
Mitarbeiterbeurteilung:
Zalandos internes Rating-System in der Kritik
Bei Zalando müssen die Angestellten sich mit einem internen Rating-System gegenseitig bewerten. Eine Studie hat "Zonar" unter die Lupe genommen und kommt dabei zu einem vernichtenden Urteil. Der Modehändler selbst bezeichnet das Instrument als "fair".

Foto: Zalando
Von der Produktqualität über die Kaufabwicklung bis hin zum Versand - die abschließende Bewertung einer Transaktion ist im Online-Handel bereits gang und gäbe. Warum nicht so ein bewährtes System auch auf andere Bereiche übertragen? Das scheint sich zumindest Zalando gefragt zu haben: Seit einiger Zeit lässt der in Berlin ansässige Modehändler seine Beschäftigten die eigenen Kollegen beurteilen. Mit mäßigem Erfolg, wie eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung nun ergab und über die die Süddeutsche Zeitung erstmals berichtete: In der Belegschaft sorgt das interne Rating- und Scoringsystem "Zonar" vor allem für Stress und Frust. Die Gewerkschaft Verdi kritisiert, dass die Software Zonar das Betriebsklima belaste und dazu führe, dass Leistung permanent kontrolliert und Löhne willkürlich festgelegt würden.
In der Tat erinnert Zonar an die Produkt- und Konsumenten-Ratings aus dem Internet - nur dass es eben zur Kontrolle der Belegschaft eingesetzt wird. Dabei nominieren Mitarbeitern zweimal im Jahr bis zu acht Kollegen, mit denen sie enger zusammenarbeiten und deren Stärken und Schwächen sie bewerten. Allerdings dürfen Führungskräfte bei der Auswahl ein Wörtchen mitreden.
Zalando selbst sieht das System, das rund 2000 Beschäftigte betrifft, als Möglichkeit für "wertschätzendes und konstruktives Feedback aus mehreren Quellen", wie es im Geschäftsbericht heißt. Die Studie sei nicht repräsentativ und enthalte Fehler. "Bei Zalando ist Transparenz und eine offene Feedbackkultur seit jeher gelebte Realität", betonte das Unternehmen. Nach Unternehmensangaben nutzen 5000 der 14 000 Beschäftigten Zonar. Datenschutzrechtliche Anforderungen würden dabei eingehalten.
Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger sagte, digital gestützte Leistungskontrolle in Unternehmen wie Zalando münde für die Beschäftigten in Überwachung, Druck und Arbeitshetze. "Sie sind intransparent, setzen die Beschäftigten in permanente Konkurrenz zueinander, missachten den Datenschutz und dienen dem Unternehmen als billige Ausrede, warum man keine Tarifverträge abschließen will."
In der Belegschaft erzeugt Zonar in erster Linie ein Gefühl der Überwachung, wie die Studie ergab. Diese basiert vor allem auf anonymisierten Gesprächen mit Zalando-Mitarbeitern. Und demnach fühlten sich einige Befragte bei dem Bewertungssystem sogar an "Stasi-Methoden" erinnert. Im Prinzip werde jeder angehalten, permanent Aufzeichnungen zum Verhalten der Kollegen anzufertigen, stellen die beiden Studien-Autoren Philipp Staab und Sascha-Christopher Geschke fest. Das setze besonders befristete Angestellte, die um ihren Arbeitsplatz fürchteten, unter Stress.
Zudem nutze der Konzern die Ergebnisse dafür, die Löhne zu drücken - zumal deren Objektivität laut der Studie fraglich sei: So handele es sich bei Zonar "um ein methodisch hochgradig vorstrukturiertes Bewertungssystem", "das aufgrund seiner Konstruktion gar keine anderen Ergebnisse produzieren kann als jene, die ihm von Managementseite vorab zugedacht sind."
Dabei stellen die beiden Forscher auch die Betriebswirtschaftlichkeit von Zonar infrage: "Das System ist mit hohem Aufwand verbunden und erzeugt zahlreiche nicht intendierte Effekte wie eine Verschlechterung des Betriebsklimas, Stress und psychologische Belastungen auf Seiten der Beschäftigten, Bummelstreiks und andere Praktiken des verdeckten Widerstandes sowie das willentliche Ausscheiden einzelner Arbeitnehmer_innen aus dem Unternehmen." Zu guter Letzt äußern die Autoren ihre "Zweifel an der Legalität des Systems", "insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes".
Zalando beteiligte sich nicht an der Studie. Vor Beginn sei eine mangelnde Neutralität zu erkennen gewesen, hieß es zur Begründung.
Mittlerweile hat Zalando auf die Studie und deren Resonanz in der Presse reagiert, sowohl via Twitter als auch ausführlicher auf der Homepage. "Unser Statement zur Hans-Böckler-Studie: Bei Zalando holen sich Mitarbeiter und Vorgesetzte 2x im Jahr Feedback ein - von Mitarbeitern und Vorgesetzten. Das ist fairer und umfassender, als wenn nur der direkte Vorgesetzter allein über die Karriere entscheidet", schreibt das Unternehmen auf Twitter: