Militärtechnologie:
#BoycottSpotify: Darum kündigen gerade Tausende
Auf Social Media rufen Künstler:innen und Nutzer:innen zum Boykott der Musikplattform Spotify auf. Grund: CEO Daniel Ek investierte in ein Militär-Startup. Dabei ist die Ankündigung schon ein paar Wochen alt.
Nach dem Versuch, Anfang des Jahres den FC Arsenal London zu kaufen, hat Spotify-CEO Daniel Ek im November nun 100 Millionen Euro in das Verteidigungsunternehmen Helsing investiert. Nun reagiert die Internetgemeinde mit dem Hashtag #BoycottSpotify und dem Aufruf an andere, ihr Abo zu kündigen oder als Künstler:in die Plattform nicht mehr zu unterstützen. Und dafür lieber auf Alternativen wie Bandcamp oder Jay-Zs Streamingdienst Tidal umzusteigen.
Ek wird auch Vorstandsmitglied
Am 9. November 2021 gab der 38-jährige die Investition in das deutsch-britische Unternehmen bekannt, dessen Technologie zunächst an das französische, britische und deutsche Militär verkauft werden soll. Nach eigenen Angaben wird Helsing dafür "weltweit führende KI-Technologie für Verteidigung und nationale Sicherheit" einsetzen, um "Informationsvorteile für demokratische Regierungen" zu schaffen und "liberale Demokratien vor Schaden zu bewahren". Der 100-Millionen-Euro-Deal kam über Eks Investmentgesellschaft Prima Materia zustande. Im Rahmen der Transaktion wird Ek auch in den Vorstand des etwa 70-köpfigen Start-Ups aufgenommen.
So richtig Fahrt aufgenommen hat die Hashtag-Kampagne #BoycottSpotify allerdings erst in der letzten November-Woche. Unter den Unterstützern finden sich auch bekannte Musiker wie der Ambient-Dub-Fusion-Musikproduzent Darren Sangita
"Musik wird als Waffe eingesetzt"
"Künstliche Intelligenz bedeutet, dass Computer Informationen hundertmal schneller verarbeiten können, um eine höhere Trefferquote zu erzielen", so Sangita gegenüber der Musik- und Eventplattform Resident Advisor. "Musik wird als Waffe eingesetzt. Das kann ich nicht unterstützen, also habe ich mich bereits abgemeldet und plane nun, meine gesamte Musik von Spotify herunterzunehmen [...] Wir glauben an Musik als mächtiges Werkzeug für den Frieden, ansonsten ist das ein kompletter Widerspruch zu unserer Musikphilosophie."
Macht es nicht besser: Die Technologie soll nur an demokratische Staaten gehen
Helsing wurde Anfang des Jahres von Gundbert Scherf, einem ehemaligen Mitarbeiter des Bundesverteidigungsministeriums, sowie Torsten Reil, ehemaliger CEO des Gaming-Start-ups NaturalMotion, und dem Physiker Niklas Höhler gegründet. Nach Angaben von Pitchbook wird Helsing "eine Software mit künstlicher Intelligenz entwickeln, um Daten aus Infrarot-, Video-, Sonar- und Funkfrequenzen zu integrieren, die von Sensoren in Militärfahrzeugen erfasst werden, um ein Echtzeitbild des Schlachtfelds zu erstellen, das es den Kunden ermöglicht, schnellere und zuverlässigere Entscheidungen zu treffen". Zur Zielgruppe gehören dabei Armeen, Sicherheitsbehörden und Waffenhersteller. Man sei jedoch darauf bedacht, dass die Aufklärungstechnologie nur demokratischen Staaten übergeben werde, heißt es vonseiten des Unternehmens.
Sangita: "Möchte , dass sie 100 Millionen Euro verlieren."
Dennoch: Die Twitter-Gemeinde ist nicht erfreut und erst recht nicht überzeugt. Eine Auswertung der Antworten unter Eks Tweet von Resident Advisor zeigt, dass 80 Prozent negativ waren, ebenso wie 95 Prozent der Retweets. "Langjähriger Spotify-Nutzer seit 2007. Heute kündige ich meine Mitgliedschaft", so und so ähnlich lauten die Antworten unter der Ankündigung. Viele Künstler:innen kündigten an, zu anderen Plattformen zu wechseln. Spotify stand schon in der Vergangenheit massiv in der Kritik, die Creators auf der Plattform nicht angemessen zu beteiligen.
Nutzer:innen wie Sangita vergleichen schon länger Alternativen zu Spotify und begrüßen den Wechsel zu Tidal und Drittanbietern wie Tune My Music und Soundiiz, die dabei helfen, Musik und Playlists zu übertragen. "Das zeigt, dass das Geld zu Spotifys Konkurrenz fließt", so Sangita gegenüber RA. "Ich möchte, dass sie 100 Millionen Euro verlieren und erkennen, dass die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher mächtig sind und ihr Geschäftsmodell durchaus gefährden können."
Nach Angaben der Plattform Deutsche Startups konnte Helsing bereits im Mai 2021 eine Investition der Zalando-Macher Robert Gentz und Rubin Ritter verbuchen. Der Shitstorm blieb jedoch aus.