SXSW:
Wie 3D-Drucker, Google-Ads und Nasa die Welt verbessern
Unsere tägliche Kolumne von der gefühlt spannendsten Messe der Welt. Von der South by Southwest berichtet unser Autor Moritz Meyer. Heute: Wie wir bei aller Kritik vom digitalen Fortschritt profitieren.
Auf der SXSW geben sich angesagte Stars, visionäre Unternehmer und digitale Vordenker die Klinke in die Hand. Aber es lohnt sich, auch mal in ein paar kleinere Sessions abseits des Hauptprogramms zu gehen.
Und so lande ich in einem Vortrag über Organtransplantation, 3D-Druck und künstliche Intelligenz. Sie erinnert mich daran, dass wir bei aller Kritik an digitalen Technologien immer noch auf unfassbare Weise vom Fortschritt profitieren können.
Die Niere aus dem 3D-Drucker
In einer Klinik im nordirischen Belfast wartet eine junge Frau und Mutter auf eine Spenderniere. Bekommt sie kein neues Organ, wird sie in den nächsten sechs Monaten sehr wahrscheinlich an Nierenversagen sterben. Ihr Vater ist bereit, eine seiner Nieren zu spenden. Problem: Bei den Voruntersuchungen stellen die Ärzte einen Tumor in einer seiner Nieren fest. Nun könnten die Ärzte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Sie könnten die Niere entnehmen, den Tumor direkt entfernen und das “reparierte” Organ dann der Tochter einsetzen. Der Vater wäre seinen Tumor los, die Tochter hätte eine gesunde Niere. Dafür muss der Tumor allerdings exakt lokalisiert werden.
Hier kommt das Unternehmen Axial 3D ins Spiel. Aus computertomographischen Daten können sie ein exaktes 3D-Modell der Niere erstellen und ausdrucken. Anhand des Modells kann der Chirurg seine Schnitte im Voraus planen und so das Risiko bei der Operation erheblich minimieren. Und tatsächlich gelingt der Eingriff; sowohl Vater als auch Tochter sind inzwischen wohlauf, berichtet der behandelnde Chirurg Tim Brown. Die Technologie soll nach dem Wunsch von Axial Standard in der Medizin werden. 3D-Drucker sind inzwischen erschwinglich. Das Hauptproblem ist es, mit den Daten aus dem CT die Computervorlage für den Druck zu erstellen. Momentan muss das noch händisch von einem 3D-Druckexperten gemacht werden. Das dauert lange und ist nicht sehr effizient. In Zukunft soll das ein mit Machine Learning trainiertes Computerprogramm in wenigen Minuten erledigen.
Mit Google-Ads gegen Islamfeindlichkeit
Eine andere Session, die mich sehr nachdenklich macht, ist die des Forschungsinstituts Yaqeen Institute. Das Yaqeen untersucht, wie sich Islamfeindlichkeit in den Medien und im Internet manifestiert, und wie man bestimmte Missverständnisse oder falsche Darstellungen über den Islam aufklären kann. Zeena Alkurdi, Director of Marketing, und Nida Khan, Creative Director, schildern, wie sie die Forschungsergebnisse von Yaqeen in Infographiken und Memes verwandeln, um in Social Media einen Gegenpol zu populistischen und Alt-Right-Bewegungen aufzubauen.
Yaqeen berichtet etwa von dem Begriff der "Taqiyya". In der islamischen Lehre ist damit gemeint, dass ein Moslem in einer lebensbedrohlichen Situation seinen Glauben und Glaubenspraktiken verheimlichen darf, um sein Leben oder das anderer zu retten. Rechte Propagandisten wenden diesen Begriff gegen Muslime: Sie stellen es so dar, als sei es ein islamisches Gebot, Nichtgläubige anzulügen. Gegen derartige Narrative anzukämpfen sei schwer, wenn die Algorithmen der Suchmaschinen, allen voran Google, die Propagandaseiten auf Grund des höheren Traffics und besserer Verlinkung besser bewerten, sagt Zeena Alkurdi. Eine Gegenmaßnahme des Yaqeen-Instituts ist darum: Man kauft Google Ads, um die Aufklärung über die islamische Lehre vor den Alt-Right-Seiten zu platzieren. Finde hier den Fehler im System…
Nasa meets Star Wars
Und dann sind da noch die Sessions, die einfach nur Spaß machen. In einem Panel sitzen vier Medienprofis von der Nasa und erklären, wie die Weltraumorganisation Filmproduktionen, Serien und Dokumentationen unterstützt. Allein 2018 waren das 174 Dokus, 58 TV-Sendungen und -Serien sowie 15 große Spielfilme. Besseres Content Marketing gibt es nicht: Jedes dieser Projekte ist eine Gelegenheit für die Nasa, auf Social Media, in Online-Magazinen und klassischen Medien Präsenz zu zeigen und für die Relevanz ihrer Arbeit und Forschung zu werben. Dabei sei inzwischen ein "Circle of Influence" entstanden, berichtet Joby Harris, Visual Designer bei der Nasa. Die Arbeit der Nasa inspiriere die Unterhaltungsbranche zu neuen Projekten. Und die Leute bei der Nasa lieben es, wenn ihre Arbeit in der Popkultur reflektiert wird; sie geben darum gerne die nötige Unterstützung.
Nasa-Roboter bilden zum Beispiel die Vorlage für Roboter in vielen Science-Fiction-Filmen. Das nutzt die Organisation, um sich an Kampagnen für Blockbuster wie Star Wars dran zu hängen. Zum Start des letzten Films lud die Nasa darum den Filmroboter BB-8 in ihr Jet Propulsion Lab ein. Und begeistert damit das Star-Wars-Publikum auf Youtube für ihre Arbeit in Robotik und Weltraumforschung. Es ist eine bemerkenswerte PR-Erfolgsgeschichte, die die Nasa da hingelegt hat: Immerhin galt die Organisation noch vor 15 Jahren, nach dem Absturz des Columbia-Spaceshuttles, als mehr oder weniger erledigt. Dank offener, transparenter und positiver Kommunikation (und cleverem Marketing) auf allen Kanälen ist die Behörde inzwischen wieder einer der beliebtesten Arbeitgeber auf diesem Planeten. Und einer der coolsten Teilnehmer auf der SXSW.