Influencer-Marketing:
Um einen Influencer wie Rezo sollten sich die Parteien reißen
Mit seinem millionenfach verbreiteten Anti-CDU-Video mobilisiert der YouTuber Rezo seine Altersgenossen für die Europawahl. Passend dazu haben wir Philip Papendieck, CEO von Intermate gefragt, was sich in Sachen Politik mit Influencer-Marketing alles erreichen lässt.
In letzter Zeit haben einige Spitzenpolitiker angefangen, Podcasts zu produzieren, um auf den Zug der immer beliebter werdenden Audio-Shows aufzuspringen. Aber auch wenn Katarina Barley etwa den Fashion-Designer Guido Maria Kretschmar als Gesprächspartner in ihren Podcast einlädt, erreicht sie mit diesem Format nicht unbedingt junge Leute. Genauso wenig wie mit Plakaten an Laternen oder Flyern in Fußgängerzonen.
Dass das nicht etwa an einer Politikverdrossenheit der jungen Generation liegt, sieht man nicht nur an "Fridays for Future", "Pulse of Europe" oder zuletzt den Demos gegen die Uploadfilter. Sondern auch an dem großen Beifall, den der YouTuber Rezo derzeit für seinen jüngsten Film bekommt, in dem er fast eine Stunde über Politik spricht - und insbesondere über das Versagen der CDU.
Rezo hat für seinen CDU-Rant inzwischen mehr als 2,3 Mio. Views bekommen:
Den Parteien und Politikern fällt es dagegen zunehmend schwerer, junge Menschen zu erreichen.Trotzdem fristet Influencer Marketing in der Politik noch ein echtes Nischendasein. Doch Influencer und Politik, das muss kein Widerspruch sein. Erfolgreiche Kampagnen müssen aber Besonderheiten der jungen Zielgruppe beachten.
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Was die Jungen unter Politik verstehen
Politisches Engagement wandelt sich. Für die jüngere Bevölkerung heißt politisch aktiv zu sein nicht, jede Woche im Ortsverein zur Sitzung zusammenzukommen, sondern sich für eine politische Maßnahme oder ein generelles Thema, wie etwa Klimaschutz oder globale Gerechtigkeit (Beispiel: Global Citizens) zu engagieren. Dieses Engagement ist dabei eher anlassbezogen und zeitlich wie thematisch oft begrenzt.
Hinzu kommt, dass sich auch das Medienverhalten junger Menschen immer stärker von dem der älteren Bevölkerungsschichten unterscheidet. Das Fernsehen verliert zusehends an Bedeutung, und auch andere klassische Medien politischer Berichterstattung, wie Tageszeitungen und Magazine, hangeln sich von einem Absatzrückgang zum nächsten. Bei der jungen Zielgruppe sind nichtlineare, mobile Plattformen wie YouTube und Instagram beliebt. Facebook überlässt man hingegen zusehends der Eltern-Generation.
Für die Bewerbung und Erklärung politischer Inhalte und Sachverhalte bei der jungen Zielgruppe sind Influencer ideal. Sie transferieren spröde Parolen in die Sprache der Zielgruppe und machen vermeintlich sehr komplexe Sachverhalte in kurzen Statements greifbar. Ihre Art der Darstellung und Vermittlung spiegelt die Vorlieben der jungen Zielgruppe wider. Deshalb liegen bei einer Influencer-Kampagne die Stärken nicht in der tiefgründigen, zeitintensiven Berichterstattung über politische und gesellschaftliche Themen, sondern in der anlassbezogenen und zeitlich begrenzten Erzählung über einen konkreten politischen Vorschlag.
Der Weg zur politischen Aktivierung der Generation Z
Mein Vorschlag daher ist es, Influencer in einem mehrstufigen Prozess zu involvieren, der vor allem Wissen und damit einhergehend Handlungsimpulse bei der Zielgruppe auslöst, damit sie sich dann im nächsten Schritt von ganz alleine für Themen wie bspw. die Europawahl engagieren.
Schritt 1:
Zunächst einmal sollte der Influencer oder die Influencerin bei ihren Followern das Bewusstsein schärfen, dass ohne Wissen und Bildung die Probleme unserer Welt nicht gelöst werden können. Diese erste Phase deckt sich mit dem Vorgehen bei Werbeanzeigen. Die Frage lautet: "Wie erzählen wir komplexe, politische Sachverhalte in einer ersten Ansprache kurz und knapp und generieren einen AHA-Effekt bei so vielen Zuschauern wie möglich innerhalb weniger Sekunden?" Gerade vor dem Hintergrund, dass die junge Generation mit Inhalten "bombardiert" wird, liegt hier der erste Schlüssel zum Erfolg. Als Beispiel ein kurzer Teaser für einen mögliche Post eines Influencers zum Thema Regenwald:
"Spenden für Baumpflanzungen können den Regenwald retten! Echt??? Oder sollte man woanders ansetzen? (Aluminium) /// (Fleisch)“
Hier wird schnell deutlich, dass wir mit "Bäume pflanzen" das Sterben nur nach hinten schieben, nicht aber aufhalten. Die Zielgruppe ist angesprochen und das Problem gesetzt.
Schritt 2:
Nachdem die Aufmerksamkeit für politische Themen erzeugt wurde, sollte dann im zweiten Schritt weiterführendes und vertiefendes Wissen von den Influencern angeboten und vermittelt werden, um bestenfalls Lösungen mithilfe der Follower zu kreieren. In diesem Schritt kann auch bereits der Verweis auf mögliche politische Lösungsvorschläge der verschiedenen Parteien und Politiker erfolgen, die wiederum in der Community diskutiert werden können.
Schritt 3:
Der letzte Schritt bildet dann die eigentliche Kommunikation politischer Inhalte. Neben der Vermittlung konkreter politischer Inhalte und darauf bezogene, politische Lösungsvorschläge, können Influencer dann bspw. auch generell das politische Interesse ihrer Zielgruppe fördern. Dies gelingt etwa mit dem Verweis auf den "Wahlomat", der aufgrund eines Gerichtsurteils derzeit leider offline ist, oder bevorstehende Wahlen, zu denen über bestimmte Parteien und Politiker oder Entwicklungen und Prognosen im Vorfeld der Wahlen diskutiert werden kann.
Authentisch heißt transparent zu sein
Der Einwand, Werbung für die eine oder andere politische Strömung würde den Influencer nachhaltig bei einem Teil seiner Community unbeliebt machen, kann mit der angezeigten Strategie entkräftet werden. Follower stören sich nicht an Werbung bei Influencern, sondern nehmen dies als vollkommen natürlich hin. Was allerdings bedacht werden sollte, ist eine gewisse Kongruenz.
Parteien oder Institutionen dürfen nicht beliebige Influencer für ihre Kampagne auswählen. Eine kluge und gezielte Vorauswahl passender Accounts zu passenden Themen ist im Influencer-Marketing bereits der halbe Erfolg. Denn das politische Vorhaben sollte gut zum Influencer passen, um die Inhalte glaubwürdig transportieren zu können. Daneben ist ein gutes Targeting für eine politische Kampagne ebenso entscheidend wie für Firmen bei ihrer Produktwerbung.
Influencer verstehen es wie niemand sonst, ein Teil der Lebenswelt junger Menschen zu sein. Dieses Potential haben Firmen und Konzerne längst entdeckt. Die Politik ist gut beraten, auch diesen Kanal für ihre Öffentlichkeitsarbeit zu nutzen. Nicht nur im Wahlkampf sondern jederzeit. Denn wer sich vom Influencer Anregungen für seine Wohnungseinrichtung holt, der lässt sich auch bei Rente, Kita und Verkehr inspirieren.
Philip Papendieck ist Co-Founder und Geschäftsführer von Intermate sowie der Co-Founder von Truemates. Intermate hat sich dem Influencer-Marketing verschrieben. Komplexe Kampagnen werden in einer eigenen Creative-Unit konzipiert und Influencer-Aktivierungen auf allen sozialen Plattformen umgesetzt, wobei eine selbst entwickelte Technologie zum Einsatz kommt. Gegründet hat Philip Papendieck die Agentur 2015 zusammen mit Allessandro De Pasquale und Jörn Mecher – zunächst unter dem Namen Insta Media. Zuvor hat er unter anderem für den Fashion Retailer New Yorker gearbeitet.
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