Late-Night-Show:
Wie John Oliver die Brexit-Gegner mobilisiert
Der britische Moderator schreckt vor anspruchsvollen Aufgaben nicht zurück: Jede Woche erklärt John Oliver den Amerikanern in seiner Late-Night-Show "Last Week Tonight" komplexe Themen. Diesmal warnt er sehr emotional seine Landsleute vor dem Brexit.
Der britische Moderator schreckt vor anspruchsvollen Aufgaben nicht zurück: Jede Woche erklärt John Oliver den Amerikanern in seiner Late-Night-Show "Last Week Tonight" komplexe Themen. Der Jan Böhmermann im US-Fernsehen legte schon 2014 anlässlich der Fußball-WM sehr dezidiert die Probleme der Fifa dar. Nun hat er sich eines weiteren Themas angenommen, das ihm als Briten deutlich näher liegen dürfte als den meisten US-Amerikanern. In der Sendung vom 19. Juni geht es um den Brexit. Am 23. Juni werden die Briten darüber abstimmen, ob ihr Staat in der EU bleiben soll oder nicht. Oliver erklärt den Amerikanern, dass der Brexit, so weit weg er sein mag, auch wirtschaftliche Auswirkungen jenseits Europas haben werde.
Oliver setzt sich flammend für den Verbleib Großbritanniens in der EU ein und bittet seine Landsleute, von denen viele Olivers Videos auf Youtube sehen, gegen den Brexit zu stimmen. Er hat gute Argumente, teilt gewohnt saftig aus - und die EU selbst kommt auch nicht nur gut weg.
"Die EU ist nicht perfekt", sagt Oliver und vergleicht sie mit Gerard Depardieu: sperriger europäischer Körper und Ursache großer Verwirrung. Da ein Ausscheiden Großbritanniens destabilisierend auf Europa wirken würde, solle man meinen, so John Oliver weiter, die Brexit-Befürworter hätten gute Argumente. Doch nein: So seien schon die Zahlen falsch, die der frühere Londoner Bürgermeister Boris Johnson so gern präsentiere. Nicht 350 Millionen Pfund wöchentlich gingen aus Großbritannien an Brüssel, sondern 190 Millionen, rechne man ein, was zurückfließe. Und die müssten die Briten wohl mindestens aufwenden, um weiter an den europäischen Märkten teilhaben zu können. Oliver nimmt auch die Kritik an der zu hohen Zahl an EU-Regelungen aufs Korn, die in Imagefilmen der EU-Gegner schlicht auf schlampiger Recherche basierten.
Oliver führt dagegen eine lange Liste prominenter Politiker und Wirtschaftsorganisationen ins Feld, die sich für den Verbleib der Briten in der EU aussprechen, und sogar der österreichische Parlamentarier Eugen Freund wird mit seinem Anti-Brexit-Gedicht in Olivers Show zitiert. Von der Liste der Brexit-Anhänger nimmt sich Oliver einige vor, insbesondere der Partei Ukip, und entlarvt sie als dumme Rassisten. Und selbst die argumentieren falsch: Oliver stellt klar, dass sie auch beim Flüchtlingsproblem ohne die EU nicht besser fahren und nicht automatisch alle Ausländer loswerden.
Die EU mache es einem nicht leicht, sie zu lieben, resümiert John Oliver und belegt das mit einem bekloppten Video zur EU-Hymne "Freude schöner Götterfunken". Und doch: "Die EU ist eine komplizierte, bürokratische, ambitionierte, anmaßende, inspirierende und immerzu verwirrende Institution. Und Großbritannien wäre total verrückt, sie zu verlassen. Besonders weil es, wenn es bleibt, von allen Vorteilen profitieren und sich dabei trotzdem wie ein Arschloch aufführen dürfte. Und das ist die britische Art!"
Anstelle des Austritts legt Oliver einen eigenen Song zur Hymne vor, der ein Arschritt für die EU sei und trotzdem ausdrücke, wie verloren Großbritannien ohne die EU wäre.
Das Video aus der Show hat, wie so viele John-Oliver-Clips, das Potenzial, im Web durch die Decke zu gehen. Vielleicht sammelt es dabei auch ein paar Klicks in Großbritannien.