
100-Tage-Bilanz:
Wie Initiative Media in die Top 5 vorstoßen will
Die Hamburger Mediaagentur Initiative hat seit Oktober 2016 einen neuen Chef. Christian Scholz verfolgt ehrgeizige Pläne. Mit lokalem und internationalem Neugeschäft soll die Firma innerhalb der kommenden fünf Jahre ihren Umsatz verdoppeln und in die Top 5 der Recma-Agenturen vordringen.

Foto: Initiative
Viereinhalb Monate ist Christian Scholz jetzt im Amt. Viereinhalb Monate, in denen der neue Agenturchef vor allem zugehört hat, seinen Mitarbeitern, Kunden und Kollegen. "Die Bestandsaufnahme ist abgeschlossen", sagt der Chief Executive Officer von Initiative Media in Hamburg. Er will loslegen. Die Mediaagentur, die zu IPG Mediabrands gehört wie Universal McCann und BPN, will er innerhalb von fünf Jahren in die Top 5 führen. Das ist ambitioniert, denn noch belegt die Agentur im deutschen Recma-Ranking der Mediaagenturen Rang 10.
So hell wie die Sonne über dem Hafenbecken hier in der Hongkongstraße soll die Marke Initiative Media bald wieder scheinen. In der Hamburger Hafencity hat die Agentur den ganzen vierten Stock in Nummer 10 belegt; von seinem Büro aus blickt Christian Scholz Richtung Elbphilharmonie. Schön hier, Zeit zum Entspannen aber hat der Neue nicht.
Das hat viel mit Henry Tajer zu tun, dem Holding-Boss. Der Australier hatte vor einigen Monaten die Parole ausgegeben, den Umsatz von Initiative Media in den kommenden fünf Jahren weltweit verdoppeln zu wollen. Scholz muss seinen Beitrag dafür leisten, schließlich ist Deutschland der viertgrößte Werbemarkt global.
Dabei hat sich Initiative Media in den vergangenen Jahren nicht schlecht entwickelt. Unter Scholz‘ Vorgängern Thorsten Schulz und Mathias Glatter eroberte sich die Agentur ihren Platz unter den ersten Zehn der Recma zurück, weil sie etliche Etats ausweiten oder neu für sich gewinnen konnte. Initiative betreut neben Amazon, dem größten Kunden, auch Unternehmen wie Reckitt Benckiser und Stada Arzneimittel. Das Billingvolumen für 2015 lag laut Recma bei 780 Mio. Euro, 2014 waren es noch 620 Millionen. Das ist gut. Allein: Wofür die Marke Initiative steht, was sie ausmacht, was es Kunden konkret nutzt, von den 200 Initiative-Leuten betreut zu werden – wusste niemand so genau. Deshalb will Scholz ab sofort offensiver auftreten. "Wir müssen vielleicht die hanseatische Zurückhaltung etwas ablegen", sagt er.
Christian Scholz will dafür die Aufbruchstimmung nutzen, die seine Neubesetzung unter den Kollegen ausgelöst hat, und die Marke Initiative neu beleben. Das Erscheinungsbild haben sie schon global überarbeitet. Der Schriftzug der Agentur sieht jetzt ein bisschen aus wie eine Eis- oder Kinoreklame aus den 50er Jahren, das ist schick. Aber es reicht natürlich nicht. "Wir müssen den Menschen klar machen, was Initiative Media ausmacht." Und wofür steht Initiative Media? Da muss Christian Scholz erstmal nachdenken. Nicht so einfach, das in einen griffigen Satz zu fassen. Die Kunden sind total zufrieden, sagt er, die Mitarbeiter glücklich, Tools und System seien auf der Höhe, die Preise wettbewerbsfähig – die Substanz stimmt. "Und wir sind deutlich agiler als andere", sagt Scholz. Aber sind das nicht alle Agenturen irgendwie? "Initiative muss die Mediaagentur sein, die ihren Kunden für ihre Arbeit die richtige Entscheidungsgrundlage liefert", sagt Scholz schließlich. Eine Berateragentur quasi. Das will er herausarbeiten.
Full Service mit Chefbetreuung
Scholz ist ein angenehmer Typ, leger in Jeans und Sakko gekleidet, mit Kinn- und Unterlippenbart und einem Schnauzer, der aus der Ferne wie ein Menjou-Bärtchen aussieht. Er wirkt deshalb ein bisschen wie ein Dandy, nur der Hut fehlt. Christian Scholz spricht frei, seine Pressefrau lässt ihn gewähren im Gespräch mit der W&V. Der neue Job reizt ihn, obwohl er sehr unter Druck stehen muss.
Initiatives neuer Chef muss nun die Geschichte seiner Agentur neu erzählen, abseits der Zahlen & Fakten, der Leistungs- und Preislisten, KPIs und GRPs. Und da gibt sich Scholz erfindungsreich. Mediacom mag die größte unter allen Mediaagenturen sein, sagt er, Pilot als die digitalste wahrgenommen werden. "Wir aber sind eine Challenger Brand, eine gute Mischung aus inhabergeführter und Networkagentur - weil wir gerade groß genug sind." Gerade groß genug – das heißt: Klein genug, um dem Kunden Chefbetreuung, groß genug, um Full-Service bieten zu können. Auch wenn Initiative dafür auf die Spezialisten der Gruppe zurückgreifen und so manches wie Data- und Digitalknowhow noch zukaufen wird.
Initiative Media verkauft von der Marketingberatung über Planung, Werbewirkungsmessung bis hin zu Social Media und Kreation so ziemlich alles, was eine Mediaagentur so im Portfolio hat. Wobei wie gesagt: Spezialwissen wie Targeting (Mediabrands Audience Plattform), Trading (Orion) und Data (Decision Sciences) kommt aus der Gruppe. Den Einkauf übernimmt Magna Global, das Gemeinschaftsunternehmen, das IPG Mediabrands mit Mediaplus betreibt. Fallweise sucht Initiative die Nähe zu den Kreativ- und PR-Agenturen der Holding.
Einheit von Einkauf und Planung
Anders als sein Vorgänger Thorsten Schulz steht Scholz für die Einheit von Einkauf und Planung. Der hatte noch vor fünf Jahren in einem Interview die Erwartung geäußert, "dass in den kommenden Jahren immer mehr Firmen die Beratung und den Einkauf im Mediabereich trennen werden, um sicherzustellen, dass der Einkauf der Strategie folgt und nicht umgekehrt". Damals war Initiative mit der Eroberung des Planungs-Etats von Reckitt Benckiser ein Scoup gelungen. Die Positionierung als Planungskorrektiv ist jedoch inzwischen passé. "Wie sonst wollen sie Marken integriert führen, wenn sie den Einkauf nicht mitmachen", fragt Scholz heute. Anbieterorientierte Kommunikationsmodelle wie der Sales Funnel und Aida seien zwar nicht tot, aber komplexer, weil heute der Kundennutzen stärker im Fokus stehe. "Reichweite und Performance müssen Sie eng miteinander verzahnen."
Für den Großkunden Reckitt Benckiser verantwortet Initiative inzwischen sowohl taktische Planung wie Einkauf für die klassischen Kanäle in Deutschland. Aber der Konzern setzt nach wie vor auf Gewaltenteilung: Dentsu-Aegis ist die strategische Lead-Agentur für Europa und Nordamerika. Der gesamt Digital-Etat wird von Plan-Net betreut.
Sonst aber will der Neue nicht viel verändern. Er plant bei Initiative eher eine Evolution denn Revolution. Was er vorfand, war ja gut aus seiner Sicht. "Die Weiterempfehlungsrate für unsere Agentur liegt bei 80 Prozent der befragten Topentscheider", sagt er und zitiert eine hausinterne Studie zur Kundenzufriedenheit. Es stimmt ja. Die Agentur wuchs zuletzt unbemerkt vor sich hin. Im vierten Quartal 2016 sind etliche Etats hinzukommen von Campanda, Danfoss, Humana, Rusta und TePe. Viele kleinere, nationale Kunden, die aber auch zeigen, wie breit aufgestellt Initiative Media ist. Den Erfolg hat man still genossen. "Hanseatisch-zurückhaltend" wie gesagt, aber womöglich ist das auch ein bisschen zu wenig in einer Branche, die von der aggressiven Verkaufe lebt.
Christian Scholz kann gut verkaufen, seine Agentur wie sich selbst. Und: Geschichten erzählen. Etwa die: In der Nachbarschaft seiner Agentur soll es im Sommer regelmäßig zu einer Spinnenplage kommen, weil die einst von einem Bananendampfer aus der Ferne eingeschleppten Tiere in Deutschland keine natürlichen Feinde haben. Die Balkone und Fenster der Wohnungen am Kanal gegenüber sind dann fest von Schutznetzen umspannt, damit nur keine Spinne in die Wohnungen krabbelt. Die amüsante Anekdote zeigt, wie nah dran an den Menschen Scholz ist, wie gut er sie um den Finger wickeln kann.
Die Marke Initiative wird ihren Auftritt bekommen – soviel ist klar. Der aber sollte Substanz haben. Denn die Holding wird sehr bald nach einer konkreten Erfolgsstory fragen.