Recruiting im Mittelstand:
"Eine attraktive Marke ist immer auch eine attraktive Arbeitgebermarke"
Plakativ, überraschend, laut - so sollten Kampagnen gestrickt sein, die den beruflichen Nachwuchs ansprechen. Carl-Christian Berge von der Agentur Battery verrät, wie das geht.
Neben der Digitalisierung ist der Fachkräftemangel die größte Herausforderung für den Mittelstand. Vor allem bei Unternehmen mit Technik-DNA ist die Not extrem groß. Ein Blick auf den Außenauftritt mittelständischer Arbeitgebermarken offenbart, dass hier noch viel Luft nach oben ist. Carl-Christian Berge von der Hamburger Agentur Battery weiß, wie KMUs den 90er-Jahre-Mief in der Personalmarketing-Kommunikation abschütteln.
Herr Berge, der Mittelstand sucht verzweifelt nach Mitarbeitern. Wie muss man im heutigen Arbeitsmarkt um Menschen werben?
Um sich in der Ansprache abzuheben, braucht es vor allem Kreativität, denn es gibt nach wie vor - gerade im Mittelstand – sehr viel Mittelmaß. In der bildlichen Ansprache wird fast ausschließlich mit Stereotypen gearbeitet.
Männer sitzen am Computer oder stehen in einer Maschinenhalle – eingehüllt in bläuliches Licht. Das wirkt ganz schön altbacken – und vor allem ist es austauschbar.
Wie macht man's besser?
Am Anfang jeder Kampagne steht die Frage nach der Identität des Unternehmens. Seine Kultur und Werte müssen herausgearbeitet und auch spürbar werden, denn: eine attraktive Marke ist immer auch eine attraktive Arbeitgebermarke. Eine Kampagne sollte deshalb in erster Linie die Frage beantworten: Wie heben wir uns mit unserem Angebot vom Wettbewerber ab?
Wie wichtig sind Kriterien wie Image und Haltung? Tragen sie dazu bei, die Attraktivität als Arbeitgebermarke gerade bei der Generation Z zu stärken?
Das Image ist sehr wichtig. Vor allem in den stark umworbenen Jobs können Unternehmen damit punkten, denn gerade der Nachwuchs stellt sich heute die Frage nach der Sinnhaftigkeit seiner Arbeit. Ein Hersteller aus der Windenergiebranche, der für saubere Energie steht und die Mission verfolgt, die Welt irgendwann CO2-frei zu machen, sollte das so kommunizieren.
Auch Haltung ist wichtig. Aber Vorsicht: Bewerber merken schnell, ob diese Haltung nur nach vorne gespielt wird, weil sie gesellschaftspolitisch erwünscht ist.
Aktuell wird das Thema New Work im Personalmarketing stark herausgestellt. Zu Recht?
Für mich ist das eher ein Hygienefaktor. Möglichkeiten zur internen und externen Weiterbildung, flexible Arbeitszeiten wie eine 4-Tage-Woche, Auslandsaufenthalte in Tochterunternehmen oder einfach flachere Hierarchien - das alles wird von Bewerbern heute erwartet und sollte Standard sein.
Auf welchen Kanälen müssen Unternehmen fürs Recruiting unterwegs sein?
Grundsätzlich auf den Kanälen, die die anderen auch belegen. Das ist zwar wenig phantasievoll, sorgt aber für das nötige Grundrauschen. Das sind neben den Online-Stellenbörsen und Business-Netzwerken auch Arbeitnehmer-Communities wie Kununu.
Leider achten vor allem KMUs wenig auf ihren Auftritt dort. Aber schlechte Bewertungen können durchaus das Zünglein an der Waage sein. Wenn dort viele negative Anmerkungen stehen, kann das schnell zum K.O.-Faktor werden.
Unternehmen wie Volkswagen oder BMW haben immer noch genügend Zulauf, aber wie steht es um einen Hidden Champion mit Standortnachteil? Mit welchen Aktionen kann der sich nach vorne spielen?
Wer auf einer Karrieremesse neben Bosch oder Siemens glänzen will, braucht vor allem einen knackigen Auftritt. Das gelingt zum einen mit Personalmarketing-Kampagnen, die plakativer, überraschender und lauter sind, als die der Konkurrenz – unsere Arbeit für das Unternehmen Alten ist da ein schönes Beispiel.
Außerdem lohnt grundsätzlich auch ein Blick in die Produktkommunikation. Wenn die blass und austauschbar ist, sollte auch sie angepasst werden. Das Gesamtbild muss stimmig sein. Denn was hilft der knackige Messeauftritt, wenn der Bewerber auf der Karriereseite feststellt, dass diese in den 90er Jahren stehengeblieben ist?
Apropos Karrieremesse. Wie kann der Hidden Champion dort punkten?
Beispielsweise mit einem Live-Chat mit dem CEO. Dazu braucht man nur ein paar Rechner und einen Unternehmenschef, der sich zwei Stunden Zeit nimmt und im Zehn-Minuten-Takt Fragen von potenziellen Bewerbern beantwortet. Das können große Player wie BMW und Bosch kaum bieten.
Haben Sie noch weitere Beispiele auf Lager?
Mit unserem Kunden Mehnert aus Thüringen, der Mitarbeiter für den Aufbau von Maschinen bei Autobauern sucht, sprechen wir gerade über eine Anwendung im Mobile Marketing. Im Vorfeld stand die Frage, in welcher Region leben die potenziellen Mitarbeiter und wie können wir sie genau dort, nämlich in Wolfsburg, Stuttgart, München und Ingolstadt, ansprechen? Parallel dazu werden wir in einer Art Guerilla-Aktion vor den Werkstoren Kleintransporter mit einer provokanten Botschaft aufstellen, um den Mitarbeitern Denkanstöße zu geben. Auch unsere aktuellen Kampagnenmotive sind alles andere als leise.
Das sind Aktionen, die man bei IT- und Technik-nahen Firmen eher selten sieht. Was raten Sie diesen Unternehmen?
Tretet selbstbewusster auf! Deutschland ist das Land der Tüftler und Ingenieure. Trotzdem verkaufen sich viele Hersteller und Dienstleister unter Wert. Unsere Devise lautet: Tut Gutes und redet darüber!
Klappern gehört also auch hier zum Handwerk. Haben Sie das von ihrem früheren Arbeitgeber, Jung von Matt, mitgenommen?
Ja klar. Das Wissen, wie man als Marke auffällt und differenziert, setzen wir für unsere Kunden auch im Personalmarketing ein. Dafür braucht es Kreativität, sie ist der entscheidende Faktor. Und was auch immer noch in uns verankert ist: Man sollte nie zu früh mit den Ergebnissen der eigenen Arbeit zufrieden sein, denn die erste Lösung ist nicht immer die beste. Meist geht noch eine ganze Schippe oben drauf.
Von vier auf vierzehn: Carl-Christian Berge und Andreas Ottensmeier haben vor fünf Jahren nach ihrem Ausstieg bei Jung von Matt die Agentur Battery gegründet. Im Kundenportfolio sind vorrangig "Marken mit Ingenieur-Gen". Zu den Startkunden Continental und Mini gehören inzwischen auch Mittelständler wie der Montagedienstleister Mehnert. Von einst vier Mitarbeitern ist die Agentur heute auf 14 angewachsen. Battery hat sich auf Kommunikation für Marken mit Ingenieur-Gen spezialisiert; Personalmarketing-Kommunikation, Markenentwicklung und Brand Design sind zentrale Themen.