Jeder sitzt in seinem Kämmerlein, funktioniert da der Austausch innerhalb der Agentur trotzdem gut?

Wir machen jeden Morgen eine digitale Konferenzschaltung. Abstimmungen finden in regelmäßigen Abständen per Mail oder über Hangout statt und wir arbeiten primär in gemeinsamen Online-Tools (shared docs). Eine gewisse Taktung finde ich gut. Auch alle Geschäftsführer und Vorstände wählen sich regelmäßig zusammen. Das ist wichtig und hilft ungemein. Jeder Standort hat andere Herausforderungen. Das hängt auch sehr vom Kundenportfolio ab. Wenige Kunden profitieren sogar von der Situation, die meisten haben Probleme.

Welche Kunden profitieren?

Zum Beispiel Supermärkte, Baumärkte, oder Streaming-Dienste.

Sie betreuen Kunden wie Ikea, Apollo, Römerquelle und Austrian Airlines. Für Fluglinien sind die Zeiten gerade sehr schwer. Was heißt die aktuelle Situation für ihre Kunden?

Alle unsere Kunden verhalten sich sehr solidarisch. Dabei versuchen wir zu unterstützen. Zum Beispiel hilft Apollo Krankenhäusern, indem Sie einen besonderen kostenlosen Optik-Service für das Personal organisieren, Ikea unterstützt bei den plötzlichen, neuen Anforderungen zuhause und Austrian Airlines organisiert Rückholflüge für Österreicher aus der ganzen Welt oder macht Frachtflüge um medizinisches Schutzmaterial nach Österreich zu holen.

Der Lockdown ist eine nie dagewesene Situation für alle. Welche Folgen wird das für die Kreativbranche haben?

Ich habe leider keine Glaskugel und solche Zeiten hat noch keiner von uns erlebt. Ich gehe aber stark davon aus, dass die Krise nicht spurlos an unserer Branche vorbei zieht. Sicher bin ich mir allerdings, dass in jedem Fall der Wert von Kreation zumindest kurzfristig ein anderer ist. Es geht darum Menschen Antworten auf echte Bedürfnisse zu geben, echte Vorteile zu kommunizieren und nicht um Lifestyle-Geschwurbel.

Auch Kreativwettbewerbe werden abgesagt oder verschoben. Zuletzt Cannes. Was heißt das längerfristig für die Zukunft von Awards?

An der Award Industrie wird es auch nicht spurlos vorbeigehen. Viele Agenturen schicken in diesem Jahr nichts mehr ein und einige Awards werden in diesem Jahr aussetzen. Das hat Folgeschäden. Und natürlich tut es mir sehr leid, wenn das ein oder andere Festival wegen Corona über die Wupper geht. Allerdings ist das Thema Awards schon seit Jahren streitbar und auch wir stellen uns regelmäßig die Frage, wo reichen wir überhaupt noch ein. Auch stellen wir uns die Frage, welche Relevanz Rankings in der aktuellen Darreichungsform noch haben.

Sie sind Jurypräsident des diesjährigen RAA. Hier werden die besten Audio-Kampagnen prämiert. Spiegeln die Gewinner den State of the Art oder ist da noch Luft nach oben?

Die meisten Kategorien fand ich richtig stark. Schon die Longlist war beeindruckend. Alle Preisträger dürfen sich außerordentlich freuen und auch die lobenden Erwähnungen waren gut. Leider war das bei Best Innovation bis auf sehr wenige Ausnahmen genau das Gegenteil. Die Kategorie hat dieses Jahr nicht den aktuellen Stand der Technik gespiegelt.

Die Award-Einreichungen kommen meist von den gleichen Agenturen und Tonstudios. Ist es möglich das Rad immer neu zu erfinden oder ist das generell der falsche Anspruch?

Letztendlich geht es darum Mechaniken neu zu interpretieren. Es gibt ja nichts wirklich Neues, sondern die Frage ist, wie Inhalte zusammengestellt werden um daraus tolle und einprägsame Geschichten zu erschaffen und wie man Technologien kreativ nutzt um Botschaften schlau zu verbreiten.

Warum hört man die guten Spots so selten im Radio, sondern immer nur bei Awards?

Hört man die nicht im Radio? Dann ist es gut, dass es den Radio Advertising Award gibt, um Marken und Agenturen zu animieren kreative Funkspots zu produzieren. Denn auch mit Audio hat man die Möglichkeit Menschen zu berühren und aus Marken echte Lovebrands zu machen.

Sie haben  gesagt, dass ein Umdenken gegenüber Awards einsetzt. Gleichzeitig haben die Wettbewerbe aber wichtige Leuchtturmfunktion. Wohin geht die Reise?

Awards werden nicht aussterben. Es wird immer Menschen geben, die an kreativen Lösungen arbeiten und dabei nach Wegen suchen ihre Kreativität zu messen oder Prototypen zu erschaffen, die dann eine inspirierende oder visionäre Funktion haben. Jeweils eine Welt-, eine Europa- und eine Deutsche Meisterschaft wären allerdings vollkommen ausreichend.

Vielleicht schaffen es  dann auch mehr gute Spots ins Radio.  Zumindest bisher auf UKW. Immer mehr Menschen hören aber auch digital, über Streaming oder On-Demand.  Was heißt das für digitale Audio-Kreation? Ist das der Kanal der Zukunft?

Da gibt es noch sehr viel Potenzial. Auch für Kreative. Mit Online-Audio kann man Menschen direkt ansteuern. Man weiß wann, wo und wie lange sie etwas hören und welche Themen sie beschäftigen. Dadurch kann man viel pointiertere Botschaften generieren. Und Kanal der Zukunft, ja. Mittlerweile hat fast jeder einen Smartspeaker zuhause.

Kann man denn klassische Spots eins zu eins in Online übersetzen?

Wir reden in der Agentur gar nicht mehr darüber ob analog oder digital die Wahl ist. Sondern es geht darum eine Aufgabenstellung zu lösen. Wir versuchen immer erstmal kanalunabhängig vorzugehen und dann im besten Fall mit der Mediaagentur zur überlegen, wie die jeweils relevante Zielgruppe zu erreichen ist. Kurz gesagt, es ist doof in Schubladen zu denken.

Brauchen Werbekunden mehr Mut?

Im Bereich Funk haben wir häufig die Aufgabe taktisch zu werben und Angebote plakativ in den Vordergrund zu stellen. Das geht auch kreativ. Ein tolles Beispiel ist die Telekom mit den Testimonials Christian Ulmen, Fahri Yardim und Frederik Lau. Das funktioniert als Funkspot genauso gut wie als TV-Spot, weil durch die Protagonisten Bilder im Kopf entstehen und sie wahnsinnig unterhaltsam sind. Mit gut gemachter Radiowerbung kann man den Kopf, das Herz oder den Bauch erreichen. Und eines davon sollte man definitiv ansprechen.

Und wie geht gut gemachte Radiowerbung?

Da gibt es viele Wege und es hängt am Ende von der Aufgabe und Zielstellung ab. Aber man kann sich immer vornehmen spannend, unterhaltsam, begeisternd oder berührend zu sein, um dadurch Aufmerksamkeit zu generieren. Einfach formuliert, es geht immer darum sich mit einer kreativen Erzählweise im Gedächtnis der Menschen zu verankern.

Das ist der Wunsch von jeder Werbekampagne. Hat Audio hier besondere Vorteile? Wie sehen Sie die Zukunft von Audiowerbung?

Gut. Beispiel Podcast. Jeder hört inzwischen das Format. Man denke aktuell an den Virologen Drosten im NDR-Podcast. Ich fand jahrelang Bewegtbild viel spannender und habe privat nur noch selten Radio gehört. Aber das hat sich auch bei mir mit den neuen auditiven Möglichkeiten geändert. Audiowerbung wird aus meiner Sicht höchst relevant in der Zukunft, weil sich das Konsumverhalten dahingehend anpasst. Weil Menschen gezielter hören können, was sie wirklich interessiert. Und ich freue mich immer wieder, wenn ich einen kreativen Funkspot hören darf. Egal ob linear oder digital.


Autor: Katrin Otto

ist Expertin für Medien. Sie schreibt über Radio, Außenwerbung, Kino, Film und und natürlich Podcast und Streaming. Privat ist sie gern auf Konzerten, im Kino oder im Wasser.