Zum Start, um eine freie Position in der Wahrnehmung der Kunden zu besetzen, braucht eine Marke in der Regel eine divergierende, also eine von der Norm abweichende Idee. Genau diese Idee sollte der Slogan dann auf den Punkt bringen. So steht BMW seit über 50 Jahren in der Wahrnehmung der Kunden für Freude am Fahren, Red Bull für den Energydrink, der Flügel verleiht und Dr. Best seit 1988 für die klügere Zahnbürste, die nachgibt.

Das ist die eine Seite der Kreativität. Die andere Seite der Kreativität ist es, diese eine Markenidee (und damit auch den Slogan) im Sinne der Marke evolutionär aktuell zu halten, sich also zu überlegen, wie man "Freude am Fahren", "verleiht Flügel" oder "Die klügere Zahnbürste gibt nach" immer wieder neu und aufregend kommunizieren kann.

Nehmen Sie etwa Ricola! Wie lautet der aktuelle Slogan dieser Marke? Nicht so einfach! Denn wie viele Menschen auf der Straße werden mit "Wer hat’s erfunden?" und wie viele mit dem aktuellen "Chrüterchraft"-Claim antworten? Oder nehmen Sie Coca-Cola! Kennen Sie den aktuellen Slogan? Wahrscheinlich nicht! Denn Coca-Cola erfindet sich in den Slogans immer wieder neu. Hier nur ein kleiner Auszug aus über 40 Slogans in der bisherigen Markenhistorie (Quelle: AdvertisingAge):

1886 ….. Delicious and Refreshing

1904 ….. Drink Coca-Cola

1922 ….. Thirst Knows No Season

1929 ….. The Pause that Refreshes

1963 ….. Things Go Better With Coke

1969 ….. It's the Real Thing

1971 ….. I'd Like to Buy the World a Coke

1979 ….. Have a Coke and a Smile

1982 ….. Coke Is It!

1986 ….. Red, White & You

1988 ….. You Can't Beat the Feeling

1990 ….. You Can't Beat the Real Thing

1993 ….. Always Coca-Cola

2000 ….. Coca-Cola. Enjoy

2001 ….. Life Tastes Good

2003 ….. Coca-Cola ... Real

2005 ….. Make It Real

2006 ….. The Coke Side of Life

2009 ….. Open Happiness

2016 ….. Taste the Feeling

Mit dem neuen Slogan "Taste the Feeling" möchte Coca-Cola ganz bewusst – auch mit einem gewissen Retrostil – an "You Can’t Beat the Feeling“ aus den 1980er Jahren anschließen. Man möchte so wieder verstärkt auf gelernte Markenwerte setzen, um die Marke wieder stärker zu positionieren.

Die eigene Markenhistorie nutzen

Nur genau hier hätte man noch einen Schritt weitergehen können oder sollen, um den wahrscheinlich besten Coca-Cola Slogan aller Zeiten wiederzubeleben.

Das ist der Slogan "It’s the real thing" aus dem Jahr 1969, der 1990 mit "You Can't Beat the Real Thing" eine Art "Mini-Comeback" feierte.

Coca-Cola wird heute als das Original gesehen und genau das differenziert auch die Marke von allen Mitbewerbern. Diese Wahrnehmung könnte und sollte Coca-Cola mit "It’s the real thing" verstärken. So findet man oft die besten Slogans in der eigenen Markenhistorie. Dies sollte man auch bei Milka oder Ricola bedenken.

Statt neue Slogans zu erfinden, wäre es wahrscheinlich besser, einfach die eigene Geschichte zu studieren, um auf Slogans wie "Die zarteste Versuchung seit es Schokolade gibt" oder "Wer hat’s erfunden" zu stoßen. Nur wahrscheinlich ist genau das vielen Marketingverantwortlichen und auch Werbeagenturen zu wenig kreativ. Und schon beginnt sich das Slogan-Rad – meist in immer kürzeren Abständen – weiterzudrehen.

So ist es aus strategischer Markensicht extrem bedenklich, dass viele perfekte Markenslogans a la "Geiz ist Geil" (Saturn), "Bezahlen Sie einfach mit Ihrem guten Namen" (American Express) oder "Bild Dir Deine Meinung" (Bild Zeitung) anscheinend immer wieder der Kreativität zum Opfer fallen. Selbst der Langzeitslogan von De Beers "A diamond is forever" musste kurzfristig dem Slogan "Forever, Now" weichen. Das sollte nicht passieren. Denn nicht nur ein Diamant, sondern auch ein guter oder besser ein sehr guter Slogan sollte für die Ewigkeit sein.

Foto: Michael Brandtner.

*Über den Autoren: Markenstratege Michael Brandtner ist Spezialist für strategische Marken- und Unternehmenspositionierung im österreichischen Rohrbach, Associate of Ries & Ries und Autor des Buches "Brandtner on Branding". 


Autor: W&V Gastautor:in

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