Customer Experience:
Wer bietet den besseren Service - Mensch oder Technik?
Ein gecancelter Flug und schon wird ein Meeting verpasst oder das Kind kann nicht abgeholt werden. Kann die Technik solche Probleme lösen? Oder braucht es in solchen Fällen doch den echten Menschen?
Service Centricity ist wichtiger denn je. Da viele Produkte immer ähnlicher und austauschbarer werden, ist es oftmals der Service, die gefühlte Hinwendung, die für den Kunden den entscheidenden Unterschied macht.
Gleichzeitig führt die Digitalisierung jedoch dazu, dass man es zunehmend mit standardisierten Pseudo-Services zu tun hat: Chats-Bots, die ihre Aufgaben abarbeiten, langatmige FAQ-Listen oder überlaufene Call-Center mit Mitarbeitern, die nichts entscheiden dürfen.
Daher muss Service neu gedacht werden. In unserer komplexen Welt hat man es meist mit komplexen Problemen zu tun, selbst bei ganz alltäglichen Dingen. Beispielsweise führt ein gecancelter Flug oft zu einer Menge weiterer Probleme – ein wichtiges Meeting wird verpasst, das Kind kann nicht aus der Kita abgeholt werden, etc. Es muss also wohlüberlegt sein, was man über Technik standardisiert und wann es einen echten Menschen braucht, der ein Service-Anliegen überzeugend lösen kann.
Service Centricity muss daher drei Anforderungen erfüllen:
1. Service Centricity muss Haltung des Unternehmens sein. Alles unternehmerische Tun muss sich an den Wünschen und Bedürfnissen der Menschen orientieren und nicht nur am Verkauf der Produkte. Im Idealfall wird weit vor dem Produktkauf antizipiert, was die Zielgruppe braucht um sich zufrieden, entlastet oder unterhalten zu fühlen. Das Unternehmen muss dem (potentiellen) Kunden den Freiraum einräumen, selbst zu bestimmen, worüber, wann und wie er in Austausch treten will – sei es über Social Media, Website, App oder die Hotline. Dort muss er schnell und unkompliziert die Antwort bekommen, die er braucht. Dabei sollten individuelle Vorlieben berücksichtigt werden: Der eine Kunde möchte sich erst einmal mit den relevanten Informationen auf der Website vertraut machen, der andere möchte „einfach nur einen kompetenten Mitarbeiter an die Strippe bekommen“ und sein Problem sofort gelöst wissen. Statt Standards braucht es hier Lösungen, die viele Variablen zulassen.
2. Service Centricity sollte an den Purpose der Marke angelehnt sein. Menschen wollen zunehmend das konsumieren, was Sinn macht. Also muss der Purpose eines servicezentrierten Unternehmens auch Sinn für den Menschen machen und dessen Anliegen aufgreifen. Zum Beispiel zeigt sich der Purpose der Marke Patagonia („We are in business to save our home planet”) in den Services: der Vermittlung von Teilnehmern für lokale Umweltschutzaktionen, Anleitungen zum Reparieren der Ausrüstung, die Rücknahme gebrauchter Kleidungsstücke, die für den nächsten Kauf gut geschrieben wird.
3. Service Centricity braucht Empathie und Nähe – diese lässt sich nicht automatisieren. Service Centricity bedeutet Beziehung. Eine Beziehung, bei der es darum geht, auf Augenhöhe und mit ehrlichem Interesse die beste Lösung für den Kunden zu finden. Die Digitalisierung hilft zwar dabei, im Vorfeld wichtige Informationen zum Kunden zu liefern, die vernetzt und überall abrufbar sind: z.B. bei einer Hotelbuchung das automatische Ausfüllen der Meldebescheinigung, das Lieblingszimmer des Gastes und seine Vorlieben beim Frühstück.
Der Fokus sollte jedoch darauf liegen, das Persönliche in den Vordergrund zu stellen, dem Kunden größtmögliche Individualität zu ermöglichen und nicht, diese in digitale Standards zu pressen. Dazu braucht es echte Menschen, die den Gegenüber als Individuum mit persönlichem Anliegen begreifen.
Und das rechnet sich: Laut einer Studie machen 52 Prozent der Kunden zusätzliche Einkäufe bei einem Unternehmen, nachdem sie ein gutes Service-Erlebnis hatten. Und 74 Prozent erzählen ihren Mitmenschen davon.
Autorin: Anja Schüling, Leiterin Strategie Freunde des Hauses