Zeitungsverleger der Zukunft: "Wer nicht beißen kann, wird untergehen"
Walterpeter Twer ist nicht gerade der Liebling der Medien-Branche. "Raubfisch vom Rhein" nannte ihn die "taz" vor einigen Jahren. W&V-Autor Reinold Rehberger hat mit Twer über neue Geschäftsmodelle für Zeitungshäuser gesprochen.
Walterpeter Twer ist nicht gerade der Liebling der Medien-Branche. "Raubfisch vom Rhein" titelte die "taz" vor einigen Jahren, als der Verleger der "Rhein-Zeitung" wieder einmal an der Kostenschraube gedreht hatte. W&V-Autor Reinold Rehberger hat mit Twer über neue Geschäftsmodelle für Zeitungshäuser gesprochen.
Herr Twer, das Medium Tageszeitung steckt in einer tiefen Krise. Hören Sie auch schon das Totenglöcklein läuten?
Twer: Das ist viel zu krass ausgedrückt. Es stimmt aber: Die Tageszeitung ist in der Krise, die durch das Internet und andere elektronische Medien ausgelöst wurde, weil Information aus dem Netz nichts kostet - ein Geburtsfehler des gesamten Systems. Wir müssen uns deshalb wandeln – wie jede Branche.
Welche Auswirkungen hat dies für Ihre Zeitungen?
Wir hatten in den vergangenen zehn Jahren drei bis vier Prozent Umsatzeinbußen pro Jahr – das waren rund 30 bis 40 Prozent in dieser Zeit. Das musste natürlich aufgefangen werden. Der Mittelrhein-Verlag hat es getan, indem wir früh genug unumgängliche Entscheidungen getroffen haben, die man vorher nicht treffen musste …
…auf Kosten der Belegschaft, indem Sie weniger Lohn und Gehalt zahlen…
Machen wir uns nichts vor: Für jede Tageszeitung, die unabhängig sein und bleiben will, ist der wirtschaftliche Erfolg unverzichtbar. Wir leben nicht in einem Traumland. Mit anderen Worten: Hätten wir damals diese Kursänderung nicht durchgesetzt, würde unsere Zeitung heute 12 bis 15 Prozent Minus machen.
Nun sind aber die Lohnkosten ein Aspekt…
… bei einer Tageszeitung gerade in einer personalintensiven Flächenregion aber mit der entscheidende. Klipp und klar gesagt: Wenn es einem Zeitungsverlag heute nicht gelingt, die Lohnkosten von früher über 50 auf etwa 35 Prozent herunterzufahren, ist er nicht mehr konkurrenzfähig und gefährdet das Unternehmen.
Was geschieht mit den Medienhäusern, die eine solche Strategie vor lauter Beißhemmung nicht verfolgen?
Die werden untergehen. Jedes Unternehmen muss sich selbst finanzieren. Ich habe um die 20 Unternehmen – nicht nur im klassischen Mediengeschäft – und kann Ihnen versichern: Jedes schreibt schwarze Zahlen.
Wie haben sich Ihre Restrukturierungen, zu denen auch das Ausgliedern wichtiger Verlags- und Redaktionsbereiche gehört, auf die Qualität der Rhein-Zeitung ausgewirkt?
Früher hatten wir 130 Redakteure, dann waren es in mehreren selbstständigen GmbHs 190. Heute haben wir in drei GmbHs 160 Redakteure – die auch nach Einschätzung unserer Mitbewerber die beste Rhein-Zeitung auf den Markt bringen, die es je gab. Von Qualitätsminderung kann keine Rede sein.
Sehen Sie denn außer dem Lohnfaktor noch andere Optimierungspotenziale, um das Überleben der Tageszeitung oder der Medienhäuser zu sichern?
Auch hier gilt das alte Prinzip: Das Bessere ist der Feind des Guten. Wenn Sie sich vor Augen halten, dass Zeitungsverlage einst zwei Drittel des Umsatzes über die Anzeigen generiert haben und es heute gerade noch 40 Prozent sind, muss hier etwas geschehen. Dazu gehören Flexibilität, Innovation, Engagement und Kostenreduktion. Wir haben uns neue Betätigungsfelder gesucht, Verteil-Firmen gegründet, eigene Reisebüros etabliert und durch den Zukauf interessanter Special Interest-Titel wie „Wild und Hund“, „Fisch und Fang“ oder „Deutsche Jagd-Zeitung“ eine zukunftsfähige Basis geschaffen. Für das Medium Tageszeitung glaube ich, dass hier in den nächsten Jahren noch einiges geschehen wird. Die Aktualität wird mit den elektronischen Medien abgedeckt. Aufgabe der Tageszeitung wird sein, über den aktuellen Rahmen hinaus das anzubieten, was die digitalen Medien so nicht bieten können: Einen schnellen Überblick über das Geschehen in Region, Land, Bund und Welt, zudem Nutzwert, Lebenshilfe, Hintergrund. Nicht zu vergessen: Gerade Lokalzeitungen halten eine Region viel mehr zusammen, als es das Internet kann. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es nicht mehr lange dauert und aus der Tageszeitung eine „Tagesillustrierte“ geworden ist. Als Zeitungsverleger sollte man flexibel sein. Es müssen auch nicht mehr über jeden Kirchturm ganze Seiten geschrieben werden.
Und wo sehen Sie das Internet?
Wir machen das neue Medium für unsere Zwecke nutzbar, indem wir zum Beispiel über unsere Domain London.de einen kompletten Service für Leute anbieten, die es in die britische Hauptstadt zieht: Die können hier nicht nur ihren Flug und das Hotel buchen, sondern sich auch gleich das Ticket fürs Wembley Stadion, die Kunstausstellung oder das Kabinett von Madame Tussauds ausdrucken – und stehen dann nicht in der Schlange. In diese Richtung wird die ganze Entwicklung gehen: die Tageszeitung als Mittler von Lebensqualität und Nutzwert. Dass dabei das Internet eine ganz entscheidende Rolle spielt, versteht sich von selbst. Bei Special Interest verhält es ähnlich. Wir erleben gerade bei „Fisch und Fang“ eine außergewöhnliche Auflagensteigerung, weil wir dem Heft jedes Mal eine Daten-CD mit Angler-Tipps beilegen. Und nicht zufällig gehört zu unserer Unternehmensgruppe mittlerweile auch Europas größtes Angler-Reisebüro. Stillstand gibt’s nicht. Sie müssen immer einen gesunden Mix kreieren, und wenn Ihnen das gelingt, haben Sie beste Überlebenschancen. Die "Rhein"-Zeitung und der Mittelrhein-Verlag jedenfalls werden weiter neue Erlösmodelle erschließen, um unser Haus zukunftsfest zu halten.