Artificial Storytelling:
Storytelling mit KI: 5 Unternehmen machen vor, wie es geht
Ob im Journalismus oder in den anderen Bereichen der Contentbranche: Künstliche Intelligenz gewinnt zunehmend an Bedeutung. 5 Cases, die nextMedia.Hamburg durchleuchtet hat.
Schon heute gibt es Unternehmen, die KI nutzen, um digitales Storytelling komplett neu zu denken. nextMedia.Hamburg hat fünf spannende Cases aus dem Bereich Artifical Storytelling etwas genauer unter die Lupe genommen - von Botnik bis Otto.
"Künstliche Intelligenz ist ein Beispiel für bemerkenswerte menschliche Kreativität und das Ergebnis von fast einem Jahrhundert wissenschaftlicher Arbeit", sagte der britisch-amerikanische Autor Andrew Keen jüngst im W&V-Interview.
Doch wie kreativ ist KI selbst? Welche Auswirkungen wird Robotorjournalismus für das Storytelling der Zukunft haben? Wie wird die Kreativbranche verändert, wenn komplexe Algorithmen wie Googles Creatism professionelle Fotos machen? Und wo lassen sich Sprachassistenten wie Alexa, Cortana & Co. in der Content-Distribution einsetzen?
Diese und weitere Fragen rund um Text, Visual und Voice im KI-Bereich wird nextMedia.Hamburg, die Standortinitiative der Hamburger Medien- und Digitalwirtschaft, in seinem Artifical Storytelling Camp im Rahmen der NEXT Conference diskutieren. Im Vorfeld der Digitalkonferenz stellt Nina Klaß, Leiterin nextMedia.Hamburg, fünf Unternehmen vor, die Geschichten mithilfe von Künstlicher Intelligenz (neu) erzählen.
Botnik
"Harry riss sich die Augen aus dem Kopf und warf sie tief in den Wald. Voldemort schaute überrascht zu Harry, der nun nichts mehr sehen konnte.“ Nein, diese Zeile stammt nicht aus einem geleakten Harry-Potter-Manuskript von Joanne K. Rowling, sondern tatsächlich von einem Roboter – genauer gesagt von den Botnik Studios.
Das New Yorker Team aus Autoren und Programmierern hat eine Software entwickelt, die eingegebene Textkörper analysiert und hinsichtlich Satzbau stilistisch in vollständige Sätze verwandelt. So ist am Ende ein knapp dreiseitiges Harry Potter-Kapitel namens "The Handsome One" entstanden, für das zuvor alle Bänder der Fantasy-Reihe eingelesen wurden. Das Ergebnis liest sich aufgrund größtenteils völlig sinnfreier Passagen zwar wie das Werk eines unter Drogen stehenden Kafka-Liebhabers, aber bereits jetzt zeigt Botnik, dass Roboter durchaus originelle Texten schreiben können – wenn auch (noch) sehr unverständliche.
Hanson Robotics
Sie wirkte ein wenig hüftsteif, als sie zum Auftakt von "Morals & Machines" Angela Merkel mit einem gequälten Lächeln gegenüberstand. Es ist eines von insgesamt 62 menschlichen Gesichtsausdrücken, die Sophia, ein humanoider Roboter, nachahmen kann. Ihren „Artgenossen“ ist Sophia um viele neuronale Vernetzungen voraus.
Der Android des in Hongkong ansässigen Unternehmens Hanson Robotics imitiert menschliches Verhalten wie keine andere zu Silikon gewordene Künstliche Intelligenz. Sophia ist imstande, mittels Kameras, die in den Glas-Augen eingebaut sind, Daten zu verarbeiten, Gesichter wiederzuerkennen und auf Gesten ihres Gegenübers zu reagieren. Sogar auf bestimmte Fragen kann die Roboterlady antworten, über vordefinierte Themen Gespräche führen und so Content-Produzente dazu inspirieren, selbst Geschichten zu erzählen.
Aiconix
Bei 12min.MEDIA, der neuen Eventreihe von 12min.me in Partnerschaft mit nextMedia.Hamburg, hat aiconix-Co-Gründer Eugen L. Gross das große Potenzial des Hamburger Start-ups jüngst vorgestellt. Sein Team fokussiert sich auf die dramaturgischen Zusammenhänge in Videos und trainiert eigene Netze, die diese Muster verstehen sowie Vorhersagen über den Erfolg noch nicht publizierter Videos treffen.
Darüber hinaus können Videos nicht nur automatisch indiziert werden: Kreative können Empfehlungen in Bezug auf das Nutzerverhalten bei bestimmten Schnittmustern erhalten. Demnach können Videos bereits vor der Publikation für die Zielgruppen optimiert werden. Die Technologie, die zum Verständnis von Videoinhalten eingesetzt wird, lässt sich auch auf andere Bereiche adaptieren. So können beispielsweise "ungewöhnliche" Handlungen in von Sicherheitskameras überwachten Räumen identifiziert werden.
Otto
Ende Juni 2018 meldete das Hamburger Versand-Flaggschiff, seinen Katalog nach 68 Jahren einzustellen. Grund: 95 Prozent der Kunden bestellen bei Otto digital – unter anderem auch über die Spracherkennung in der Otto-App.
Der Handels- und Dienstleistungskonzern gehörte zu den ersten Drittanbietern, die mit Google Assistant in Deutschland zusammengearbeitet haben. Per Sprachbefehl können User nach dem Deal des Tages oder nach besonderen Angeboten fragen. Das Besondere: Die Software führt ein Gespräch mit dem Nutzer, fragt aktiv, was sie noch tun kann, beantwortet Nachfragen und verabschiedet sich zum Ende auch ganz höflich.
Und das ist erst der Anfang: "Wir sehen großes Potenzial im Voice Commerce und möchten die Technologie als weiteren Berührungspunkt ausprobieren, der unseren Kunden die Interaktion mit Otto noch einfacher macht", sagt Marc Opelt, Bereichsvorstand Marketing und Sprecher von Otto. Weitere Funktionen sind bereits in der Entwicklung. So sollen Käufer zum Beispiel in Zukunft auch den aktuellen Sendungsstatus einer Bestellung überprüfen können.
Narrative Science
Aus Zahlen Geschichten machen: Datenjournalismus ist inzwischen aus dem Storytelling nicht mehr wegzudenken. Einer der Vorreiter in diesem Bereich ist Narrative Science. Das Unternehmen aus Chicago hat eine KI-Software namens Quill programmiert, um trockene Daten und Statistiken in gut lesbare Artikel über beispielsweise Sportergebnisse oder Wetterberichte zu verwandeln.
Das Tool wird nicht nur im Journalismus genutzt: Große Fondsgesellschaften wie T. Rowe Price und American Century testen die Schreibprogramme von Narrative Science, um ihre Kunden darüber zu informieren, mit welchen Strategien ihre Fondsmanager Geld am Aktienmarkt investieren und wie sich die Fonds entwickeln können.
Auch Tech-Riese Microsoft greift für sein Business Analytics-Tools Power BI auf die KI-Technologie zurück, um automatisiert Grafiken und Texte zu erstellen. Das Ziel des Unternehmens ist es, sich zu einer virtuellen Redaktion zu entwickeln. Narrative-Science-Mitgründer Kris Hammond kündigte bereits an, dass man mit Quill nicht weniger als einen Pulitzer-Preis für herausragenden Journalismus gewinnen wolle.
Über Nina Klaß:
Als Leiterin von nextmedia.Hamburg ist Nina Klaß seit 2018 Ansprechpartnerin für vielfältige Themen, die die Hamburger Medien- und Digitalwirtschaft betreffen. Zuvor war die studierte Betriebswirtin mit den Schwerpunkten Marketing, Medien und Unternehmensführung mehrere Jahre für die Spiegel-Gruppe tätig. Als Leiterin Digitales Marketing verantwortete sie dort zuletzt das Vertriebsmarketing der digitalen Produkte sowie Technologiekooperationen. Unter anderem arbeitete sie am Innovationsreport der Spiegel-Gruppe mit.
Nina Klaß promoviert zum Thema Innovations- und Markenmanagement in der Medienbranche und lehrte zwischenzeitlich an der Universität Hamburg. Als freiberufliche Beraterin berät sie zusammen mit diversen Kollegen und Kolleginnen Unternehmen in den Bereichen Digitalstrategien sowie Innovation Services & Tools.