
Gastbeitrag:
Wenn der beste Slogan bereits erfunden ist
Wenn Marken Kreativagenturen wechseln, folgt mit dem neuen Werbeauftritt oft auch ein neuer Slogan. Warum dies nicht immer im Sinne der Marke ist, erläutert Markenstratege Michael Brandtner.

Foto: Milka
Wenn Marken Kreativagenturen wechseln, folgt mit dem neuen Werbeauftritt oft auch ein neuer Slogan. Warum dies nicht immer im Sinne der Marke ist, erläutert Markenstratege Michael Brandtner*.
Knackpunkt Kreativität oder wenn der beste Slogan bereits erfunden ist
Milka hat eine neue Kreativagentur und bekommt auch einen neuen Slogan. So wird "Trau Dich zart zu sein" nach fünf Jahren durch "Im Herzen zart" ersetzt. Diese Vorgehensweise ist nicht unüblich. "Neue Werbeagentur, neuer Werbeauftritt, neuer Slogan" ist ein Muster, das man immer wieder beobachten kann. Manchmal lautet es auch: "Neue Geschäftsführung, neue Marketingleitung, neue Werbeagentur, neuer Werbeauftritt, neuer Slogan".
Nicht im Sinne der Marke
Nur aus Markensicht sollte man zwischen zwei Arten von Kreativität unterscheiden, nämlich zwischen divergierender Kreativität und evolutionärer Kreativität. Wenn man die Geschichte von erfolgreichen Marken studiert, findet man in der Regel am Anfang eine divergierende Markenidee, also eine Markenidee, die etwas Neues schuf und sich von der Norm abhebt. So war Red Bull kein weiteres Erfrischungsgetränk, sondern der erste Energydrink. Ryanair war keine weitere Fluglinie, sondern Europas erste Diskontfluglinie, GoPro war keine weitere Digitalkamera, sondern die erste Action Cam.
Zum Start, um eine freie Position in der Wahrnehmung der Kunden zu besetzen, braucht eine Marke in der Regel eine divergierende, also eine von der Norm abweichende Idee. Genau diese Idee sollte der Slogan dann auf den Punkt bringen. So steht BMW seit über 50 Jahren in der Wahrnehmung der Kunden für Freude am Fahren, Red Bull für den Energydrink, der Flügel verleiht und Dr. Best seit 1988 für die klügere Zahnbürste, die nachgibt.
Das ist die eine Seite der Kreativität. Die andere Seite der Kreativität ist es, diese eine Markenidee (und damit auch den Slogan) im Sinne der Marke evolutionär aktuell zu halten, sich also zu überlegen, wie man "Freude am Fahren", "verleiht Flügel" oder "Die klügere Zahnbürste gibt nach" immer wieder neu und aufregend kommunizieren kann.
Nehmen Sie etwa Ricola! Wie lautet der aktuelle Slogan dieser Marke? Nicht so einfach! Denn wie viele Menschen auf der Straße werden mit "Wer hat’s erfunden?" und wie viele mit dem aktuellen "Chrüterchraft"-Claim antworten? Oder nehmen Sie Coca-Cola! Kennen Sie den aktuellen Slogan? Wahrscheinlich nicht! Denn Coca-Cola erfindet sich in den Slogans immer wieder neu. Hier nur ein kleiner Auszug aus über 40 Slogans in der bisherigen Markenhistorie (Quelle: AdvertisingAge):
1886 ….. Delicious and Refreshing
1904 ….. Drink Coca-Cola
1922 ….. Thirst Knows No Season
1929 ….. The Pause that Refreshes
1963 ….. Things Go Better With Coke
1969 ….. It's the Real Thing
1971 ….. I'd Like to Buy the World a Coke
1979 ….. Have a Coke and a Smile
1982 ….. Coke Is It!
1986 ….. Red, White & You
1988 ….. You Can't Beat the Feeling
1990 ….. You Can't Beat the Real Thing
1993 ….. Always Coca-Cola
2000 ….. Coca-Cola. Enjoy
2001 ….. Life Tastes Good
2003 ….. Coca-Cola ... Real
2005 ….. Make It Real
2006 ….. The Coke Side of Life
2009 ….. Open Happiness
2016 ….. Taste the Feeling
Mit dem neuen Slogan "Taste the Feeling" möchte Coca-Cola ganz bewusst – auch mit einem gewissen Retrostil – an "You Can’t Beat the Feeling“ aus den 1980er Jahren anschließen. Man möchte so wieder verstärkt auf gelernte Markenwerte setzen, um die Marke wieder stärker zu positionieren.
Die eigene Markenhistorie nutzen
Nur genau hier hätte man noch einen Schritt weitergehen können oder sollen, um den wahrscheinlich besten Coca-Cola Slogan aller Zeiten wiederzubeleben.
Das ist der Slogan "It’s the real thing" aus dem Jahr 1969, der 1990 mit "You Can't Beat the Real Thing" eine Art "Mini-Comeback" feierte.
Coca-Cola wird heute als das Original gesehen und genau das differenziert auch die Marke von allen Mitbewerbern. Diese Wahrnehmung könnte und sollte Coca-Cola mit "It’s the real thing" verstärken. So findet man oft die besten Slogans in der eigenen Markenhistorie. Dies sollte man auch bei Milka oder Ricola bedenken.
Statt neue Slogans zu erfinden, wäre es wahrscheinlich besser, einfach die eigene Geschichte zu studieren, um auf Slogans wie "Die zarteste Versuchung seit es Schokolade gibt" oder "Wer hat’s erfunden" zu stoßen. Nur wahrscheinlich ist genau das vielen Marketingverantwortlichen und auch Werbeagenturen zu wenig kreativ. Und schon beginnt sich das Slogan-Rad – meist in immer kürzeren Abständen – weiterzudrehen.
So ist es aus strategischer Markensicht extrem bedenklich, dass viele perfekte Markenslogans a la "Geiz ist Geil" (Saturn), "Bezahlen Sie einfach mit Ihrem guten Namen" (American Express) oder "Bild Dir Deine Meinung" (Bild Zeitung) anscheinend immer wieder der Kreativität zum Opfer fallen. Selbst der Langzeitslogan von De Beers "A diamond is forever" musste kurzfristig dem Slogan "Forever, Now" weichen. Das sollte nicht passieren. Denn nicht nur ein Diamant, sondern auch ein guter oder besser ein sehr guter Slogan sollte für die Ewigkeit sein.
*Über den Autoren: Markenstratege Michael Brandtner ist Spezialist für strategische Marken- und Unternehmenspositionierung im österreichischen Rohrbach, Associate of Ries & Ries und Autor des Buches "Brandtner on Branding".