertragen.'
Geboren im Jahr in dem Apple das iPad auf den Markt brachte und Instagram an den Start ging: Man darf also gespannt sein wie sich die Kinder der Gen Y und Z entwickeln.
Neben dem Denken in Generationen zeichnet sich ein anderer Trend ab Zielgruppen zu verstehen. Denn Generationen/Zielgruppen sind schon lange nicht mehr homogen.
Der Konsument ist in seiner Bereitschaft, sich auf etwas einzulassen, weniger durch seine demografische Zugehörigkeit zu einer Generation geprägt, sondern viel mehr durch seinen situativen Kontext. Daher sprechen Experten neuerdings eher von Tribes als von Zielgruppen oder Generationen.
Dazu sagt Seth Godin: “A tribe is a group of people connected to one another, connected to a leader, and connected to an
idea. For millions of years, human beings have been part of one tribe or another. A group needs only two things to be a tribe: a shared interest and a way to communicate.” Tribes sind also eine fluide Gemeinschaft ohne scharfe Grenzen, verbunden über eine gemeinsame Gesinnung/Passion, die Produkte als Ausdruck eines Lebensgefühls ansehen.