Bundestagswahl:
Das erwarten Agenturchefs von der neuen Regierung
Die Union will Deutschland mit einem 25-Punkte-Programm digitaler machen. Aber wird das reichen? W&V hat Agentur-Verantwortliche gefragt, was sie sich von der neuen Bundesregierung an dringenden Maßnahmen wünschen.
Wolf Ingomar Faecks, CEO Plan.Net & CEO The Marcom Engine
Von der zukünftigen Bundesregierung wünsche ich mir eine klare Linie und einen konkreten Umsetzungsplan des Digitalisierungsvorhabens – insbesondere im Gesundheits- und im Bildungswesen sowie in der Verwaltung. Dafür braucht es jedoch kein eigenes Ministerium. Vielmehr sollte jedes einzelne Ressort in die Implementierung einbezogen werden.
Zudem sollte Stellung zum Umgang mit Daten bezogen werden, um einen sinnvollen und praktikablen Weg zu finden, Datenschutz zu ermöglichen, ohne dabei übermäßig protektiv zu sein. Weiterhin ist der Klimaschutz insbesondere für zukünftige Generationen ein zentrales Element, das ganz oben auf der Agenda stehen muss. Er ist die Maxime für all unsere Investitionen. Zusammengefasst sollte die zukünftige Bundesregierung eine klare, inhaltliche Verortung der Position Deutschlands im globalen Kontext zu den Themen unserer Zeit vorgeben, um so unsere Zukunftsfähigkeit zu sichern.
Simone Schiebold, geschäftsführende Gesellschafterin der Kommunikationsagentur Flad & Flad
Es gibt viele Herausforderungen: Die andauernde Pandemie, wirtschaftliche Unsicherheit und eine allgegenwärtige Klimakrise. Wir als Kommunikationsagentur für Zukunftsthemen setzen uns mit Themen wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung auseinander und wissen, wie komplex viele dieser Themen sind und wie wichtig eine zielgruppengerechte Kommunikation ist.
Die heterogenen Umfrageergebnisse zur Bundestagswahl zeigen, dass eine Verunsicherung in der Bevölkerung herrscht. Deshalb bedarf es Klarheit und Verbindlichkeit seitens der Politik, um Vertrauen zurückzugewinnen. Unabhängig davon, welche Parteien zukünftig regieren werden, wünsche ich mir, dass diese einen inhaltlichen Konsens finden und gemeinsam klare Ziele definieren, denn nur gemeinsam können wir diese Herausforderungen bewältigen.
Sven Korhummel, geschäftsführender Gesellschafter von Cyperfection
Was ich mir als Agenturchef von der neuen Bundesregierung wünsche, lässt sich speziell bei dieser Bundestagswahl null davon trennen, was ich mir als Familienvater und Mensch Sven Korhummel wünsche. Wunschkonzert war in den 80er Jahren. 2021 sind wirksame und klare politische Mittel, um dem Klimawandel entgegenzutreten, das Gebot der Stunde. Ohne Hang zu Drama: Wenn das nicht gelingt, braucht man sich mittelfristig über nicht viel anderes zu unterhalten.
Als Agenturchef wünsche ich mir, dass unter Nachhaltigkeits- und Klimaschutz-Maßnahmen nicht die Wirtschaft leidet, sondern ein echter Innovationsschub von diesem Thema ausgeht. Weit dahinter an zweiter Stelle: Digitalisierung und Bildung – ebenfalls aus Unternehmer-Sicht und Vater zweier schulpflichtiger Kinder. Das Homeschooling in Lockdownzeiten haben den Finger in offene Wunden gelegt. Abgesehen von der wirklich existenziellen Dimension der Klimaproblematik sind diese Punkte das A und O für den Wirtschaftsstandort Deutschland – heute und in Zukunft.
Saskia Diehl, Geschäftsführerin der GMK Markenberatung
Als Zielbild für die Politik genügt es nicht, dass deutsche Marken, das heißt unsere Kunden, international wettbewerbsfähig sind – sie sollten noch stärker unter den Top Playern vertreten sein. Wir selbst betreuen viele Mittelständler und Hidden Champions, die immer noch vor allem mit der Digitalisierung zu kämpfen haben. Laut unserer Studie Deutscher Markenmonitor fehlt rund 50 Prozent der befragten Unternehmen eine Digitalisierungs-Strategie für ihre Marke. Politik muss die Rahmenbedingungen für eine schnelle Digitalisierung schaffen. Es gibt schon viel, von Bildungsangeboten zu Digital-Themen bis hin zum Ausbau der Infrastruktur. Aber es muss spürbar mehr investiert werden, Angebote müssen zugänglicher und die Geschwindigkeit in der Umsetzung dramatisch höher sein. Dann haben deutsche Marken nicht nur verlässlich planbare Bedingungen für ihre Entwicklung, sondern die Voraussetzungen, um oben mitzuspielen.
Peter Kiefer, Geschäftsführer der Marketingstrategieberatung Punch
Neben den großen gesellschaftlichen Themen wünsche ich mir vor allem eine Modernisierung der Arbeitsgesetzgebung, die sich weniger an Menschen im produzierenden Gewerbe orientiert. Denn unsere Branche muss auch rechtlich sicher Antworten geben können auf Wann, Wie und Wo gearbeitet wird. Noch etwas breiter gefasst, wäre die stärkere Förderung von Unternehmertum wünschenswert. Jeder der schon mal gegründet hat, weiß wie komplex und undurchsichtig der Weg einer Gründung ist. Und nach der Gründung wird es ja nicht weniger bürokratisch und komplex. Innovationen werden so schon im Keim erstickt. Damit einher geht aber auch, dass das stoische Festhalten an Althergebrachten nicht sinnvoll ist. Man erinnert sich nur an die Diskussion über obskure Abgaben, um den stationären Einzelhandel zulasten des E-Commerce schützen zu wollen.
Inger Tauchmann, COO von Kruger Media Brand Communication
Die Wahrnehmung, dass Digitalisierung nicht ausschließlich bedeutet, Glasfaserkabel zu verlegen. Das ist ein ganz großes Versagen der aktuellen Regierung. Inwieweit werden Unternehmen heutzutage dabei unterstützt, die Digitalisierung intern umzusetzen und voranzutreiben? So gut wie gar nicht, nach Los-System oder so kompliziert, dass man sofort die Segel streicht. Mindestens alle vier bis fünf Jahre muss sich ein Unternehmen dahingehend neu orientieren und investieren, um am Ball zu bleiben. Von uns Unternehmer:innen wird dies abverlangt. Wir halten so Deutschland im Ansehen der Welt die Stange und bekommen von der Regierung keine Anerkennung. Warum reicht es nicht aus, mit einer einfachen Rechnung dies zu belegen und damit einen Zuschuss von 20 oder 30 Prozent zu erhalten? Ganz easy.
Oliver Schrott, geschäftsführender Gesellschafter von Oliver Schrott Kommunikation (OSK)
Die neue Regierung muss ein Innovationsklima schaffen und Deutschland einen Schub geben. Die Pandemie hat gezeigt, wie sehr Bürokratie und Beharrungsvermögen, komplizierte Entscheidungswege und fehlende Infrastruktur im Weg stehen. Ein Beispiel: In Köln – der Heimat unserer Agentur – gibt es fast eine halbe Million Pkw, aber nur 400 E-Ladesäulen.
Wir brauchen generell mehr Offenheit, Mut, Agilität, Entscheidungsfreude und Kundenorientierung. Das kann die Politik von uns Agenturen lernen. Und konkret: klarere Regeln gegen Hate Speech und Trolling in sozialen Medien durchsetzen. Denn das Netzwerkdurchsetzungsgesetz hat in seiner Novelle noch Schwächen. Und dann der Digitalisierungsschub, von dem seit Jahren gesprochen wird – ohne föderale Scheuklappen.