
Design-Kommentar:
Was die neue Coca-Cola-Schrift auszeichnet
TCCC Unity, die neue Hausschrift von Coca-Cola, soll der Marke ein unverwechselbares Profil verleihen, und zwar auf allen Screens. Das Urteil von Designer Hendrik Weber, Monotype.

Foto: Monotype
Es gibt wohl keine zweite internationale Marke, deren Bekanntheit und Erfolg sich auf einen seit über 100 Jahren gültigen Schriftzug stützt. Aus typografischer Sicht lässt sich Coca-Cola durchaus als die Mutter aller Marken bezeichnen. Das Logo entstand um 1890 in einer Schriftart, die in den USA "Spencerian Script" genannt wird und zwischen 1850 und 1925 der Standard für Geschäftskorrespondenz war, bis die Schreibmaschine sie verdrängte. Auch das Ford-Logo atmet den Geist dieser Zeit.
Trotz dieses Erbes kam Coca-Cola in seiner über 130-jährigen Geschichte nie auf die Idee, eine eigene Hausschrift für Werbung und Kommunikation zu entwickeln. Zuletzt war Gotham im Einsatz, stilistisch passend zur US-amerikanischen Tradition und Herkunft, aber eben nicht exklusiv.
Dass James Sommerville, Coca-Colas Vice President Global Design, mit dem Londoner Büro Brody Associates eines der weltweit angesehensten Designbüros zur Hilfe holt, um erstmals eine maßgeschneiderte Hausschrift zu entwickeln, beweist zwei Dinge: die Brausefirma misst dem Thema einen hohen Stellenwert bei, und hat die Bedeutung von Schrift für die Darstellung des Markenversprechens und der Markenbotschaft erkannt. Das haben nicht zuletzt auch Mastercard, SAP und Tencent mit ihren neuen Hauschriften bewiesen, um nur einige zu nennen.
Funktional auf allen Screens
Warum ist die eigene, unverwechselbare exklusive Schrift heute wichtiger als zu Zeiten des Bleisatzes oder des Fotosatzes? Ganz einfach: Weil Unternehmen noch nie so viel und noch nie auf so vielen unterschiedlichen Kanälen kommuniziert haben wie heute. Und dank der Globalisierung nicht nur mit 124 Zeichen, sondern mit den Glyphen aller Industriestaaten. Vor 30 Jahren gab es Print und TV. Die gibt es heute immer noch, doch hinzugekommen sind das Internet, Video-Plattformen (Youtube, Vimeo), Foto-Communities (Instagram, Flickr), die sozialen Netze … und bald ziehen wir mit Sack und Pack in die virtuelle Realität.
Wer sich in diesen Kanälen alleine auf die Schriften verlässt, die dort standardmäßig unterstützt werden, verliert ziemlich schnell sein visuelles Profil. Die wichtigste Überlegung dabei ist, dass eine Schrift über alle diese Medien hinweg funktionieren muss. Nicht nur diejenigen, die wir heute kennen - sie müssen auch tragbar sein, um in Augmented-Reality-Umfeldern oder im Display des Armaturenbretts eines Autos zu arbeiten - oder überall dort, wo eine Marke die Chance hat, in Zukunft sichtbar zu sein.
Ach so: Wie ist sie denn nun, die neue Coca-Cola-Schrift? Um es ganz kurz zu fassen: solide, selbstbewusst, stolz. Gotham hat schon den richtigen Weg vorgegeben, und diente vielleicht sogar als Blaupause, aber TCCC Unity weist doch einige unverwechselbare Zinken und Kanten auf, wie es sich eigentlich nur eine Exklusivschrift erlauben kann. Kommerzielle Schriften müssen vielen gefallen und können die Wünsche und das Erbe einer Marke nur bedingt transportieren. Übrigens ist TCCC Unity Made in Germany, denn ihr Entwerfer (und Brody Partner) Luke Prowse lebt und arbeitet in der Schriftdesign-Metropole Berlin.
Abschließend stellt sich die Frage: Wie wird Coca-Cola den Nutzen seiner Exklusivschrift bewerten? Tatsächlich ist es nicht einfach, die Essenz einer individuellen Unternehmensschrift in Worte zu fassen. Der beste Weg, die Wirkung und Effektivität einer neuen Markenschrift zu messen, besteht darin, zu verstehen, wie auf sie reagiert wird (z.B. Social Media, Engagement, Anerkennung, etc.). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass gutes Design wichtig ist, aber die Reaktion der Verbraucher sollte ebenso ein Indikator für den Erfolg sein.
Hendrik Weber ist Type Director bei Monotype in Berlin. Er hat für mehrere Unternehmen und Marken Exklusivschriften entworfen, darunter Bentley, ING-DiBa, Škoda, Canyon und den japanische Brillen-Discounter J!NS.