Markenführung:
Die digitale Transformation erfolgt dank Covid19
Mobiles Arbeiten bekommt Priorität. Unternehmen mit agiler Produktentwicklung und moderner IT-Infrastruktur profitieren, so der Digitalexperte Maks Giordano. Auch Audio gehört zu den digitalen Gewinnern.
Audio erlebt gerade eine Renaissance. Informationen sind mehr denn je gefragt. Und die Menschen sind zuhause, der Kampf um die Zeitbudgets also geringer. Umso mehr müssen sich Marken fragen, wie sie authentisch klingen und dem Hörer Mehrwert bringen. Innovationsexperte Maks Giordano sagt, worauf Marken jetzt besonders achten sollten. Der Digitalberater arbeitet mit Kunden wie Lufthansa, Apple, Lego, H&M, Red Bull, BMW, Daimler und Linde.
Herr Giordano, Sie sind Innovationsexperte. Im Moment ist die Welt eine andere. Bei vielen Unternehmen geht es ums Überleben. Wie gefragt ist da Innovation?
Ich denke eine solche Situation hat die Welt bis dato nicht erlebt und selbstverständlich wirkt es sich auch massiv auf meine Arbeit aus. Beispielsweise gehören zu meinem Alltag mit Kunden viele Co-Creation Formate, wie Moonshot Thinking-Workshops oder Design Sprints, beides aus dem Design Thinking, wo man haptisch arbeiten muss. Genauso wie Customer Journey Mapping oder einfach nur Brainstormings. Diese physikalischen Workshop-Formate sind aktuell und auch mittelfristig so kaum mehr vorstellbar. Natürlich haben viele Kunden einen klaren Fokus auf die durch Covid-19 verursachten Probleme und können und wollen derzeit verständlicherweise sich nicht mit der mittel- und langfristigen Innovationsstrategie beschäftigen.
Was suchen die Kunden aktuell?
Meine aktuellen Kunden-Projekte konzentrieren sich sicherlich zu 75 Prozent auf dringend benötigte Digitalisierung von Prozessen ob in Human Ressources oder Sales. Ein derzeit gängiger Witz ist ja aktuell, dass die digitale Transformation im Unternehmen weder durch den CEO noch CDO oder CTO erfolgt, sondern durch Covid-19.
Ein Witz, aber trotzdem wahr?
Hier ist sicherlich einiges korrekt. Prozesse werden nun gezwungenermaßen konsequent digital neu gedacht. Mobiles Arbeiten bekommt eine Top Priorität, entsprechende Software-Infrastruktur wie Microsoft Teams wird mit Hochdruck eingeführt, Video-Calls ersetzen die Meetings.
Innovation bedeutet ja nicht nur technologische Aufrüstung?
Es gibt aber nach wie vor spannende Innovationsprojekte, die sich mehr denn je mit der Frage beschäftigen was künftige, disruptive Geschäftsmodelle sein können. Bis hin zu Fragestellungen, was angesichts einer von Covid-19 beeinflussten Welt echte Visionen für das eigene Unternehmen wären. Welche Zukunft wünsche ich mir für 2035? Und was kann ich als Unternehmen dazu beitragen, damit diese Wunschvorstellung einer möglichen Zukunft einmal Realität wird.
Kaufentscheidungen werden zurückgehalten
Aktuell schrauben die Unternehmen aber vor allem an ihren Werbebudgets. Allein die Privatradios beispielsweise gehen von Werbeeinbußen von 30 Prozent im März, im April, Mai sogar von 60 bis 80 Prozent aus.
In der Krise fallen selbstverständlich massiv die Werbeausgaben. Es gibt aktuell keinen Tourismus und auch mittelfristig werden wir bedachter Reisen, entsprechend schlecht geht es der Branche und entsprechend weniger wird aktuell beworben. Und es gibt keinen Sport. Somit fehlen auch die vielen Millionen an Werbeausgaben der Wettanbieter.
Aber auch das Konsumentenverhalten verändert sich. Wie können Marken hier reagieren?
Die Dauer und der Ausgang der Krise wird entscheidend davon mitgeprägt, wann und wie es Impfungen und wirksame Medikamente geben wird. Solange es hier noch keine Klarheit gibt werden etliche Kaufentscheidungen zurückgehalten. Es ist spannend zu beobachten, welche Marken schnell, agil und sinnvoll ihr Marketing an die Situation angepasst haben und welche Marken teilweise nach Wochen noch unflexibel und völlig am derzeitigen Mindset des Kunden vorbei werben.
Wie geht es nach Covid-19 weiter?
Es wird ja bereits von The New Normal in Bezug auf eine Post-Covid-19 Welt gesprochen und es ist sicherlich aktuell eine extrem wichtige und richtige Fragestellung für das eigene Unternehmen, wie diese neue Normalität aussehen wird, wie sich Unternehmen strategisch aufstellen werden.
Wie wird denn die neue Normalität aussehen?
Ich denke, dass Geschäftsreisen massiv abnehmen werden, weil aktuell ausnahmslos jeder im Alltag bemerkt, dass sich viele Meetings auch prima per Call tätigen lassen. Mobiles Arbeiten und Home Office erfahren einen neuen Stellenwert und werden sich sicherlich im Mix mit Office-Anwesenheit stärker integrieren lassen. Gleichzeitig sind die letzten Nachzügler gezwungen konsequent ihre Prozesse und IT-Infrastruktur zu modernisieren. Für die meisten Unternehmen, die in der Vergangenheit auf agile Produktentwicklung und moderne IT-Infrastruktur gesetzt haben, war der Schritt zum mobilen Arbeiten ein verhältnismäßig kleiner. Die waren sofort arbeitsfähig, während andere geradezu über Wochen lahmgelegt wurden.
Aber nicht alles lässt sich virtuell regeln?
Jeder erfährt gerade aktuell hautnah auch die Grenzen der Digitalisierung. So in Bereichen wie Personal und Kreativität. Sicherlich lässt sich vieles davon auch zukünftig rein virtuell abbilden. Aber halt auch nicht alles. Gerade wer aktuell Führungskräfte-Entwicklung, Teambuilding, Inspirationsformate, Networking oder Brainstormings virtuell versucht, kennt nun ausgiebig die Schwächen und sehnt sich physikalische Treffen sicherlich wieder herbei.
Nachhaltiger Trend zu Audio
Auch Branchentreffen fallen aktuell weg. Sie hätten auf dem Radio Advertising Summit dieses Frühjahr als Referent gesprochen. Wie wirkt sich die aktuelle Situation auf Audio aus?
Hier würde ich deutlich unterscheiden zwischen einem nachhaltigen Metatrend hin zu verstärkter Audio-Nutzung und der aktuellen durch Covid-19 verursachten Krise.
Woher kommt der Trend zur verstärkten Audio-Nutzung?
Hier kommen sehr viele Entwicklungen zusammen. Es gibt bezahlbare, fantastische Musik-Streaming Angebote wie Spotify und Apple Music mit über 50 Millionen Songs. Gleichzeitig wächst durch das Überangebot von verfügbarer Musik aber die Notwendigkeit von Kuration um die passende Musik auch zu entdecken. Auf einmal sind radioähnliche Formate extrem gefragt. Ob klassisch als Radio, als Stream oder als Podcast. Ich selbst höre so viel Musik wie noch nie zuvor und beziehe meine Inspiration aus einer Mischung aus FM4 im Radio im Auto, BBC6 Radio zu Hause im Stream auf der Sonos und diversen Podcast-Formaten auf meinen Kopfhörern wenn ich auf dem Fahrrad oder mit dem Hund unterwegs bin.
Stichwort Podcast: Ein Format, das gerade ziemlich gehypt wird. Zu Recht?
Podcast Formate werden weiter an Bedeutung gewinnen. Zum einen weil die Qualität extrem gestiegen ist. Man denke an die extrem hohe Qualität der Pushkin Industries-Formate wie Revisionist History, Cautionairy Tales oder Happiness Lab. Zum anderen gibt es einen wachsenden Bedarf an Longform-Content.
Ist Qualität in Audio leichter umsetzbar?
Vergleichen Sie das mit den Kosten für eine Sendeminute im TV oder einer gedruckten Seite in Print. Klassische Content-Produktion ist es gewohnt durch Umfang und Kosten determiniert zu sein. Im Streaming oder Podcast ist es aber möglich spannende Inhalte auszubauen bis sprichwörtlich alles gesagt ist. Ich kenne noch aus meiner beruflichen Vergangenheit beim Fernsehsender die Aussage, dass die Nutzer die Inhalte immer nur kurz wollen, weil niemand die Aufmerksamkeit für längere Formate habe. Entsprechend interessiert schaue ich mir heute die Abrufzahlen für Formate an, die teilweise drei bis vier Stunden dauern.
Vorteil der mobilen Nutzung
Hängt das mit der zunehmend mobilen Nutzung von Audio zusammen?
Viele entdecken tatsächlich für sich ihren individuellen Nutzungsvorteil bei Audio. Die dreißig Minuten in öffentlichen Verkehrsmitteln auf dem Weg zur Arbeit können dank Kopfhörern zum Sprachkurs werden, zur Weiterbildung in einem spannenden Thema dienen oder eben genutzt werden, um neue Musik zu entdecken. Bei der Gartenarbeit, im Haushalt, während des Spaziergangs, beim Warten auf das Taxi, in der Boardingschlange am Flughafen oder im Zug. Dank Kopfhörern oder intelligenten Audio-Assistenten und -Hardware wie Amazon Echo erweitere ich meine persönliche Mediennutzung um etliche Stunden Audio in der Woche.
Wie können Marken diesen Trend nutzen?
Die steigende Nutzung von Amazon Echo, Google Home oder Apple HomePod zwingt Marken nachzudenken, wie sie im Haushalt ohne einen Screen stattfinden können. Sie müssen stärker in Applikationen und in Service Angeboten denken. Einfach die klassische Radiowerbung vor einen Podcast zu knallen klappt ja so leider nicht.
Was raten Sie den Marken?
Als Marke würde ich immer sicherstellen frühzeitig relevante Trends wie Amazon Echo oder Podcast-Nutzung wahrzunehmen. Und dann agil, kostengünstig und vor allem schnell durch erste Tests eine Unternehmenshaltung zu diesem Trend zu entwickeln. So dass sie dann basierend auf den Daten und Ergebnissen der Tests eine valide Entscheidung für den Ausbau der Aktivitäten treffen können.
Und welche aktuellen Audio-Trends sollten Unternehmen nicht übersehen?
Interessiert verfolge ich derzeit vor allem die weitere Entwicklung von Branded Content im Podcast- Umfeld. Ein promintentes internationales Beispiel ist Toyota mit Lexus im Podcast von Malcolm Gladwell. Aber auch angesichts von Covid-19 und Home Office, all das was Marken aktuell im Bereich Video-und Audio-Streams und an neuen Formaten, wie Webinaren, Online-Events, Online-Produktvorstellungen anstellen.