Cannes Lions:
Sieben Löwen - keiner für die Zukunft
Cannes bringt heute einmal Gold, einmal Silber, fünfmal Bronze für BBDO, Jung von Matt, MRM, Kolle Rebbe und Ogilvy. Gerade in zukunftsweisenden Kategorien wie Mobile und Innovation gehen die Deutschen aber leer aus.
Mag an Corona liegen. Viel zu wenige Agenturen haben in den vergangenen zwei Jahren eingereicht und womöglich hatten deren Kund:innen kein Geld für vernünftige Markenkommunikation. Und doch fällt lauf, dass aus Deutschland heute gerade in wegweisenden Kategorien wie Mobile, Innovation, Creative E-Commerce und Creative Business Transformation keine zündenden Kampagnen kamen. Das ist schlecht.
Lufthansa und Bahn gewinnen
Dafür stehen - wenig überraschend - die großen Arbeiten von BBDO, so "Eurythenes Plasticus" für den WWF und "Life Lolli" für die Knochenmarkspenderzentrale KMSZ, sowie von Jung von Matt "Vivaldis 4 Jahreszeiten" für das NDR Elbphilharmonie Orchester auf den Siegertreppchen. BBDO gewinnt damit Gold bzw. Bronze, Jung von Matt - eingereicht hatte wegen der Awardpause der Hamburger:innen die Produktion Markenfilm Crossing - Bronze. Für eine Hilfsorganisationen bekommt heute auch MRM (McCann Worldgroup) zweimal Bronze - und zwar auf einem Case der Alzeimer's Society.
Immerhin tauchen am vierten Tag der Cannes-Woche wieder einmal Beiträge zweier deutscher Unternehmen auf. In der Kategorie Radio & Audio überzeugte Kolle Rebbe die Jury mit Lufthansa (Bronze) und Ogilvy eroberte Silber für die Kampagne "No need to fly" der Deutschen Bahn, die schon in den vergangenen Jahren immer wieder Preise erhalten hat.
Damit kommen die hiesigen Agenturen auf ingesamt 47 Löwen, wie der W&V-Medaillenspiegel (s.u.) verrät, darunter 10 Gold, 11 Silber und 26 Bronze. Erfolgreichste Agentur ist bis heute DDB mit ihrem Werk "Uncensored Library" von Reporter ohne Grenzen vor Scholz & Friends und Serviceplan.
Auch international setzen sich in den einzelnen Award-Disziplinen viele Arbeiten für NGOs durch oder doch Haltungskampagnen. Hier die Ergebnisse im Einzelnen:
Mobile
Der Grand Prix in der Kategorie Mobile geht an Ogilvy für Telenors Arbeit "Naming the Invisible", die in dieser Woche nicht das erste Mal mit einem Grand Prix gewürdigt wird. 60 Millionen Pakistaner:innen sind in Pakistan nicht registriert und für den Staat unsichtbar, das heißt: Sie haben kein Recht auf eine legale Identität. Telenor Pakistan programmierte eine Android-App, um die überkommene Papierbürokratie zu überwinden. Heute sind über 1,2 Mio. Kinder in 426 Dörfern in Pakistan registriert.
Für Deutschland war kein Löwe drin.
Innovation
Auch hier gingen hiesige Agenturen leer aus. Von den fünf Goldgewinner:innen bekommt Wunderman Thompson den Grand Prix für das inklusive Deodorant der Marke Degree. Spannende Sache: Degree Inclusive richtet sich speziell an Menschen mit Seh- sowie Behinderungen der oberen Gliedmaßen. Das Produkt lässt sich dank eines Hakens mit nur einer Hand bedienen und verfügt außerdem über Magnetverschlüsse an der Kappe, die bei eingeschränkter Beweglichkeit helfen. Außerdem ist das Etikett in Brailleschrift verfasst:
Radio & Audio
In dieser Kategorie, die viele Deutsche schon immer besonders umtreibt, gewinnen deutsche Agenturen gleich dreimal Bronze. Das ist in der Disziplin gut. Kolle Rebbe/Studio Funk gewinnen für Lufthansas Radio-Kampagne "Bonnie Bam", MRM/McCann beeindrucken mit "My Career" für die Alzheimer's Society und Jung von Matt mit dem bekannten Vivaldi-Case.
Den Grand Prix gibt es für "SickBeats". Zur Erklärung: Für Kinder mit Mukoviszidose ist die Atemwegstherapie der schlimmste Teil ihres Tages. SickBeats ist die weltweit erste musikbetriebene Weste zur Atemwegsbefreiung, die die so genannte Schallwellentherapie zu einem Behandlungserlebnis macht. Die Weste, noch ein Prototyp, synchronisiert sich mit einem Smartphone, um therapeutische 40-Hz-Frequenzen aus der Musik zu ziehen und sie an die Brust zu senden. Dafür nutzt das Produkt eine kuratierte Spotify-Bibliothek mit Tausenden von 40Hz-Songs. Die betroffenen Kinder können in der App ihre eigenen Wiedergabelisten erstellen.
Creative Effectiveness
Grand Prix für Nikes "Crazy Dreams" von Wieden + Kennedy Portland. Auch dieser Case ist weithin bekannt. Zur Erinnerung:
Für Deutschland gibt es Silber und zwar für Ogilvy, die für die Deutsche Bahn die Kampagne "No need to fly" kreiert hatten. Sie erinnern sich. Bronze gewinnt BBDO mit dem "Life Lolli" für die Knochenmarkspenderzentrale. In der Sparte können nur Arbeiten eingereicht werden, die in den Vorjahren bereits einen Cannes-Löwen gewonnen haben. Deshalb sind die Kampagnen schon etwas älter. Hier der Film zu "Life Lollli":
Brand Experience & Activation
Der "Stevenage Challenge" hat in dieser Woche ebenfalls bereits einige Grands Prix gewonnen. Die Arbeit von David, Madrid/Miami, für Burger King trifft den Nerv der Juror:innen. Sie ist simpel, impactstark und zeitgemäß.
Der zweite Grand Prix in der Disziplin geht an "True Name" von McCann New York für Mastercard. Die Bank tat trans* Menschen einen Gefallen, indem sie auf ihre Karten die neuen, echten Namen druckte, nicht die Dead Names, die sich vielleicht noch in den Papieren fanden. Dafür ist eigentlich eine gesetzliche Namensänderung erforderlich, aber Mastercard fand einen Ausweg und präsentierte sich als weltoffenes Unternehmen für alle.
In der Kategorie gab es außerdem Gold für BBDOs "Eurythenes Plasticus" im Auftrag des WWF und Bronze für die MRM-Kampagne "My career" der Alzeimer's Society".
Creative eCommerce
Kein Löwe für Deutschland, aber zwei Grands Prix. FCB Inferno, London, nimmt für The Big Issue & LinkedIn den Grand Prix für "Raising Profiles" mit nach Hause. Die Agentur Draftline aus Bogota/Kolumbien gewinnt für "Tienda Cerca" von AB Inbev.
Creative Business Transformation
Dieses Kampagne war ein Game Changer. Probleme, die die Supermarktkette Carrefour einst selbst mitgeschaffen hatte, wollte sie nun bewältigen helfen. Grand Prix für Marcel, Paris, für "Act for Food".
Kein Löwe für Deutschland.
Hier der Medaillenspiegel für heute:
Cannes Lions 2021