Wulff auf Twitter: "Jetzt hat er noch ne knappe Stunde, sich das Silberbesteck in die Klamotten zu nähen"
Der Rücktritt von Christian Wulff ließ die Twitter-Gemeinde heute zu Hochform auflaufen. Hunderte Tweets geben Einblick in die Gemütslage der Social-Media-Nation. Eine Auswahl.
Kaum waren die ersten Gerüchte über den Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff im Umlauf, lief sich auch schon die Twittergemeinde warm. Unter dem Hashtag #wulff wurde gelästert, gewitzelt, gemutmaßt und gefeiert - innerhalb kürzester Zeit liefen tausende von Tweets zum Thema des Tages auf. W&V Online hat kurz vor dem Rücktritt und danach ein paar davon dokumentiert. Einblicke in die Gemütslage der Social-Media Nation.
Twitter-User Schrotti ahnt schon, was passieren wird: "Und wenn noch jemand seine Omi grüßen möchte, dann sollte er es besser jetzt tun. In einer halben Stunde wird Twitter wohl zusammenbrechen." Zusammengebrochen ist es zwar nicht, aber ziemlich vollgelaufen, was Christoph Bieber zu der Annahme verleitet: "Dieser ganze Trubel um #Wulff ist doch nur eine Inszenierung von Twitter, damit endlich die Nutzerzahlen in Deutschland steigen." Auch Daniel Große sieht Twitter als großen Gewinner: "Facebookseiten-Betreuer können dann erstmal bis morgen Feierabend machen. Andere Themen als #wulff haben es heute schwer."
Da sollte er Recht behalten. Schon vor dem eigentlichen Rücktritt war man sich größtenteils einig, dass dieser erfolgen wird und längst überfällig ist, so prophezeite nicht nur Klaus Eck: "Ab 11.11 Uhr ist es amtlich: ein Fasching ohne Wulff.". Auch Holger Schneider ist sich sicher: "Fliege jetzt nach Düsseldorf, wenn ich lande, bin ich präsidentenlos". Anne Alter spricht offenbar vielen aus der Seele. "Ich möchte keinen Bundespräsidenten, der Schnäppchenjäger der Nation genannt wird." Der Abbruch der Italienreise von Merkel liefert Vesna Gudlin den entscheidenden Hinweis: "Man fährt doch nicht freiwillig NICHT nach Italien. Auf großburgwedelisch: tschüss." Die Rolle von Merkel fasst Philipp H so zusammen: "Der Männerverschleiß von Merkel ist höher als der Frauenverschleiß von Schröder und Fischer zusammen."
Viele Tweets widmen sich den Korruptionsvorwürfen. Moritz Siebenstein unkt: "Wenn Wulff das Handtuch wirft, hat es einen Werbeaufdruck „Hotel Stadt Hamburg“. DerFreund schlägt vor: "Jetzt hat er noch ne knappe Stunde, sich das Silberbesteck in die Klamotten zu nähen.". Von der Berlinale wird getwittert: "Es wäre mir peinlich, wenn Herr Wulff mich nach Freikarten für meinen neuen Film fragt."
Wolfskatze macht sich schon Gedanken über Wulffs berufliche Zukunft: "Wulff wird sich finanziell kaum verschlechtern. Mit dem Adressbuch kriegt er sofort einen gut bezahlten Beraterposten in der Lobbytruppe." Einen anderen Vorschlag hat Thomas Boley: "Wulff hat schon ein Job Angebot von Groupon – mit Schnäppchen hat er ja Erfahrung." Und B. Mat fasst zusammen:"Wulff kann sagen, was er will. Alle schauen nur auf seine Nase."
Auch Anspielungen auf den Rücktritt des Duisburger Oberbürgermeisters Sauerland und Karl Theodor zu Guttenberg machen die Runde: "Die Leute, die den Bundespräsidenten jetzt noch verteidigen, nennen Guttenberg auch noch Doktor", twittert Stefan. Mönki glaubt: "Der macht jetzt einfach den Guttenberg: halbes Jahr ins Ausland, dann wiederkommen als Vorsitzender des Korruptionsausschuss." Dafür hat Besseres-hannover schon einen Vorschlag für einen Nachfolger: "Wird KT zu Guttenberg heute Bundespräsident? Qualifiziert dafür ist er ja..."
Viele Namen für potenzielle Nachfolger schwirren jetzt durchs Netz. Joachim Gauck, Rita Süssmuth, Schäuble, auch Interims-Präsident Horst Seehofer wird nicht geschont: "Seehofer sitzt bereits mit hochrotem Kopf am Aktenvernichter, wie ich höre", schreibt J.Z. Selbst Markus Lanz wird ins Rennen geschickt. Jung-von-Matt-Manager Raphael Brinkert glaubt zu wissen: "Lanz sagt Wetten, dass.. ab. Es gibt jetzt Wichtigeres zu tun!"
Als sich die Mutmaßungen der Medien überschlagen, fragt Till ironisch:" Kreise sprechen also von einem Rücktritt. Doch was sagen die Quadrate, Dreiecke und Hexagone dazu?" Auch Kurt Warner zeigt sich amüsiert über den Hype der Live-Berichterstattung: "Und wenn die weiße Tür gleich aufgeht, sieht man kurz das ferne Land von Narnia." Die Rolle der Medien und insbesondere der "Bild"-Zeitung ist ein großes Thema. Schorsch twittert: "Man mag von Wulff halten, was man möchte, doch der Rücktritt zeigt eines: Die Macht der Medien ist groß wie nie." Thomas Belser ätzt ganz besonders: "Glückwunsch, Bild: Jetzt hat die von euch ins Leben gerufene mediale Hetzkampagne ihr Ziel erreicht...." Auch User Markus ist kein Fan der "Bild"-Zeitung: "Gibt es in der Redaktion der Blödzeitung jetzt eigentlich Kaviar und Sekt zum Mittag zur Feier des Tages?" GriZz sieht den Schwarzen Peter eher woanders: "Eine Schande für Deutschland, dass durch die Medienhetze von BILD schon wieder ein BuPrä wegen einer solchen Banalität zurücktritt". Und TV Wahnsinn hat dazu noch eine Frage: "Bundespräsident Wulff wird gleich seinen Rücktritt erklären. Ob er wohl in einem Jahr als Polit-Kolumnist für die Bild arbeitet?"
Agentur Koob fasst die Geschehnisse der letzten Wochen so zusammen: "Weidwund geschossen von den Medien. Todesstoß durch die Staatsanwaltschaft." Was "Welt"-Mann Frank Schmiechen ironisch so beschreibt: "Unfassbar, dass sich jetzt auch die Staatsanwaltschaft Hannover dieser voll fiesen Medienkampagne anschließt." Andere machen sich derweil Sorgen um die Medien: "Tritt Jauch jetzt auch zurück, weil er nun kein Thema mehr für seine Sendung hat?“ meint Lars Meier und Mirko legt nach: "Ohje, wenn Wulff zurücktritt, was machen denn dann die Medien? Besser für die Auflagen wär’s, wenn er es aussitzt."
Auch die Nähe zum Karneval liefert eine perfekte Vorlage, so erklärt Mylady Lautstark: "Und der Preis für die beste Büttenrede geht jetzt schon an Wulff", während Jannis Kucharz twittert: "Nach dem Rücktritt von Christian Wulff tanzen die Menschen hier in Mainz verkleidet durch die Straßen." Tobias M. Eckrich sorgt sich wie viele andere um die Karnevalsumzüge. "Es zeigt mal wieder, wie Ich-bezogen der Wulff ist. Jetzt müssen tausende Rosenmontags-Wagen umgebaut werden, innerhalb von 50 Stunden."
Nur wenige legen sich für Wulff ins Zeug: Tweets wie die von Francis sind rar: "habt ihr alle nichts besser zu tun, als den wulff so nieder zu machen? ich schäme mich." Während der ZDF-Reporter Wulff als "gebrochenen Mann" beschreibt, versucht sich Rishu in ihn hineinzuversetzen: "Ich stelle mir das als einen sehr schwierigen Gang vor."
Die meisten jedoch machen keinen Hehl aus ihrer Genugtuung und beschreiben, wie sie den Rücktrittsmoment feiern werden: "TV an, Fruit Loops bereit, ich bin gespannt!" oder auch „ich weiß ja nicht, ob Leberwurstbrötchen und solche mit Lachsersatz und Zwiebeln dem Fest gerecht werden. Egal, gefeiert wird!"
Die Rede selbst macht keinen großen Eindruck, im Gegenteil. "Er hat alles richtig gemacht und wir alle haben ihn verletzt?", wundert sich Fraustadträtin. Marc Henklein schreibt wie viele andere: " Halt auch mal die schuld auf andere schieben dürfen – auch noch ganz zum Schluss". Ansonsten viel "na endlich" und "es hat sich ausgewulfft".
Nach dem Rücktritt machen sich viele Gedanken über das politische Amt. Zum Beispiel Bov bjerg: "Die Halbwertszeit von Bundespräsidenten ist mittlerweile so gering, dass man mit ihnen auch ein Öko-AKW betreiben könnte." Stefan fragt: "haben wir damit einen neuen Rekord? Ich mein sowas wie „die meisten Staatspräsidenten Rücktritte in kürzester Zeit“. Esistangerichtet philosophiert: "Man setzt sich an den Fluss und wartet, dass die Leichen seiner Bundespräsidenten vorbeiziehen." Und Alexander Sander fragt ganz pragmatisch: "Wer eröffnet dann eigentlich am Mittwoch die Gartenhallen des Städel Museums?"
Wie schnell die Twittergemeinde weiterzieht, zeigen solche Tweets: "Können wir jetzt hier wieder auf Merkel, WeWe, Fipsi Rösler und den anderen rumkloppen?" fragt Esistangerichtet. Auch Peter Leinen sieht nach vorne: "OK. Hat schon etwas Spass gemacht. Aber mir wird auch langsam wieder langweilig. Wen kicken wir als nächstes aus nem Amt?"
Ziemlich nüchtern betrachtet dagegen Schumacher Media die ganze Aufregung: "Der Rücktritt ändert gar nichts, das politische System ist dadurch keinen Deut besser geworden."