
Web 2.0: Markenkommunikation außer Kontrolle
Social Web World-Tage in Hamburg: W&V-Redakteur Burkhard Reitz war dabei.
Malkasten für den Markenaufbau: Marken verlieren im Web 2.0 ihre Kommunikationskontrolle. Nutzer wollen mitreden, wollen die Marke auf ihre eigene Weise interpretieren und nicht so, wie es Werbetexter und Stäbe von CI-Gurus vorgeben. "Die Nutzer wollen den Marken-Leuchtturm ein wenig anmalen", sagte Sven Markschläger, Head of Digital Marketing der Mast-Jägermeister auf dem Brand Community Forum der Social Web World-Tage in Hamburg. Seine Konsequenz aus dieser Erkentnis: Die richtige Farbe für die Nutzer bereitstellen. Oder anders gesangt: Mit relevantem Content für Gesprächsstoff in den sich selbst organisierenden Öffentlichkeiten sorgen.
Sein Beispiel: Die "Kein Jägermeister"-Kampagne vom Frühjahr 2008. Mit starker Präsenz im Internet - auch mit einem Channel auf YouTube - sei das digitale Marketing "die Spinne im Netz" sämtlicher Kommunikationsmaßnahmen gewesen, auf die alle anderen Werbemaßnahmen verwiesen hätten. Der Erfolg: sechsstellige Nutzerzahlen der Kampagnenseite und viele Diskussionsgruppen in Social Networks, wie StudiVZ oder MySpace. "Emotionale Markenbildung" nennt Markschläger die Aktion und seine Unternehmensstrategie im Umgang mit dem Mitmach-Web.
Manchmal bergen Communities auch direktes Einsparpotenzial für Unternehmen: Durch den Aufbau der Seite www.Streetteam.de habe Warner Music eine Menge Geld eingespart, berichtet Markus Beele, Director Digital Marketing Central Europe der Plattenfirma. So heuert der Konzern heute Nutzer und Fans über die Website für Bandpromotions an, anstatt bei Eventagenturen entsprechende Promo-Teams einzukaufen. So kommt es zwar manchmal zu kleinen Pannen, etwa wenn das Auto des Warner Music-Chairmans oder ein Polizeiwagen mit Promo-Aufklebern garniert wird, aber denoch sei die Community ein voller Erfolg, so Beele.
Bis Mittwochnachmittag diskutierten im Hamburger Hotel InterContinental an der Alster Agenturen, Medienleute und Marketing-Manager ihre jeweiligen Herausforderungen durch neue Nutzungsgewohnheiten im Internet, vor allem durch das Social Web. Viel Zurückhaltung und Skepsis ist bei der Beurteilung des Phänomens spürbar. Auf die großen Fragen nach dem konkreten Nutzen von Communities aber gibt es nur vage Antworten. Community-Kommunikation eigne sich für die Kundenbindung, heißt es. Sie eigne sich nicht für alle Marken, sagt Markschläger. Und Mark Pohlmann von der Agentur Mavens Dialog ergänzt: "Jedes Unternehmen muss einen eigenen Zugang zu dem Thema finden."
Es gibt keine Standards und keine Musterbeispiele. Einig aber sind sich alle darin, dass Marken mehr machen müssen, um wahrgenommen zu werden. Wer dort, wo die Nutzer sind, keine Präsenz zeigt, fällt aus dem "relevant Set" der jungen Käuferschichten. Wer aber mit seiner Präsenz die User nervt, der fällt nicht nur, der richtet seine Marke zugrunde.