
Head of Sales, Marketing and Communications:
Wenn der Marketingchef Stimmung für die AfD macht
Der Marketing- und Saleschef des Fahrradherstellers Corratec hat offenbar monatelang privat auf Facebook gegen Ausländer Stimmung gemacht. Bis es zum öffentlichen Eklat kam. Wie geht eine Marke damit um?
Der Sturm der Entrüstung traf den Chef des Mountainbike-Produzenten Corratec unvermittelt. Konrad Irlbacher war am Freitag gerade auf dem Weg nach Fernost. Kurz vor Abflug erfuhr er, dass die Branchensite MTB-News eine Meldung veröffentlicht, die sich mit den ausländerfeindlichen Ansichten seines Head of Sales, Marketing and Communications, xxx, beschäftigt.
Der Beitrag war mit "Wegschauen oder berichten? Marketing-Manager von Bikefirma hetzt gegen Ausländer" betitelt. Es ging unter anderem um die Frage: Wie soll man sich verhalten, wenn man auf ein Facebook-Profil stößt, das offenbar rechte Inhalte propagiert und gegen Ausländer hetzt – und hinter dem ein Mann steckt, der der Geschäftsleitung einer bekannten deutschen Fahrradmarke angehört? Die Autoren von MTB-News haben nicht weggesehen und einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Gleichzeitig liefert der Fall ein Lehrstück in Sachen digitale Kommunikation.
xxx soll auf seinem privaten Profil unter anderem gepostet haben.
Solche Kommentare, meist zu Online-Berichten über Straftaten von Ausländern oder nur als Meinungsbeiträge, sind auf Facebook öfters zu finden.
Aber was, wenn ein Marketing- und Saleschef solche Sätze postet? Was, wenn er regelmäßig über viele Monate hinweg Inhalte veröffentlicht, die Ausländer anprangern und provozierend kommentiert? Auch wenn er offensichtlich zwei öffentliche Profile unter fast identischem Namen besitzt, eines für private Stimmungsmache und im anderen nur sportliches und politisch Korrektes postet: Die Mechaniken im Web und von Facebook müssen einem Kommunikationsprofi bekannt sein. Zudem verschwimmen im Internet die Grenzen zwischen Privatem und Beruflichen – Facebook und das Web machen hier ja auch keinen Unterschied.
Alles im Web, was nicht hinter Schranken steht, ist öffentlich und lässt sich auch finden. Es müsste ihm eigentlich auch bewusst sein, dass öffentliche Kommentare via Facebook im Web nicht unentdeckt bleiben. *** bezeichnet unter anderem Maas, Merkel, Gabriel, Roth und Co. als Demagogen.
Solche Sätze sind auch in der Politik zu hören. xxx ist bekennendes AfD-Mitglied: "Liebes AfD-Team, ich komme da gerne, ich bin in München Mitglied, aber morgen vor Ort", schreibt er via Facebook auf einer Veranstaltungs-Website. Dazu steht er, auch im Gespräch mit W&V. Und betont, dass er aber sicher nicht alles in der Partei gutheiße und sich auf der liberalen Seite der AfD sehe. Zeitweise wollte er ein politisches Mandat anstreben, entschied sich aber aus beruflichen Gründen dagegen.
Die Wortwahl in seinen Kommentaren bezeichnet er als großen Fehler. "Ich wollte nicht in dieser Form provozieren." Derbe Worte, wie er sie benutzt hat, werde er sicher nicht wiederholen. Inzwischen hat er alle fragwürdigen Posts gelöscht. Der Corratec-Manager sieht sich nicht als ausländerfeindlich oder rassistisch. "Ich habe nie alle verurteilt und verallgemeinert, sondern die Verbrechen derjenigen angeprangert."
Dass seine öffentlich geäußerten Ansichten irgendwann in den Medien landen, damit hat er nicht gerechnet – etwas, "das ich zweifellos unterschätzt habe, da ich an die Freiheit der freien Meinungsäußerung glaube."
Bis Dienstagabend gaben die Leser der MTB-News knapp 2.000 Kommentare zu dem Artikel ab – mit durchaus konträren Meinungen. xxx selbst bezog unter anderem gegenüber MTB-News Stellung. Er schrieb unter anderem:
"Nein, ich habe nichts gegen Ausländer und Migranten, denn unser Land benötigt ausgebildete Menschen, egal welcher Herkunft, Hautfarbe und Religion." Er machte jedoch auch klar: "Ja, ich bin sehr konservativ und vertrete die Meinung, dass unsere jetzige Asylpolitik falsch ist." Diese Meinung vertritt er auch im Gespräch mit W&V.
An Corratec wird die Geschichte nicht spurlos vorbeigehen. Viel Aufmerksamkeit ist der Firma aus dem oberbayerischen Raubling sicher. Ein rechtspopulistischer Profiteur will Firmenchef Irlbacher jedoch auf keinen Fall werden. "Wir wollen und werden aus diesem Vorfall in keinster Weise einen positiven Nutzen ziehen. Wir wollen uns hiervon möglichst weit distanzieren." Den Mitarbeitern in Raubling – an mehreren Standorten beschäftigt Corratec rund 160 Mitarbeiter - hat xxx vergangenen Mittwoch Rede und Antwort gestanden: "Wir haben einen Migrationsanteil von circa 38 Prozent im Gesamtunternehmen. Das ist auch gut so, da ich alle schätze und auch unterstütze, wenn die zu mir kommen und Fragen haben."
Seine politischen Ansichten waren sicher im Unternehmen bekannt. Er betont, es habe aber nie einen Zeitpunkt gegeben, an dem jemand gesagt hätte: "xxx, Du bist unmöglich". Vielleicht auch, weil xxx sich unter anderem in der Gemeinde Raubling bemüht hat, Asylanten für den Betrieb zu gewinnen. Das habe nach langwierigen Versuchen inzwischen auch zumindest probeweise in einem Fall geklappt.
Irlbacher selbst kann derzeit nur mit offiziellen Stellungnahmen reagieren. Der Gründer, der mit seiner Frau, eine gebürtige Phillipino, die Geschäfte mit ihm führt, verweist ebenfalls auf den hohen Mitarbeiteranteil mit Migrationshintergrund. Daneben leistet sich die Firma die Corratec Charity Mission, die seit über zehn Jahren Hilfsprojekte auf den Philippinen durchführt. Die Irlbachers bauen dort Schulen und investierten in Ausbildung von Kindern und Jugendlichen. Der Firmenchef fürchtet auch hier Konsequenzen: "Es wäre fatal, wenn wir durch diesen Bericht Sponsoren verlieren würden. Wir brauchen da jeden Cent für die vielen Projekte." Er betont aber auch, dass xxx regelmäßig an die Corratec Charity Mission sowie an andere Hilfsprojekte spende.
Von den knapp 500 Kunden habe sich laut dem Marketing- und Vertriebschef kein Kunde negativ geäußert. Im Gegenteil. "Ich bekam Zuspruch und Neukundenanfragen was aber nicht meine Intension war." Und nur drei User der MTB-News Threat Communitiy hätten sich bei ihm persönlich gemeldet, seine Mailadresse hatte er unter den Text gesetzt.
Irlbacher selbst habe noch nicht die Gelegenheit gehabt, persönlich mit xxx zu sprechen. Er ist nach wie vor in China. "Telefonisch habe ich natürlich bereits mit Herrn xxx sehr intensive Gespräche geführt." Sobald er zurück ist, will er zusammen mit seiner Frau das persönliche Gespräch suchen. "Ich hoffe, wir kommen zu einem positiven Konsens. Alles Weitere wird sich daraus ergeben."