Heute soll es so gehandhabt werden: Wenn ein Spieler in die Nationalmannschaft berufen wird, muss er mit den Richtlinien des DFB ein festes Regelwerk unterzeichnen. "Die Richtlinien enthalten ein Verhaltenskodex für die Spieler, Rechte und Pflichten für Spieler und den DFB."

Nun greift allerdings keiner dieser Kodizes richtig, wenn es darum geht, den Auftritt Özils und Gündoğans mit Erdogan zu sanktionieren. Bisher ging es im Wesentlichen um Geheimhaltungen und um Fehlverhalten in der Öffentlichkeit, dass geeignet wäre, die spielerische Leistung in Frage zu stellen, wenn Spieler beispielsweise am Vorabend eines Spiels in einer Bar fotografiert werden.

Der DFB hat schon einen Ethikkodex

Aber könnte in der Causa Erdogan vielleicht schon der allgemeine Ethikkodex des DFB greifen? Wäre er eventuell anwendbar, wenn es um eine unterstellte oder tatsächliche Wahlkampfhilfe für Erdogan durch deutsche Nationalspieler geht? Im sechsseitigen Ethikkodex des DFB, der als PDF zum Download bereitgestellt wurde /  geht es, was die Spieler betrifft, im Wesentlichen um Respekt, Vielfalt und Fair Play.

Die Vorbildfunktion wird ebenso betont, wie die Aufgabe, einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Leben zu leisten. Dort heißt es u.a., aktiv wahrzunehmen sei die "Unterstützung gesellschaftlicher Themen und Herausforderungen mit den Möglichkeiten des Fußballsports." Eingefordert wird auch eine Beteiligung an "karitativen und humanitären Maßnahmen." Konkret findet sich keine Handlungsanweisung, die das Treffen der beiden Spieler mit Erdogan eindeutig abmahnen könnte.  

So betrachtet wird der private Auftritt Özils und Gündoğans zum Präzedenzfall. Und führt weiter zur Frage, in wie weit er eventuell sogar von der Meinungsfreiheit gedeckt war. Und in wie weit es notwendig geworden ist, dann, wenn man den Auftritt seitens des DFB ächten will, eine Erweiterung des Ethikkodex oder die Erneuerung eines dahingehenden Verhaltenskodex für Nationalspieler zu installieren.

Wer will 2024 mit Erdogan aufs Bild?

Denn es kann ja nicht sein, dass Deutsche Nationalspieler Wahlkampfauftritte mit einem Despoten veranstalten der einen deutschen Journalisten über ein Jahr ins Gefängnis werfen ließ. Und ja, es ist ein Paradoxon von Nationalspielern zu verlangen, sich nicht mit Despoten zu treffen, während die Möglichkeit besteht, dass bei einer EM 2024 in der Türkei ein Europameister Deutschland zwangsläufig zum Fototermin mit Erdogan antreten müsste. Aber das sind die Widersprüche des internationalen Fußballs angesichts seiner aktuellen Verfasstheit. Angesichts einer der Ertragsoptimierung folgenden Blindheit, angesichts der Fifa-Entscheidungen, Turniere auch in unfreien Gesellschaften auszutragen. 

Zwar wäre das Siegerfoto 2024 in Ankara kein unmittelbarer Wahlkampftermin, aber diese Überlegung illustriert die Schwierigkeit der Abgrenzung, zeigt, dass es ein festes Regelwerk in einer real existierenden Fußballwelt gar nicht geben kann, sondern nur eine prinzipienorientierte Einzelfallbewertung entlang des DFB Ethikkodex. Wenn dieser nun aber keine dahingehend definierten Prinzipien enthält, dann muss eben nachgebessert werden. Ziel muss hier die Konkretisierung des Kodex sein. Sicher keine leichte Aufgabe, aber eine unbedingt notwendige um in Zukunft solche Katastrophen wie #Özil auszuschließen.