Political Brand Safety:
Über die moralische Frage nach dem politisch korrekten Werbeumfeld
Die politische Polarisierung hat Unternehmen alarmiert. Müssen sie politisch Stellung beziehen? Wo können sie werben ohne ihren Ruf zu schädigen? Über die schwierige Frage, Budgets nach Gesinnung zu verteilen, die richtigen Grenzen zu definieren und die mangelnde Kontrolle in der automatisierten Onlinewerbewelt.
Seit dem Wahlsieg von Donald Trump und dem Erstarken populistischer Parteien sehen sich Unternehmen mit moralischen Fragen konfrontiert. Können sie mit ihren Marken auf Medienseiten wie Breitbart werben, deren Geschäftsmodell die politische Stimmungsmache ist? Unterstützen sie mit ihren Werbebudgets ungewollt die Betreiber von Falschnachrichten-Seiten, die verwirrte Menschen so aufwiegeln können, dass sie zu den Waffen greifen? Unter welchen Kommentaren landet eine Werbeanzeige im permanenten Nachrichtenstrom von Facebook-Nutzern und wird ihre Werbung unwissentlich in Hassvideos auf Youtube eingeblendet? Die britische Zeitung The Times recherchierte kürzlich, dass Werbung großer Marken wie Mercedes-Benz, Waitrose und Marie Curie in Youtube-Videos islamistischer Unterstützer oder Nazigruppen auftaucht.
Unternehmen machen sich angreifbar
Die Kommunikationsabteilungen sind alarmiert. "Viele Unternehmen erlangen Kenntnis von einem Bereich, über den sie sich vorher keine Gedanken gemacht haben", sagt ein Sprecher von Kellogg's Deutschland. In den USA musste der Konzern erleben, wie "Breitbart" seine mehr als 47 Millionen Leser zum Boykott des als „antiamerikanisch“ beschimpften Unternehmens aufrief, weil Kellogg‘s die Cornflakes-Werbung auf dem umstrittenen Portal storniert hatte, mit der Begründung, das Umfeld passe nicht zu den Werten der Marke. Unternehmen, die politische Ansichten äußern, machen sich angreifbar.
In den USA beziehen Unternehmen teils deutlich Position - Silicon Valley-Unternehmen opponieren gegen Trumps Einwanderungspolitik, selbst die Modebranche debattierte, ob Designer Melania Trump einkleiden würden oder nicht. In Deutschland dagegen sehen Unternehmen eher keinen Grund, ohne Not politisch Stellung zu beziehen. „Wir wollen unsere Kunden mit einem tollen Service beglücken, nicht durch eine politische Meinung oder Weltanschauung“, sagt ein Sprecher von Delivery Hero. „Diese Haltung würden wir erst dann in Frage stellen, wenn wir die demokratische Grundordnung in Deutschland als solche in Gefahr sehen. Von solchen Szenarien sind wir zum Glück weit entfernt.“
Werbeumfelder werden zum Politikum
Doch wo werben und wo nicht, diese Frage ist in politisch aufgeheizten Zeiten zum Politikum geworden. Einig sind sich alle, wenn es darum geht, Werbung auf eindeutig fremdenfeindlichen, kriminellen, gewaltverherrlichenden oder klar demokratiefeindlichen Seiten auzuschließen. Schwerer, weil individuell interpretierbar, fällt die Entscheidung bei politischen Portalen, auf die das nicht zutrifft, die sich aber mit ihren Meinungen jenseits des geläufigen Konsensrahmens bewegen. Wo verläuft die Grenze zum Untragbaren, bis wohin gilt der Grundsatz der Meinungsfreiheit und des zulässigen Spins bei der Interpretation von Fakten?
Hinter den Kulissen schärfen Unternehmen ihre Policies, um sich nicht angreifbar zu machen. Es gibt Unternehmen wie Ikea, die auf Rechercheanfrage erst gar nicht reagieren. Andere melden sich, um mitzuteilen, dass sie über ihre Strategie nichts veröffentlichen wollen. Manche signalisierten, dass sie das Thema Brand Safety eher großzügig handhaben, das aber ungern öffentlich darlegen würden. Wiederum andere, wie Nestlé-Kommunikationschefin Maike Abel, geben eher allgemeine Statements ab: "Wir haben ein mehrstufiges Sicherungssystem mit automatisierten, aber auch stetig manuell gepflegten Blacklists implementiert." Zudem greife die "Brandsafety-Schranke des Agentursystems".
Über allem steht die Frage, wie sich die korrekte Platzierung von Werbung in der programmatischen Werbewelt überhaupt kontrollieren lässt. Wie sicher sind die Kontroll-Instrumente im Programmatic Advertising? Was ist der Preis für Brand Safety und wer ist bereit ihn zu zahlen? Was müssen Unternehmen beachten, um Risiken wenigstens zu minimieren?
Lesen Sie mehr dazu in der Titelgeschichte der aktuellen W&V-Ausgabe 7/2017 (EVT:13.02.2017).
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