Thomas Koch über Mediarabatte für VW:
Werbekunde Volkswagen: "Eine einzige, bittere Farce"
W&V-Kolumnist Thomas "Mr. Media" Koch prangert gern die Machenschaften mancher Mediaagenturen an. Diesmal geht es aber um einen ganz bestimmten Werbekunden. Ein teilweise staatliches Unternehmen, das freie Medien bis aufs Blut auspressen will: Volkswagen.
An dieser Stelle prangere ich gerne die Machenschaften mancher Mediaagenturen an, muss aber ebenso häufig beklagen, wie ungelenk und oft unprofessionell sich viele Marken, Marketingentscheider, Medien und Vermarkter im Markt verhalten. Heute sind die Werbekunden fällig. Einer ganz besonders. Und das hat einen guten Grund.
Anfang des Monats ging ein Aufschrei durch Medialand. Volkswagen, schrieb W&V, stelle an die Medien Rabattforderungen, die es so nie zuvor gegeben hat. Der Automobilbauer aus dem beschaulichen Wolfsburg fordert einfach 10 bis 20 Prozent mehr. Ein Vermarkter wird mit den drastischen Worten zitiert, "das ist das Dreckigste, was ich je erlebt habe". In einem zusätzlichem Forderungskatalog sind bis zu 25 Punkte aufgeführt, die Volkswagen erfüllt haben will.
Ich habe daraufhin einige Vermarkter befragt. Die meisten ihrer Aussagen sind weder zitierfähig, noch druckreif. Die Medienvermarkter kotzen im Strahl.
Nun kann man einwenden, die Preisverhandlung sei nun einmal ein legitimes Spiel in der freien Marktwirtschaft. Kein Medium müsse sich schließlich darauf einlassen. Doch bis auf wenige Ausnahmen tun sie es. Angesichts sinkender Nettoerlöse und Margen klammert sich die Mehrzahl der Medien an jeden Werbeauftrag, den sie einfahren können. Nur wenige, wie z.B. die beiden größten TV-Vermarkter, könnten sich derzeit erlauben, auf den Volkswagen-Auftrag zu verzichten. Das neue Spiel heißt jedoch keinesfalls freie Marktwirtschaft, sondern Erpressung.
Erpressung ist kein Kavaliersdelikt
Nach §253 des StGB macht sich der Erpressung schuldig, wer sich durch Androhung eines empfindlichen Übels zu Lasten eines anderen bereichert. Darauf steht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Darauf hätte man Volkswagen wie auch die ausführende Agentur PHD, die sich hier ebenso schuldig macht, vielleicht hinweisen müssen.
Andererseits überrascht es keineswegs. Kein deutscher Großkonzern kennt sich mit Rechtsbruch besser aus als Volkswagen. Dieselgate und die damit verbundenen Strafzahlungen in Milliardenhöhe zwingen den Autobauer nun zu Sparmaßnahmen. Und da man offenbar keine Lust hat, diese Strafen selbst zu zahlen, müssen alle anderen herhalten: Die Kunden, die Mitarbeiter und eben auch die Lieferanten.
Das Programm hat, wie sich das für ein modernes Unternehmen gehört, natürlich einen Namen. Es heißt allen Ernstes "Together 2025". Zynischer kann es nicht sein, wenn ausgerechnet unter "Together" nur alle anderen zu leiden haben. Es ist eine einzige, bittere Farce.
Es ist noch mehr als das. Es ist ein Schlag ins Gesicht der gesamten Medienbranche. Es geht Volkswagen ausschließlich um Rabatte, nicht um die einzigartige Bedeutung oder unverzichtbare Funktionsweise von Medien für die Markenkommunikation. Wer den Rabatt nicht von 50/60 auf 70/80 Prozent erhöht, fliegt aus dem Mediaplan. Man wünscht sich zutiefst, dass kein einziges Medium einknickt und wir fortan auf Werbung der Wolfsburger Marken komplett verzichten könnten.
Volkswagen ist sich seiner Bedeutung für den Werbemarkt durchaus bewusst. Der Mediaetat gehört zu den höchsten in Deutschland. Was Volkswagen jedoch ignoriert: Von diesen Werbeeinnahmen lebt der Großteil der deutschen Medienlandschaft. Wenn Unternehmen, die sich auch noch teils in staatlichem Besitz befinden, derart grobschlächtige Maßnahmen ergreifen, gefährden sie die Medienvielfalt, auf die wir so stolz sind. Dass sie damit gleichzeitig die Medien gefährden, die sie für ihre Kommunikation dringend benötigen… nein, soweit denkt man in Wolfsburg nicht. Es gibt dort keine Äste, auf denen man sitzen könnte. In einer solchen Atmosphäre des blinden, betriebswirtschaftlichen Egoismus kann Natur nicht gedeihen.
Volkswagen ist verantwortlich
Volkswagen enttäuscht erneut auf ganzer Linie. Konzerne dieser Größenordnung tragen Verantwortung - den Menschen und der Gesellschaft gegenüber. Der Gedanke, dass ein solches Vorgehen einen Domino-Effekt auslösen könnte, kommt ihnen nicht. Wenn Volkswagen (und Audi, Porsche, Seat, Skoda) für seine Werbung bis zu 20 Prozent weniger bezahlt, warum sollten Ford, Mercedes oder Opel die Rechnung bezahlen? Oder gar Beiersdorf, Ferrero, Henkel oder L’Oréal? Die Konsequenzen für den Medienmarkt sind nicht auszudenken.
Es geht auch um Fairness. Fairness gegenüber Lieferanten. Also gegenüber Menschen. Unsere Wirtschaft lebt davon. Die Menschen leben davon. Die gleichen Menschen, von denen Volkswagen als potentielle Kunden ebensolche Fairness erwartet. Gegenseitiger Respekt ist das Fundament, auf dem unsere Gesellschaft aufgebaut ist. Dieses Fundament darf man nicht ungestraft mit Füßen treten.
An dieser Stelle passt ein Zitat von Götz Werner, des legendären Gründers der Drogeriemarktkette dm: „Wirtschaft heißt füreinander tätig sein.“ Füreinander. Was Volkswagen gerade macht, ist dagegen mehr als beschämend. Es ist dreckig. Es ist zerstörerisch. In meiner Wut gehen mir die Worte aus...
Ein Wort an PHD
Ein Wort doch noch an die betreuende Mediaagentur PHD. Als Mediacom im vergangenen Jahr den VW-Etat an den Wettbewerber PHD abgeben musste, ging eine der längsten Agentur-Kunden-Beziehungen der Media-Branche zu Ende. Natürlich wissen wir nicht, mit welchem Kundenvorteil oder Argument PHD den Mammut-Pitch gewann, aber es war ganz offenbar nicht der Respekt des Agenturmanagements vor den Medienhäusern und deren Medienmarken. Egal. Fakt ist: PHD macht sich mitschuldig an (s.o.) einem der scheußlichsten Vergehen, das es in unserem Gewerbe gibt.
An die werten Kollegen also noch einmal zur Erinnerung: Unsere Aufgabe als Mediaberater ist, Medien zu bewerten, ihre Funktion im Sinne der Kommunikationsziele einzuschätzen und sie zu einem Mix zu vereinen, der hilft die Marketingziele der Kunden zu erreichen. Nicht mehr, nicht weniger. Betonung liegt jedoch auf Marketingziele; wir sind nicht Handlanger für Bilanzziele. Media war (früher) eine außerordentlich schöne Aufgabe, die Menschen erfüllte. Zerstört sie nicht.
Und zum Abschluss ein ganz persönlicher Appell an Volkswagen: Ich liebe meine Arbeit. Ich liebe Marken. Und ich liebe Medien. Die, die mit mir darin übereinstimmen, kriegt ihr nicht umgestimmt. Wir kämpfen weiter für Geschäfts-Tugend und Anstand. Für ein letztes bisschen Ethik und Moral. Für Respekt. Für "Leben und leben lassen". Leben und sterben lassen ist James Bond. Hat aber in unserer sozialen Marktwirklichkeit nichts zu suchen.