Satire-Streit:
ZDF-Redakteure wollen Böhmermanns "Schmähgedicht" zurück
Der Redakteursausschuss ist unzufrieden mit der Löschung von Jan Böhmermanns umstrittener Erdogan-Satire. Das ZDF lehnt aber eine Wiederaufnahme in die Mediathek ab.
Der Redakteursausschuss des ZDF ist unzufrieden mit der Löschung von Jan Böhmermanns umstrittener Erdogan-Satire. Der Sender lehnt aber eine Wiederaufnahme in die Mediathek ab. Wie der "Spiegel" berichtete, ließ das Redakteursgremium am Donnerstagmorgen über die Hauspost einen Brief in der ZDF-Zentrale verteilen.
"Wir würden es begrüßen, wenn die 'Schmähkritik' vom Giftschrank wieder in die Mediathek gestellt wird. Als Dokument der Zeitgeschichte", zitiert der "Spiegel" aus dem Schreiben. Nicht nur bei Böhmermann, auch in der "Heute-Show", der "Anstalt" oder bei "Toll" ("Frontal 21") - würden Politiker notorisch so hart angegangen, dass sie sich beleidigt fühlen könnten.
Die Redaktionsvertreter wünschen sich eine Diskussion mit den Verantwortlichen des Hauses, so der "Spiegel". Denn der Fall Böhmermann habe zu Verunsicherung bei den Programmmachern geführt.
Ein Sprecher des ZDF teilte auf Anfrage von W&V mit: "Es ist das gute Recht des Redakteursausschusses diese Meinung zu vertreten. Das ZDF bleibt aber bei seiner Entscheidung, das umstrittene 'Schmähgedicht' nicht mehr zu verbreiten, weil die Passage nicht den Qualitätsansprüchen und Regularien des ZDF entspricht." Das hatte auch Intendant Thomas Bellut schon in einem Video des ZDF am Dienstag klargestellt.
Unabhängig davon sieht das ZDF keinen Rechtsverstoß: Das ZDF hat heute von der durch die Staatsanwaltschaft Mainz eingeräumten Möglichkeit einer Stellungnahme in dem Ermittlungsverfahren gegen Jan Böhmermann Gebrauch gemacht. Die Anwälte des Senders kommen zu dem Ergebnis, dass die in Rede stehende Sequenz einschließlich des so genannten "Schmähgedichts" rechtlich zulässig war und daher die Grenzen zur Strafbarkeit nicht überschritten worden sind.
Jan Böhmermann ließ derweil mitteilen, er werde im Streit um das Erdogan-Gedicht keine Unterlassungserklärung abgeben. Böhmermanns Anwalt Christian Schertz bestätigte am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur einen entsprechenden Bericht des Onlineportals der "Süddeutschen Zeitung". Er habe Erdogans Anwälten mitgeteilt, es sei "offensichtlich übersehen worden, dass das Gedicht nicht solitär verbreitet wurde, sondern in einer Gesamtdarstellung über das, was in Deutschland erlaubt ist und was nicht".
Die Bundesregierung hat über den förmlichen Wunsch der Türkei nach Strafverfolgung des TV-Moderators Jan Böhmermann immer noch nicht entschieden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Donnerstag in Berlin: "Die Beratungen dauern an. Und wir informieren sie, wenn sie beendet sind." Einen Termin nannte sie nicht.
Und was sagt das Volk? 68 Prozent der Deutschen sind der Meinung, dass die Bundeskanzlerin aus politischen Gründen zu viel Rücksicht auf Erdogan nimmt: Der Sender N24 hat eine Emnid-Umfrage in der Bevölkerung durchgeführt. Demnach fordern 82 Prozent der Deutschen, die Bundesregierung solle die Staatsanwaltschaft nicht zu Ermittlungen gegen Böhmermann nach Paragraf 103 ermächtigen. Ebenso viele lehnen jede gerichtliche Bestrafung Böhmermanns ab. Nur sieben Prozent der Befragten sind für eine Bestrafung. Insgesamt finden 49 Prozent der Deutschen, dass Böhmermann mit seinem Schmähgedicht noch im "vertretbaren Rahmen" geblieben ist. 28 Prozent der Befragten finden, der Moderator sei zu weit gegangen. (sh/dpa)