Mittelstand goes Beer:
Craft Beer: So punkten die Kleinen in einem schwierigen Markt
Die Deutschen trinken immer weniger Bier. Und wenn, dann greifen sie immer häufiger zu Craft Bieren. Das Erfolgsgeheimnis der kleinen Brauereien: Haltung zeigen, Nischen nutzen.
Es ist ein bisschen wie bei Asterix und Obelix und ihrem Kampf gegen die Römer: Die großen Konzerne haben den Biermarkt in Deutschland längst unter sich aufgeteilt. Und doch entstehen immer mehr kleine Brauereien in den verschiedensten Ecken Deutschlands. So stieg die Zahl der Brauerei 2016 erneut an - 1408 Brauereien verzeichnet Deutschland laut Statistischem Bundesamt inzwischen. Das Wachstum ist vor allem auf kleine Brauereien zurückzuführen. Bei gut der Hälfte der deutschen Brauereien handelt es sich mittlerweile um sogenannte "Mikrobrauereien" mit einem Jahresausstoß bis 1000 Hektoliter. "Während immer mehr Bäckereien und Metzgereien in Deutschland von Schließung bedroht sind, erlebt das Brauhandwerk eine Renaissance" verkündet der Deutsche Brauer-Bund vor einem halben Jahr.
Besonders die kleinen Craft-Beer-Brauereien mit neuen Geschmacksrichtungen wie India Pale Ale (IPA), Amber Ale oder Stout machen international vertretenen Unternehmen wie Inbev, Warsteiner Veltins, Radeberger und Bitburger das Leben schwer. Denn mit einer klaren Positionierung und einer authentischen Markenstrategie punkten sie nicht nur in Sachen Image. Sie verändern sogar den Geschmack der Konsumenten.
Deutsche trinken immer weniger Bier
Dabei sind die Voraussetzungen für neue Marktteilnehmer eigentlich gar nicht so gut. Der Biermarkt in Deutschland schrumpft seit Jahren. Lag der Bierabsatz im Jahr 2008 noch bei 102,9 Hektolitern, waren es 2016 nur noch 95,8 Hektoliter - einschließlich der alkoholfreien Sorten. Jeder Deutsche kaufte 2016 laut Nielsen im Durchschnitt rund 74 Liter Bier und Biermix-Getränke und gab dafür knapp 90 Euro aus. Damit sank der Absatz mengenmäßig um rund 2,3 Prozent.
Das alles erhöht den Druck auf die großen Brauereien. Ihre Produkte werden sich immer ähnlicher – sowohl in der Positionierung, als auch geschmacklich. Die sogenannten "Fernsehbiere", die jahrelang mit aufwändigen TV-Spots zu den besten Sendezeiten präsent waren, verkaufen längst schon über den Preis. Sprich: Der Kunde greift im Getränkemarkt zu dem Kasten, der gerade im Angebot ist. Dass am Ende weniger Gewinn für die Konzerne übrig bleibt, liegt auf der Hand.
Teuer ist kein Hindernis
Dabei gibt es einen Markt für teurere Biere. Craft Biere erobern gerade den Getränkemarkt. Unter dem Begriff Craft Beer versteht der Verband Private Brauereien alle Biere, bei denen die Herkunft der Rohstoffe bekannt sind, die handwerklich gebraut sind, aus unabhängigen Brauereien stammen, bei denen der Brauer mit seiner Philosophie im Vordergrund steht und die am Ende auch noch schmecken. Selten kostet so eine Flasche Handwerkskunst den Verbraucher weniger als zwei Euro, nach oben gibt es kaum eine Grenze.
Abschrecken lassen sich die Kunden davon nicht. Im Gegenteil. Sie sind bereit, für das Gefühl, das ihnen ihr neues Lieblingsbier vermittelt, zu bezahlen. Wer weniger Bier konsumiert, der will dann, wenn er nach der Flasche greift, etwas Besonderes haben. Es geht nicht mehr um Masse, sondern um hochwertigen Inhalt.
Auch die Konzerne versuchen ihr Glück
Craft Biere sind so erfolgreich, dass auch die Konzerne längst auf den Zug aufgesprungen sind. So hat Radeberger seine Marke Braufactum ins Leben gerufen, Veltins verpackt Grevensteiner in hübsch-altmodische Flaschen und Warsteiner brachte zum 500. Geburtstag die Braumeister Edition auf den Markt.
Doch was die Konzerne nicht leisten können, ist das Alleinstellungsmerkmal, das authentische Gesicht hinter einem Produkt. Doch genau darauf kommt es an. Der Konsument legt Wert darauf, den Brauer hinter der Marke zu kennen, ein Produkt mit einer echten Philosophie zu trinken und die Leidenschaft und das Können des Brauers zu schmecken. Je einzigartiger die Geschichte des Unternehmens ist, umso besser für die Markenstrategie. Denn damit unterscheiden sie sich von den großen, in der Regel gesichtslosen Konzernen.
Dabei profitieren die kleinen Brauereien davon, dass immer mehr Konsumenten wissen wollen, wo die Lebensmittel herkommen, welche Inhaltsstoffe sie beinhalten und wie das Produkt entstanden ist. Ein Gesicht hinter dem Bier beantwortet diese Fragen, bindet den Verbraucher emotional an die Marke und vermittelt den Bierkäufern ein Gefühl der Transparenz.
Auf den Geschmack gebracht
Eine gute Geschichte hilft jedoch nur dann, wenn die Konsumenten das Produkt auch gerne trinken. Mittlerweile ist der Begriff Craft Beer eingeführt, die Verbraucher haben gelernt, dass kleine Brauereien in der Lage sind, gute Qualität zu liefern. Nicht jeder Hersteller muss bei der Bewerbung seiner Biere ganz am Anfang ansetzen und zunächst einmal Begrifflichkeit erklären.
Und doch ist Pionierarbeit notwendig. Der Biertrinker muss sich an die verschiedenen Stile und Geschmäcker gewöhnen, Hemmschwellen überwinden - und seine Favoriten herausfinden.
Um die Konsumenten von den neuen Produkt zu überzeugen, legen sich die Brauer ordentlich ins Zeug. Verkostungen wie beim Wein sind immer mehr im Kommen. Plötzlich geht es um Aromen wie Pfirsich und Holunder, die in der Nase und am Gaumen wahrnehmbar sind. Kein Wunder, dass Craft Biere die Chance bieten, neue Zielgruppen anzusprechen. Vor allem Frauen und Genießer, die bisher eher auf erlesene Weine standen, sollen an die neuen Biere herangeführt werden. Wenn sich dann irgendwann auch die Liebhaber von Warsteiner, Becks und Co den Craft Bieren zuwenden, dann haben die mittelständischen Brauereien ihr Ziel erreicht.
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