Interview mit Thomas Hoger:
Virtual Reality: "Analysten erwarten einen Milliardenmarkt"
Marketer haben eine neue Lieblingsplattform: Virtual Reality. Einer, der sich damit auskennt, ist Thomas Hoger von der Agentur 3Spin. Im Interview spricht er über die richtige Technik, was es beim Storytelling zu beachten gilt und VR mit kleinem Budget.
Marketer haben eine neue Lieblingsplattform: Virtual Reality. Die künstlichen Welten eröffnen interessante Möglichkeiten, Kunden für Marken zu begeistern. Doch das ist gar nicht so einfach. Einer, der sich damit auskennt, ist Thomas Hoger von der Agentur 3Spin. Für Kunden wie Lufthansa hat er erfolgreiche VR-Projekte umgesetzt. Im Interview spricht er über die richtige Technik, was es beim Storytelling zu beachten gilt und wie VR mit kleinem Budget umgesetzt werden kann.
Herr Hoger, das Buzzword Virtual Reality begegnet Marketers aktuell überall. Aber wie viel echtes Potenzial steckt denn dahinter?
Hinter dem Buzzword steckt schon heute eine ernstzunehmende Branche. Viele renommierte Analysten erwarten mit VR in den nächsten Jahren einen Milliardenmarkt und eine neue Content-Plattform. Man sollte VR aber nicht nutzen, nur weil es gerade jeder macht, sondern weil es einen geschäftlich weiterbringt. Zusammen mit Lufthansa haben wir es beispielsweise nachweislich geschafft, mittels VR zusätzliche Flugbuchungen zu generieren.
Für welche Branchen ist VR-Marketing interessant?
Vor allem die Reisebranche, Architektur und Industrie haben oft Produkte, die man nicht so leicht mobil präsentieren kann. Wer ein Handy kauft, kann in den Laden gehen, es anfassen und testen. Eine Airline kann ihr Flugzeug und den Service nicht auf eine Messe mitbringen – mit VR ist das nun virtuell möglich. Es gibt auch Firmen, die zwar ihr Produkt dabei haben, es aber nicht im Nutzungskontext zeigen können, beispielsweise Autohersteller, deren Autos man auf dem Messestand nicht fahren kann. Solche Unternehmen können ihre Produkte nun von überall aus authentisch aus der Kunden-Perspektive zeigen. Dabei kann man viel emotionaler kommunizieren, was sicher für jede Branche interessant ist.
Sicherlich gibt es für VR-Storytelling eigene Regeln?
360-Grad-Szenen, insbesondere beim 360-Grad-Film, bieten viele Möglichkeiten. Es steht viel mehr Raum für die Handlung zur Verfügung und es gibt einzigartige Stilmittel. Ein Nutzer kann die Rolle eines Handelnden in der Geschichte übernehmen. Er kann aber auch Perspektiven einnehmen, die in der Realität nicht möglich wären, sich aber für den Betrachter „echt“ anfühlen. Beispielsweise haben wir schon Aufnahmen in Bereichen gemacht, zu denen Menschen normalerweise keinen Zugang haben, weil es zu gefährlich wäre.
Wie führen Sie den Blick der VR-Nutzer?
Wichtige Informationen muss der Betrachter wahrnehmen können. Man muss sich das wie einen Krimi vorstellen, bei dem man die entscheidende "Kofferübergabe" verpasst. Ab diesem Moment kann es sein, dass man die ganze Geschichte nicht mehr versteht. Wenn man es jedoch schafft mittels grafischer Elemente, Bewegungen und Ton Blicke zu führen, dann sorgt ein 360-Grad-Video für ein viel emotionaleres Erlebnis als ein 2D-Medium. Die Grenzen zwischen den Realitäten können schnell verwischen – und das hinterlässt einen bleibenden Eindruck beim Betrachter: Der Kunde prägt sich die Marke besser ein.
Wo liegen die größten Herausforderungen bei der Umsetzung einer VR-Kampagne?
Es gibt viele Herausforderungen, sowohl technisch als auch konzeptionell. Zum Beispiel die Blickführung in einer 360-Grad-Welt. Sehen die Betrachter das, was ich ihnen zeigen will? Speziell bei 360-Grad-Videoproduktionen hat man viele Herausforderungen, denn die Kameras nehmen immer alles auf: Regie führen ohne in der Szene zu sein, keine Platzierung von Licht-Setup und Zusammenführung der Kamerabilder, um schon während des Drehs einen realistischen Eindruck der Szene zu bekommen. Alles muss perfekt choreographiert sein. In der Regel sind 360-Szenen sogenannte One-Shots, denn häufige Schnitte zerstören die Immersion, also das Gefühl, wirklich dort zu sein.
Wozu passt welche Technik?
Wer starken Realismus und Emotion erzeugen möchte, der sollte den 360-Grad-Realfilm wählen. Keine Animation kann einen echten Menschen ersetzen. Für 360 Grad-Video-Erlebnisse empfehlen wir eine mobile VR-Brille wie die Samsung Gear VR, die mit einem Smartphone funktioniert. Auch ein Cardboard vermittelt einen ersten Eindruck. Geht es hingegen darum, in der VR-Welt selbst Handlungen mit den Händen durchzuführen und sich darin durch Laufen zu bewegen, dann benötigt man eine in Echtzeit dargestellte 3D-Welt, eine passende VR-Brille mit Raumerkennung und den entsprechenden Platz in der realen Welt, sich darin zu bewegen.
Wie viel Budget sollte man in etwa einplanen?
Das ist extrem unterschiedlich. Wie bei einem Auto kann man entweder einen Polo oder einen 911er kaufen und diese auch noch beliebig ausstatten. Zwischen 15.000 und 150.000 Euro und mehr ist vieles möglich. Es kommt auf den Anwendungsfall an.
Geht es auch günstig?
Häufig ist es beispielsweise günstiger, auf 360-Grad-Videos zu setzen, als in Echtzeit gerenderte 3D-Modelle zu verwenden. Nicht jeder benötigt 3D-Modelle, daher ist dies eine Möglichkeit für Einsparungen. Wer lediglich einen Eindruck von statischen Objekten wie Gebäuden vermitteln möchte, braucht auch keine aufwendige Geschichte zu erzählen und kann sogar mit 360-Grad-Fotos arbeiten. Hier kann man dann mit inzwischen deutlich günstigerer Hardware gegebenenfalls sogar den Content selbst oder mit einem kleinen Anbieter erstellen, der neu in der Branche ist.
Virtual Reality ist auch ein Trendthema bei der diesjährigen Dmexco. Ausführliche Tipps für VR-Kampagnen und Beispiele lesen Sie im Artikel "In die Röhre geschaut" in der aktuellen W&V 37. Weitere Cases finden Sie unter www.wuv.de/virtualreality.