
Nachruf:
Zum Tod von Gerald Heinemann
Einer der ganz Großen hat seinen Tequila-Hut für immer an den "goldenen" Nagel gehängt, wie es Weggefährten formulieren. Der Kreative Gerald Heinemann ist tot. Dennis Reinhardt mit einem Nachruf.

Foto: Gerald Heinemann / Screenshot Facebook
Man kann sich trefflich darüber streiten, ob nun die 1980er oder die 1990er Jahre das schillerndste Jahrzehnt in der deutschen Werbung waren: Die Budgets saßen locker, die Ideen wurden frischer, die Anziehungskraft der Branche stieg.
Unstrittig ist, dass ein Name wie kaum ein anderer beide Jahrzehnte nachhaltig geprägt hat – Gerald Heinemann, zwei Jahrzehnte ADC-Vorstand, Cannes-Juror und bis heute einer der national und international am höchsten dekorierten Kreativen des Landes.
Innen gut - außen mit Hut
1979 begann der charismatische Freigeist aus Delmenhorst seine Karriere bei der Kaderschmiede GGK. Erst ging's nach Hamburg, dann nach Düsseldorf, dann wieder nach Hamburg und so richtig los. Jürgen Scholz wurde auf das Talent aufmerksam und holte Gerald Heinemann in seine 1981 gegründete Agentur Scholz & Friends, einem der leuchtenden Sterne am Werbehorizont.
Es folgte nicht nur ein rasanter Aufstieg, vom Texter zum Geschäftsführer Kreation und Partner. Es folgten Hand in Hand Etatgewinne und Eskapaden, Auszeichnungen und Abstürze, Lob und Leid.
Zu den legendären Kampagnen, die Gerald Heinemanns Handschrift tragen, zählen natürlich die preisgekrönten Arbeiten für West, für Jägermeister, für den Stern, für Brekkies, für die Deutsche Bank, für TUI und und und. Sein Husarenstück lieferte der umtriebige Tausendsassa aber für eine Marke, die damals noch gar keine war: Sierra Tequila, einem Nischenprodukt unter fernerliefen im Spirituosensegment.
"Innen gut – außen mit Hut". Klingt simpel, muss man aber erstmal drauf kommen. Und das war Gerald Heinemanns Spezialität: Produkte genauso zu verstehen, wie die Bedürfnisse der Zielgruppe – egal, worum es ging, egal, um wen es ging. "Mit großen Budgets kann man Kunden kaufen, mit großen Ideen kann man sie gewinnen", fasste er sein Credo einmal in Worte.
Gerald Heinemanns Verdienst ist es, der deutschen Werbung die Schwere genommen und eine erfrischende Leichtigkeit gegeben zu haben. Als Junge vom plattdeutschen Land, aus einfachen Verhältnissen stammend, verstand er es, sich in die Menschen und ihre Wünsche hineinversetzen zu können, zu berühren anstatt zu belehren, zu unterhalten anstatt zu unterbrechen (wofür Werbung bis heute – dank Gerald Heinemann zu Unrecht – verpönt ist). Er war im allerbesten Sinne ein Menschenfänger.
Eine Inspiration bis heute
Seine Leidenschaft für gute Werbung hat Gerald Heinemann immer an den "Nachwuchs" weitergegeben, als Geschäftsführer namhafter Agenturen ebenso, wie über zwei Jahrzehnte im Vorstand des Art Directors Club (ADC). Viele der Top-Kreativen, die heute in Führungspositionen sitzen, haben ihr Rüstzeug von ihm erhalten. Othmar "Otti" Severin, langjähriger ADC-Präsident, fasste es einmal so zusammen: "Geralds Ideen, Konzeptionen und Kampagnen haben in Sachen herausragender, innovativer Kreativität stets Meilensteine in die Werbelandschaft gesetzt." Auf diesen (Meilen-)Steinen baut die Branche noch heute.
Nach seinem Ausscheiden bei Scholz & Friends stand Gerald Heinemann noch eineinhalb Jahrzehnte im Rampenlicht der deutschen Werbung. Als CCO von TBWA Deutschland, aber vor allem mit Agenturen, die seinen Namen als Aushängeschild trugen: Menzel Nolte Heinemann, Heinemann Nagel Blöck, EuroRSCG Gietz Heinemann. Ein Kunde blieb ihm dabei immer treu: Sierra Tequila.
Freunde an der langen Tafel
Seit Mitte der 2010er Jahre wurde es nach außen hin stiller um Gerald Heinemann. Mit Abbeyroad + Networks - eine Reminiszenz an seine Wohnadresse in der Abteistraße im schicken Hamburg-Harvestehude - war er zwar immer noch "im Geschäft". Vielmehr genoss er aber seine Rolle als Gastgeber legendärer Abende für alte Weggefährten und neue Kontakte, wahlweise an seinem fünf Meter langen Esstisch ("Stammt von einem Werbedreh aus der Toskana – 200 Jahre alt!") oder in seinem vorgelagerten Gartenidyll.
Dreimal im Jahr zog es ihn für jeweils sechs Wochen auf seine Finca auf Mallorca, die er zusammen mit seinem Freund Jochen Leisewitz – ebenfalls Werbeikone und ehemaliger Lintas-Kreativchef ("Like ice in the sunshine", Langnese) – in den 1990er Jahren erworben hatte. Ganz nebenbei avancierte er zum Facebook-Star ("Das ist mein digitales Tagebuch..."), wo er seine große Leidenschaft, die Fotografie, gepaart mit ebenso humorvollen wie hintergründigen Texten präsentieren konnte. Einmal Menschenfänger, immer Menschenfänger.
Wer Gerald Heinemann kennenlernen durfte, weiß, dass er sein Leben in vollen Zügen gelebt, geliebt und geteilt hat. Leisetreterei war etwas für die anderen – nicht für ihn. Trotzdem ist er Anfang Februar, einen Monat vor seinem 67. Geburtstag, ganz still und leise gegangen. Die (Meilen-)Steine, die er für die deutsche Werbung errichtet hat, bleiben bestehen.
Dennis Reinhardt lebt in Hamburg, wo er mit seinem Partner Alexander Schuller den Weinhandel Hammer Weine betreibt. Reinhardt hat über 20 Jahre Erfahrung als Werber und in namhaften Agenturen gearbeitet. Als Galerist präsentierte er zuletzt einige Jahre lang zeitgenössische Kunst.