
Shopper Marketing:
Wie der Handel die sommerliche Kauflaune nutzen kann
Markenartikler und Händler, die um die wetterbedingten Kauflaunen des Shoppers wissen, können sich diese Erkenntnisse zu Nutze machen. Wie - das erklärt Darijusch Faseli, Director Shopper Marketing Strategy bei Leo Burnett, in einem Gastbeitrag für W&V Online. Inklusive Tipps für "Wetter-Targeting" im stationären Handel und erfolgreiches Flirten.
Der Getränkehändler um die Ecke freut sich, weil die frühsommerlichen Temperaturen seinen Absatz schon früh im Jahr nach oben schnellen ließen. Denn: Wer friert, hat offenbar weniger Durst. Ist es so einfach? Scheint die Sonne, scheint der Umsatz? Führen die sommerlichen Temperaturen auch in anderen Segmenten zu einer steigenden Kauflaune? Ob und inwiefern das Wetter Einfluss auf das menschliche Kaufverhalten hat und wie der Handel dies für sich nutzen kann, beschreibt Darijusch Faseli, Director Shopper Marketing Strategy bei Leo Burnett, in einem Gastbeitrag für W&V Online.
Bereits 400 Jahre v. Chr. beobachtete Hippokrates den enormen Einfluss des Wetters auf den menschlichen Körper. Er stellte unter anderem fest, dass Schmerzen Wetteränderungen ankündigen können. Ob Wetteränderungen allerdings auch schmerzhaften Einfluss auf den Umsatz im Einzelhandel nehmen oder doch eher Umsatzschmerzen lindern können, war damals natürlich noch nicht Gegenstand seiner Forschung.
Heute zeigt sich, dass bei steigenden Temperaturen im Frühjahr auch der Absatz steigt – zumindest wenn es um Eis oder Sonnenbrillen geht. Dass die Umsätze für Scheibenfrostschutzmittel im selben Zeitraum dagegen einbrechen, scheint auch wenig verwunderlich. Modehändler müssen in wärmeren Wintern viel früher ihre Winterware rabattieren, um ihre Lager rechtzeitig abverkaufen zu können. Viele Produktkategorien haben also bereits per se einen sehr starken saisonalen und funktionalen Nutzen. So weit, so logisch.
Aber wirken sich die ersten warmen Sonnenstrahlen auch grundsätzlich auf unsere Psyche und unser (Kauf-)Verhalten aus? Der renommierte Sozial- und Verhaltenspsychologe Nicolas Guéguen von der Universität de Bretagne-Sud ging dieser Frage mithilfe eines Experiments nach: Er gab jungen, attraktiven Männern die Aufgabe, Frauen auf der Straße anzusprechen und nach ihrer Telefonnummer zu fragen. Bei strahlend blauem Himmel lag die Erfolgsquote bei 22 Prozent, bei bewölktem Himmel bei lediglich 14 Prozent. Die Kraft der Sonne belebt also unsere Sinne und verbessert unsere Gemütslage. Auch andere Untersuchungen zeigen, dass beispielsweise Kellnerinnen bei strahlendem Sonnenschein mehr Trinkgeld erhalten.
Überträgt man diese Beobachtung auf die grundsätzliche Kaufbereitschaft der Menschen, lässt sich daraus schließen, dass der stationäre Handel und die Industrie von diesen „Frühlingsgefühlen“ und dem daraus resultierenden Verhalten enorm profitieren könnten – sofern sie dieses Verhalten auch gezielt adressieren.
Genau das ist die Aufgabe eines jeden Shopper Marketers: Menschliches Verhalten zu verstehen und darauf punktgenau abgestimmte Marketinglösungen und -botschaften zu generieren, mit dem Ziel, für Handel und Industrie mehr Umsatz zu erzeugen.
Dabei kann der stationäre Handel vom Online Handel lernen. Denn im E-Commerce gibt es bereits Dienstleister, die sogenanntes „Wetter Targeting“ betreiben, also abhängig vom aktuellen, lokalen Wetter-Kampagnenmotive und –botschaften optimieren und aussteuern. Für Online-Händler liegt der Vorteil auf der Hand: Je nach Wetterlage fokussieren und bewerben sie bestimmte Sortimente und Produkte, um so eine möglichst hohe Relevanz zu schaffen.
Dem stationären Handel sind dagegen oftmals noch die Hände gebunden: Kommunikationsflächen wie Display- und Regalsysteme sind statisch, Instore-Werbemittel oder auch die im Handel beliebten Flyer und Broschüren müssen oft mit langem Vorlauf produziert werden. Kurzfristige Änderungen bedürfen eines hohen personellen und finanziellen Mehraufwands und lassen sich selbst dann nicht „wetteraktuell“ bzw. ad hoc ändern.
Allerdings könnten die neuesten Entwicklungen im Bereich Digital Signage für den stationären Bereich Abhilfe schaffen. Diese mittlerweile auch optisch ansprechenden Systeme ermöglichen eine zielgenaue Ansprache des Shoppers. Was im Web schon lange Usus ist, wird somit an den PoS gebracht. Mit dem Vorteil, dass der Shopper im Laden zusätzlich die Produkte anfassen und erleben kann. Händler können über diese teils interaktiven Displays beispielsweise mittels UMTS lokale Wettervorhersagen berücksichtigen und ihre Kommunikationsbotschaften in Echtzeit aussteuern. So würde dem Shopper beispielsweise in einem Uhrengeschäft dasselbe Produkt bei Sonnenschein in einem anderen Kontext präsentiert als bei Regen oder Schnee. Darüber hinaus könnten Faktoren wie die Tageszeit oder der Wochentag beachtet werden. Und bei interaktiven Anwendungen mit Login-Funktion in Verbindung mit einem CRM-Programm könnten Händler ihre Kommunikationsbotschaften am POS sogar individualisieren.
Gleich, ob sonnig und warm oder kalt und regnerisch: Händlern, die sowohl im stationären Handel als auch im E-Commerce aktiv sind, bietet sich das größte Potenzial: Bei Sonnenschein generieren Multichannel-Anbieter ihr Geschäft größtenteils in den Einkaufszonen der Städte. Bei Regen hingegen kommt der Umsatz vermehrt durch Online- oder gar Mobile-Shopping. Markenartikler und Händler, die um diese wetterbedingten Kauflaunen des Shoppers wissen, können sich diese Erkenntnisse zu Nutze machen: Shoppermarketing-Expertise und CRM-Maßnahmen helfen dabei, den Shopper kennenzulernen, zu verstehen und auf seine Bedürfnisse zu reagieren: Mit dem richtigen Angebot für das entsprechende Wetter über den entsprechenden Kanal erreichen Händler den Shopper zu jeder Zeit und völlig wetterunabhängig.
Fazit: Die Zeiten, in denen Händler das Produkt ins Regal stellten und abwarteten, sind Geschichte. Heute erwartet der Shopper deutlich mehr vom stationären Handel. Genau hier verbirgt sich großes Potenzial – und Handlungsbedarf. Wer zukünftig bestehen will, muss sich jetzt der Herausforderung stellen und mit Shoppermarketing Know-how das menschliche Verhalten noch besser adressieren als bisher. Sonne und sommerliche Temperaturen erfreuen Händler und Industrie dann umso mehr.