Bei Influencern reicht hingegen oft schon der Hinweis auf die mindestens sechsstelligen Followerzahlen, und die Augen der Marketingverantwortlichen fangen an zu leuchten. Die Scheckbücher werden gezückt. Dass die Follower des Influencers ein Taschengeld von 20 Euro im Monat haben und sich nicht unbedingt einen Neuwagen für 48.000 Euro kaufen, egal. Dass die Interaktionsrate bei knapp 2 Prozent liegt, na ja. Dass ein Großteil der Follower aus Pakistan und Indien kommt, Zufälle gibt es.

Blinder Gehorsam

Sicherlich, für manche Produktgruppen kann Influencer-Marketing in der Tat ein wirkungsvolles Tool sein. Denken wir an Unternehmen wie Dm, Rossmann, McDonalds oder Essence. Aber von einem Allheil-Mittel kann man bei Influencer-Marketing nun wirklich nicht sprechen. Dinge wie Exklusivität oder Markentreue sucht man bei ihnen vergeblich. Wie auch? Die einzige Einnahmequelle der Influencer sind ihre Markenkooperationen. Wer mag es ihnen verübeln, dass sie heute die Schuhe X als die „geilsten und schönsten Schuhe" anpreisen, und morgen die Schuhe Y die „ultimativen Sneakers" sind.

Diese Mädels und Jungs leben von Produktempfehlungen. Solange Markenartikler sie dafür fast in blindem Gehorsam bezahlen, gibt es keinen Grund, sich exklusiv zu binden. Das Vertrauen in die eigene Abverkaufsstärke scheint im Übrigen meist weniger ausgeprägt als der Hang zur Selbstdarstellung. Denn Affiliate-Konzepte werden - trotz Millionenreichweite - meist als zu unattraktiv abgelehnt.

Natürlich ist der Zweck einer Markenbotschafter-Kampagne weniger der direkte Abverkauf, sondern mehr langfristiges Brand-Building, Awareness und Emotionalisierung der Marke. Aber wie soll das gelingen, wenn der Influencer innerhalb eines Monats fünf direkte Konkurrenzprodukte empfiehlt und der Wiedererkennungswert gegen Null tendiert?

Thema verfehlt. Sechs, setzen.

Das sind Hindernisse, die beim klassischen und bewährten Celebrity Marketing nicht auftreten. Dennoch hat der Influencer dem Promi teilweise den Rang abgelaufen. Vielleicht liegt es an den meist zurückhaltenden Charakteren der Managements von klassischen Prominenten. Vielleicht ist es der Reiz des Neuen. Vielleicht ist es der Wahn, stets schneller, hipper und jünger sein zu wollen. In jedem Fall hätte meine Lehrerin früher in vielen Fällen wohl gesagt: „Thema verfehlt. Sechs, setzen."

Denn deutlich besser sind viele Marken - vor allem im mittleren und hohen Preissegment - beraten, wenn sie mit klassischen Prominenten arbeiten. Je nach Produkt und Zielgruppe können das Schauspieler, Musiker, Sportler oder andere sein. Sie eignen sich für die Aktivierung und Emotionalisierung von Marken und bringen - im Gegensatz zu Influencern - einen wesentlichen Benefit mit: Sie generieren Unpaid PR und sind über ihre reinen Social-Media-Kanäle hinaus bekannt und relevant.

Promis bringen Quote

Versuche von PR-Verantwortlichen, reine Youtuber oder Instagrammer in klassischen Medien zu platzieren, sind meist so spaßig wie den letzten Flieger am Tag mit Air Berlin zu nehmen. Und auch Redaktionsbesuche mit einem 16-jährigen Social-Media-Phänomen lösen selten Begeisterungsstürme bei den Journalisten hervor. Etablierte Prominente hingegen sind für klassische Medien gern gesehene Gesprächspartner, denn sie sind ein bisschen wie das Wetter: „Jeder hat einen Bezug und eine Meinung dazu." Und das bringt Quote.

Dass Prominente zusätzlich noch ihre eigene und mittlerweile oft beachtenswerte Reichweite in die Waagschale werfen können, ist ein weiteres Argument, eher auf klassische Testimonials zu setzen. Denn hier sind Dinge wie Exklusivität und Markentreue oft noch gelernt und Teil des Deals.

Kein Wunder, wenn man daran denkt, dass etablierte Prominente nicht ihre Markenbotschafter-Rolle als Lebensgrundlage haben, sondern sich anderweitig finanzieren und das langfristig aufgebaute Image nur nach meist eingehender Prüfung und für gut befundenem Fit für Kooperationen zur Verfügung stellen.

Katalysator oder Diesel-Gate

Eines sei abschließend erwähnt: Egal ob Influencer oder Prominenter - eine schlechte Kampagne wird durch den Einsatz eines bekannten Markenbotschafters nicht besser, im Zweifelsfall nur teurer. Ist es aber eine gut konzipierte Kampagne, so kann ein Prominenter ein großer Katalysator sein und die Reichweite sowie Wirkung der Kampagne zu einem vergleichsweise geringen Investment multiplizieren. Ein Influencer ist dabei auf seine eigene Reichweite beschränkt. Hier fällt mir weniger das Wort Katalysator ein als vielmehr der „Diesel-Gate".

Der Autor: Henner Mamane ist Geschäftsführer der Berliner Celebrity-Marketing-Agentur Think Out Of The Box. Als Kreativagentur für Celebrity Marketing arbeitet Think OOTB mit internationalen und nationalen Celebrities und deren Managements zusammen. Think OOTB unterstützt Unternehmen dabei, mit den Prominenten assoziiert zu werden, um die Aufmerksamkeit zu steigern und das Marken-Image zu formen. 


Autor: W&V Gastautor:in

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