OBS-Studie über Red Bull, VW & Co.:
Werbeminus, Nutzertäuschung: Auch das ist Content-Marketing
Zumal immer mehr Unternehmen in Blogs oder digitalen Kanälen Nutzer direkt via Content-Marketing ansprechen, plädiert die Otto-Brenner-Stiftung aus diversen Gründen für einen Verhaltenskodex.
Der Boom des "Unternehmensjournalismus" hat weitreichende Folgen für Medien und Nutzer. Laut einer aktuellen Studie der Otto-Brenner-Stiftung (OBS) bedienen sich nahezu alle Dax-Konzerne des Content-Marketings, vor allem Deutsche Post DHL, die Deutsche Telekom, Henkel, Siemens sowie die Automobilhersteller Daimler, BMW und Volkswagen.
Dabei handelt es sich bekanntermaßen um Inhalte, die vordergründig wie Journalismus daherkommen, letztlich aber werbliche Botschaften sind. Die Macher der Studie "Content Marketing: Wie 'Unternehmensjournalisten' die öffentliche Meinung beeinflussen" kritisieren, dass diese Unternehmen - beeinflusst durchs "Marketing mit journalistischen Mitteln" – oft im Gegenzug auf klassische Werbung verzichten.
Hier einige zentrale Ergebnisse aus dem Werk:
- Der Würzburger Kommunikationsforscher Lutz Frühbrodt, der gemeinsam mit der Berliner Kommunikationsberaterin Annette Floren die neue OBS-Studie verfasst hat, interpretiert das Content-Marketing der Unternehmen in erster Linie als "Ersatz für klassische Werbemethoden, die die Mediennutzer immer weniger erreichen". Er warnt vor den Auswirkungen, die der "Unternehmensjournalismus" auf die Medienbranchen und die öffentliche Meinungsbildung haben könnte. "Unternehmen könnten auf mittlere Sicht noch weniger Werbung schalten, was die Einnahmen der klassischen Medienhäuser weiter verringert", sagt Frühbrodt.
- Ein weiteres Problem im Erlösbereich der Medien zeigt die Studie auf: "Außerdem sind die quasi-journalistischen Publikationen der Konzerne allesamt kostenlos. Sie kommen ausgerechnet zu einem Zeitpunkt auf, wo die Verlage offensiver versuchen, Geld für ihre Online-Inhalte zu verlangen", so Frühbrodt. Dadurch könnte auch der Einfluss der Wirtschaft auf die öffentliche Meinungsbildung noch größer werden.
- "Der klassische Journalismus befindet sich eh schon stark unter Druck, vor allem durch das Aufkommen von mehr oder minder professionellen Blogs und Kommunikationsnetzwerken", betont der Forscher. Die Unternehmen würden mit ihren eigenen Publikationen vor allem beim Lifestyle- und Verbraucherjournalismus ansetzen; es gebe aber auch schon "erste Tendenzen", sich in politische Debatten einzumischen, so der Kommunikationsforscher.
- "Mit ihren medialen Produkten beeinflussen sie die öffentliche Meinung und gefährden den unabhängigen Journalismus", warnt Lutz Frühbrodt vor den Auswirkungen. Dieser "Unternehmensjournalismus" werde inzwischen vor allem über digitale Kanäle wie Internet-Themenseiten, Blogs, Videos und Apps verbreitet. Als Vorreiter im deutschsprachigen Raum gelten ihm zufolge der Energydrink-Hersteller Red Bull und die Henkel-Tochter Schwarzkopf.
- Der Trend greift rasch um sich: Eine zusätzliche Branchenanalyse ergab demnach, dass auch zahlreiche nicht-börsennotierte deutsche sowie ausländische Unternehmen mit Content-Marketing arbeiten. Die OBS-Studie macht dabei die Täuschung der Nutzer aus: "Auffällig war dabei, dass ein Teil der Betreiber sich offenbar bewusst gegenüber den Mediennutzern nicht öffentlich zu erkennen gibt", heißt es in der Analyse.
Autor Frühbrodt plädiert nun für einen Verhaltenskodex fürs Content-Marketing, der von den Produzenten unter anderem "vollständige Transparenz" einfordere. Transparenz sei dringend geboten, so Frühbrodt, weil große Teile der Nutzer zwar solche Angebote nutzten, "das Phänomen des Content Marketing und damit sein Ziel der subtilen Beeinflussung" aber noch nicht kennen würden.
Die für medienkritische Studien bekannte Otto-Brenner-Stiftung rät, dass Konsumenten mehr Medienkompetenz brauchen, "um besser erkennen zu können, welche Inhalte unabhängig und welche interessengeleitet sind". Im Netz kann sich der Nutzer schon mal schlau machen: Die OBS-Studie informiert online umfangreich über die einzelnen Content-Marketing-Maßnahmen diverser Unternehmen und zeigt auf, welche Branchen besonders intensiv aufs "journalistische Marketing" zurückgreifen. Hier kann die Studie kostenlos abgerufen werden.