Ranking des Center of Automotive Management:
So innovativ sind die Automobilkonzerne wirklich
In der Werbung ist jede Automobilmarke innovativer als die Konkurrenz. Das Center of Automotive Management hat sich die Innovationen von 19 Automobilkonzernen genauer angeschaut und ein Ranking erstellt. Für Überraschungen sorgen Tesla und Toyota.
In seinem Zukunftsprogramm "Together 2025" formuliert Volkswagen das ehrgeizige Ziel, sich in den Bereichen Autonomes Fahren, Elektromobilität und Connected Cars an die Spitze zu setzen. Diese Ziele scheint der Konzern massiv voranzutreiben, betrachtet man die Ergebnisse der Automotive Innovations Studie 2017, die das Center of Automotive Management (CAM) veröffentlicht hat. Demnach bleibt Volkswagen 2017 der innovationsstärkste Automobilkonzern vor Daimler. Doch die Konkurrenz schläft nicht: Tesla schiebt sich erstmals auf Rang drei vor BMW. 1155 Innovationen von 19 Automobilkonzernen und 58 Herstellermarken bewertete und gewichtete das CAM.
Volkswagen setzt sich mit 277 Innovationen an die Spitze des Rankings, wobei die Marke Audi am meisten dazu beiträgt. Sie punktet etwa mit den Abbiege- und Ausweichassistenten in den neuen Modellen oder den vernetzten Car-to-X-Diensten "Gefahrenwarnung" und "Ampelinformation" für Mittelklasse und SUV.
Daimler verbessert sich dank Neuheiten in der neuen E-Klasse wie dem ersten "Stauende-Kollisionswarner", der ersten Car-to-X-Gefahrenwarnung oder dem sparsamsten Dieselantrieb im Segment von Rang 3 auf Rang 2. BMW kann immerhin 18 Weltneuheiten für sich verbuchen - fünf weniger als Daimler - und fällt von Rang 2 im Vorjahr auf Rang 4. Zu den BMW-Innovationen gehören etwa On-Street-Parking Detektoren oder sparsame Plug-in-Hybride im Van- oder Oberklasse-Bereich.
Tesla überholt BMW
Den größten Sprung nach vorn macht in diesem Jahr Tesla. Der US-Elektrofahrzeughersteller arbeitet sich von Platz 10 im Vorjahr auf Rang 3 vor und überholt BMW. Besonders hoch bewertet das CAM dabei Einzelinnovationen wie neue Akkus, mit denen die Tesla-Modelle zu den Serien-Fahrzeuge mit der höchsten elektrischen Reichweite werden. Außerdem punktet Tesla mit weiterentwickelten autonomen Fahr- und Parkfunktionen.
In den Top 5 ist auch General Motors, das insbesondere mit dem Mittelklasse-Elektrofahrzeug Chevrolet Bolt hervorsticht. Zu den weiteren Gewinnern zählen PSA (von Rang 8 auf Rang 7) und Fiat-Chrysler (von Rang 15 auf Rang 8).
Als überraschend bewerten die Studienautoren das schlechte Abschneiden von Toyota, nach Volkswagen immerhin der absatzstärkste Hersteller der Welt. Der japanische Konzern kommt im weltweiten Ranking nur noch auf Rang 15. In den zwölf Jahren, in denen das Ranking erscheint, ist dies die bislang schlechteste Platzierung. 2013 kam Toyota noch auf Rang 5. 35 Innovationen können die Japaner vorweisen, allerdings nur drei Weltneuheiten, wie den verbrauchsärmsten Serien Plug-in Hybrid. Auch Ford verliert trotz 59 Innovationen drei Plätze und erreicht nur noch Rang neun.
Im Ländervergleich hängen die deutschen Hersteller mit 36 Prozent aller Innovationen die Konkurrenz ab: 158 "Weltneue Innovationen" stammen aus Deutschland. Davon entfallen auf Volkswagen (inkl. Audi) 53 Weltneuheiten, auf Daimler 23 und auf BMW 18 Weltneuheiten. Studienleiter Stefan Bratzel: "Mit den paradigmatischen Veränderungen von Technologien und Geschäftsmodellen kommen zunehmend neue Player ins Spiel, die wie Tesla durch Agilität und Fokussierung eine hohe Innovationskraft entwickeln können. Die etablierten Hersteller tragen dagegen schwer am Rucksack der bisherigen Technologien und Kundenerwartungen. Zur Finanzierung von Zukunftsthemen müssen sie den Spagat von etablierten und neuen Technologien aushalten. Es zeigt sich jedoch, dass insbesondere die deutschen Hersteller den Kampf um das Auto der Zukunft intensiv aufgenommen haben."
Weniger Innovationen für konventionelle Antriebe
Besonders erfindungsreich sind die Automobilhersteller im Bereich Sicherheits- und Fahrerassistenz, sie machen 28 Prozent aller Neuerungen aus. Dahinter folgen mit 16 Prozent neue Bedien- und Anzeigekonzepte. Die größten Fortschritte erzielen die Automobilhersteller in den drei Zukunftsfeldern Elektromobilität, Sicherheit/Fahrerassistenzsysteme und Connectivity. Hier identifizierte CAM mehr als 600 einzelne Neuerungen (52 Prozent aller Innovationen). Der Anteil an Innovationen bei konventionellen Antrieben sinkt dagegen. Lag deren Anteil im Jahr 2010 noch bei über 30 Prozent, so beträgt er aktuell nur noch etwas mehr als zehn Prozent.
"Die Hersteller haben sich durch die 'prüfstandsfokussierte Optimierung' des Verbrennungsmotors in eine Sackgasse manövriert und stark in Politik und Öffentlichkeit an Glaubwürdigkeit eingebüßt", sagt Stefan Bratzel. "Sie müssen jetzt für real saubere und gleichsam effiziente Dieseltechnologien viel Geld investieren. Allerdings möchte der Kunde dafür jedoch kaum mehr bezahlen und ist im Zuge von Fahrverbotsdiskussionen stark verunsichert." Eine selbstgemachte Sackgasse, aus der sie nur schwer herausfinden. "Insgesamt mangelt es derzeit aufgrund der aufgeheizten Stimmungslage sowie den Fehlern der Vergangenheit von Politik und Automobilindustrie an Rationalität in der Diskussion, um den Zielkonflikt Klimaschutz, Luftreinhaltung und Sicherung der Arbeitsplätze sinnvoll aufzulösen", so Bratzel.