Gastbeitrag von David Eicher:
"Ein Lehrstück, was schief laufen kann"
Mit dem Shitstorm rund um Bibis Song "How It Is (Wap Bap…)" ist auch Influencer Marketing wieder ins Gerede gekommen. Doch tatsächlich rüttelt der Case weniger an den Grundfesten der Disziplin, sondern stellt die Mechaniken in Frage. Ein Gastbeitrag von David Eicher, Geschäftsführer der Agentur Territory Webguerillas.
Was Unternehmen aus dem Bibi-Shitstorm lernen können und wie es besser geht, beschreibt David Eicher, Geschäftsführer der Agentur Territory Webguerillas.
Nein, Influencer Marketing ist kein Glücksspiel. Auch wenn Marketern die Disziplin vielleicht gerade wie Roulette vorkommen mag. Gewinn und Verlust liegen ganz nah beieinander – doch keiner weiß, wohin die Kugel rollt. Sicher: Die Schlagzeilen, die Bianca 'Bibi' Heinicke vor kurzem auslöste, dürften zu Recht Stirnrunzeln bei den Firmen verursachen, die mit ihr kooperieren. Schließlich entfachte Bibis erster eigener Song "How It Is (Wap Bap…)" einen beispiellosen Shitstorm: knapp zwei Millionen Dislikes, ein heftiger Fan-Schwund und ordentlich Negativ-Presse sind das Ergebnis des dreieinhalb minütigen Gepiepses, das auch noch an ein mehr als fragwürdiges Vermarktungskonzept gekoppelt war. Ein Lehrstück, was schief laufen kann, wenn Influencer das Eigenmarketing überreizen. Doch all das stellt meiner Meinung nach nicht die Disziplin als Ganzes in Frage.
So ist die aktuelle Debatte vor allem ein gehöriger Dämpfer für die erfolgsverwöhnte Youtuberin (Bibis Beauty Palace), die sich bis vor kurzem noch souverän im Social Web bewegte. Zahlen belegen das: Unter den reichweitenstärksten Youtubern kommunizierte die 24-Jährige bisher am besten auf YouTube und Twitter, so das Ergebnis unserer eigenen Social Media-Analyse von Anfang April diesen Jahres – also rund vier Wochen bevor die Empörung um "How It Is" ihren Lauf nahm.
Aus Sicht ihrer jugendlichen bzw. ganz jungen Zielgruppe hat sie mit ihrem Liedchen eine Grenze überschritten – nämlich die zwischen Authentizität und allzu durchschaubarem Kommerz. Der missglückte Versuch, die Eigenvermarktung außerhalb des eigenen Kompetenzfeldes auf die Spitze zu treiben, führt damit unweigerlich zu einem Glaubwürdigkeitsverlust. Hier zeigt sich exemplarisch die eigentliche Crux in der Arbeit mit den Promi-Influencern: Der Rückhalt der Zielgruppe droht genau in dem Moment zu schwinden, in dem sie im Mainstream angekommen sind. Schließlich verdanken die Influencer ihren der genau entgegengesetzten Positionierung als frische, glaubwürdige Alternative zu den Retorten-Starlets aus Fernsehen und Musik.
Doch aus meiner Sicht rüttelt der Case weniger an den Grundfesten des Influencer Marketings, sondern stellt vielmehr die Mechaniken in Frage. Wenn viele Marken sich auf wenige, gerade schwer im Trend liegende Multiplikatoren stürzen, so birgt das ein entscheidendes Risiko: Die Marken verblassen zum Teil hinter den Personen. Zum einen, weil sich häufig zeitgleich eine Vielzahl von Unternehmen auf ein und denselben Influencer-Star stürzen. Zum anderen, weil die Influencer mit steigender Popularität ihren Expertenstatus verlassen und selbst zum Zeitgeist-Promi werden. Letztlich wird Influencer Marketing damit aber genauso ineffizient wie herkömmliche Testimonial-Werbung.
Was also tun? Zum einen sollten die Influencer das gute alte Sprichwort "Schuster, bleib bei deinen Leisten" ein bisschen ernster nehmen. Und Marken sollten viel weniger auf die Reichweite eines Influencers und viel mehr auf Passgenauigkeit mit der eigenen Markenbotschaft schauen. Denn es zählt doch, dass die Werbung wirkt. Und das tut sie bei den so genannten Micro-Influencern viel eher, als bei den großen Stars. Das belegt auch eine Studie von Markerly unter mehr als 800.000 Social Media-Influencern belegt: Sie zeigt, dass das Engagement eines Accounts mit dem Anstieg an Followern überproportional sinkt. Denn während Social Media-Stars mit weniger als 1.000 Followern im Schnitt eine Like Rate von etwa acht Prozent aufweisen, sinkt der Wert bei einer Followerzahl von zehn Millionen auf nur noch 1,7 Prozent.
Das zeigt: Micro-Influencer haben zwar weniger, dafür aber tendenziell viel treuere und engagiertere Follower als die Reichweiten-Starlets. Sie haben einen echten Experten-Status in ihrer Community, Menschen vertrauen ihren Empfehlungen. Zwar ist die Suche nach den passenden Micro-Influencern mühsamer, weil sie sich nicht einfach durch eine Datenbankabfrage lösen lässt, jedoch profitieren genau die Marken, die ihre Botschafter passend und mit Bedacht wählen. Denn: Sie können langfristig von einer Kooperation und der zielgruppenorientierten Kommunikation profitieren, anstatt nur einen temporären Reichweiten-Uplift zu erzielen.
*Gastautor David Eicher gründete im Jahr 2000 die Webguerillas, Deutschlands führende Agentur für alternative Werbeformen und Influencer Marketing. Die Agentur gehört seit Oktober 2016 zu Territory, Europas Marktführer für Content Communication.