Rechter Shitstorm:
Wie DAK-Werbegesicht Awounou mit rassistischer Hetze umgeht
Philipp Awounou posiert mit Freundin für ein Plakat der DAK - und wird zur Zielscheibe fremdenfeindlicher Hasskommentare. Seine Reaktion ist bemerkenswert.
Was dieses Plakat in Gang setzen würde, das haben die Hamburger Werbeagentur BBS und ihr Kunde, die Krankenkasse DAK, wahrlich nicht kommen sehen. Wie denn auch? Das Motiv zeigt einen Mann und eine Frau, ein sympathisches Paar, beide offenbar glücklich, dazu ein Ultraschallbild und die Headline: "Auf einmal steht das Leben Kopf!" Eine ganz normale Werbung für die Familien-Leistungen einer Krankenkasse. Und doch erzeugt dieses Motiv einen rassistischen Shitstorm. Denn der Mann ist dunkelhäutig und die Frau ist weiß. Das reicht, um eine Flut an fremdenfeindlichen Hasskommentaren auszulösen.
Der Mann auf dem Plakat heißt Philipp Awounou, der deutsche Journalist und Fotograf posierte vor rund einem Jahr zusammen mit seiner Freundin Regina als Hobby-Model für mehrere Stockfotos. Eines davon wählte die Agentur BBS für die DAK-Baby-Kampagne aus. Weil sie das Motiv passend fand, wie Geschäftsführer Andreas Reimann gegenüber Spiegel Online betont. Das Plakat sei ein Abbild der deutschen Gesellschaft. "Deutschland ist nun einmal vielfältig und das ist auch gut so", so Reimann. Die Reaktionen auf das Foto hätten ihn deshalb "total überrascht".
"Rassismus in einer neuen Dimension"
Es gibt Menschen, die sich die deutsche Gesellschaft weniger vielfältig wünschen, stattdessen Motive mit nicht näher definierten "Einheimischen" fordern, wie sich in Facebook-Kommentaren nachlesen lässt. Mit Fremdenfeindlichkeit wurde Awounou nach eigenen Aussagen schon oft konfrontiert, doch mit den Ereignissen rund um das Werbeplakat sei "Rassismus in einer neuen Dimension" in sein Leben getreten. Als "Mörder", Vergewaltiger", "Neger" wird er beschimpft, das Motiv als "Kanaken-Werbung" verunglimpft. "In Hunderten von Posts und Kommentaren echauffierten sich Menschen über mich, bezeichnen mich als 'Afro-Moslem-Flüchtling' und Regina als 'muslimische Hure'", schreibt Awounou auf Spiegel Online.
Eindrücklich schildert er in seinem Bericht, wie sehr ihn die Hetze trifft - und wie er damit umgeht. Denn Awounou nimmt die Hasskommentare nicht so einfach hin - er wehrt sich. Und in ihm reift der Wunsch, diesen massiven Hass zu verstehen. Awounou begibt sich auf Spurensuche, kontaktiert die Absender, bietet einen Dialog an, lernt, wie schnell sich Ängste und Hass schüren lassen. Ganz vorne mit dabei: Die AfD. Awounou konfrontiert den AfD-Kreisverband Nordwestmecklenburg, der die Hetze aktiv vorantreibt und rassistische Hasskommentare stehen lässt, während andere Meinungen gelöscht werden. Die Reaktion - oder besser Nicht-Reaktion - auf seine Anfragen ist bezeichnend.
Shitstorm löst Welle der Solidarität aus
Was Awounou und seine Freundin bestärkt: Sie erleben nicht nur Hass, sondern erhalten viel Unterstützung und Solidaritätsbekundungen. Viele setzen sich in den sozialen Netzwerken für sie ein, auch die DAK-Krankenkasse zeigt klar Haltung - wählt das Motiv als Teaser für ihren Facebook-Auftritt und stellt sich der Diskussion.
"Fast einen Monat lang habe ich versucht, zu verstehen, warum ein Werbeplakat so viel Hass auslöst. Mitnehmen werde ich aus dieser Zeit vor allem Wünsche", lautet das Fazit von Awounou. Natürlich wünscht er sich, dass die Hasskommentar-Schreiber ihre Haltung wieder ändern mögen. Aber Awounou plädiert auch für das Recht auf Meinungsäußerung und appelliert an beide Seiten, Menschen nicht vorschnell zu stigmatisieren und auch unliebsame Standpunkte zuzulassen. Fremdenfeindlichkeit und Hasskommentare aber müssten klar bekämpft werden, Awounou fordert deshalb, "dass AfD-Vertreter solchem Rassismus entschieden entgegentreten, anstatt ihn zu protegieren."
Sein größter Wunsch: "Dass Menschen, die sich an der Hautfarbe einer Person stoßen - ganz gleich vor welchem Hintergrund - nie mehr sein werden als eine Minderheit, der vielfach und laut widersprochen wird. Zumindest was Letzteres betrifft, bin ich angesichts der Welle der Solidarität für Regina und mich überwältigt."