Werbedebatte:
Was Pampers, Amex und Hubspot im Netz besser machen
Was? Richtig gutes Online-Marketing gibt es nicht? Doch, gibt es! Jan Steinbach erklärt in seiner öffentlichen Replik auf "Mr. Media" Thomas Koch ("Online-Kreation ist noch schlechter als Radio"), welche Marken sich hervorragend im Netz präsentieren und welches Konzept dahinter steckt.
Was? Richtig gutes Online-Marketing gibt es nicht? Doch, gibt es! Jan Steinbach* erklärt in seiner öffentlichen Replik auf "Mr. Media" Thomas Koch ("Online-Kreation ist noch schlechter als Radio"), welche Marken sich hervorragend im Netz präsentieren und welches Konzept dahinter steckt.
Lieber Thomas Koch,
Sie überraschen mich! Für einen "Dinosaurier" haben Sie den "digitalen Meteoriteneinschlag" erstaunlich gut weggesteckt. Deutlich besser als viele Ihrer immer noch "GRP-und Klicks-zählenden" Media-Kollegen.
Wenn es lediglich darum ginge, die Werbung im Internet zu optimieren, würde ich mich mit Ihrer Forderung nach mehr Kreativität, nach mehr relevanten, qualitativen Umfeldern und nach mehr Dialog zu 100 Prozent solidarisieren. Aber dem Konjunktiv entnehmen Sie ja schon, dass es mir eigentlich um mehr geht. Denn was Sie als Lösung vorschlagen, ist weitgehend eine Optimierung im Rahmen der bestehenden Werbemechanismen.
Wenn die klassischen Medien, wie Sie sagen, die "Gralshüter unserer Zunft" sind und diese 94 Prozent der Kommunikation ausmachen, dann muss unsere Zunft wohl am Lagerfeuer eingeschlafen sein. Laut einer aktuellen Havas-Studie (Meaningful Brands) würden 73 Prozent aller Marken von ihren Kunden überhaupt nicht vermisst, wenn es sie morgen nicht mehr gäbe. Und nur 32 Prozent glauben, dass Marken bei ihren Werbeversprechen ehrlich sind.
Wie kann es sein, dass selbst große Marken zu offenbar hohlen Fassaden degenerieren und für große Teile ihre Kunden nicht mehr relevant sind? Kann es sein, Thomas Koch, dass Ihre sogenannten Gralshüter am Ende nur die Projektion dessen feiern, wie sie die Marke gerne sähen, fern ab jeglicher Kunden-Realität? Kunden sind heute nämlich schlauer geworden. Sie (hinter-) fragen nicht nur, was eine Marke macht und wie, sondern vor allem auch warum. Das Wheel of Marketing benötigt dringend ein fünftes "P" wie Purpose". Denn Kunden geht es immer mehr um den sinnstiftenden Inhalt, für den eine Marke steht. Und zwar nicht nur in der Werbung, sondern ganz real im echten Leben.
Was Sie als "Gefasel über modernes, kundenorientiertes Marketing" bezeichnen, fängt genau bei diesem "P" an. Sie wären erstaunt, wie wenige Marketer wissen, welchen Zweck ihre Marke eigentlich erfüllt.
Zu denen, die es wissen, gehört die von Ihnen erwähnte Marke Pampers. Sie hilft auf ihrer Plattform www.pampers.de Eltern, in einer wunderschönen aber auch herausfordernden Lebensphase mit Informationen, praktischem Rat und dem empathischen Zuspruch von anderen Eltern. "Vom Windelhersteller zur aktiven Lebenshilfe": Das schafft Bedeutung - jenseits eines vermeintlich trockeneren Hinterns…
Ein anderes Beispiel ist American Express mit seiner Plattform für Small Businesses www.openforum.com, bei dem Amex seinen Kunden mit hilfreichen Inhalten das Leben als Unternehmer erleichtert.
Oder mein Lieblings-Case: Die Plattform www.hubspot.com, die mit ihrer Software den Wandel vom "Interruption Marketing" hin zum "Inbound Content Marketing" unterstützen. Eine Software quasi mit "Attitude". Wenn man z.B. damit versucht, eine Spam Mail zu verschicken, wird man freundlich daran erinnert, dass dies nichts bring - und die Mail geht nicht raus. Die Website erinnert auch eher an eine Online-Universität und ist gefüllt mit lehrreichem Content für Marketing-Professionals. Dass Hubspot die weltweit am zweitschnellsten wachsende Software Company ist, kommt nicht von ungefähr.
Was also haben diese Unternehmen gemeinsam?
Erstens: Sie haben sich ernsthaft mit den Bedürfnissen ihrer Kunden auseinandergesetzt und erkannt, welchen Sinn ihre Marke für diese Kunden haben könnte.
Zweitens: Sie haben erkannt, mit welchen Inhalten sie Ihren Kunden wirklich helfen können. Und sie haben diese Inhalte erstellt oder diese zugänglich gemacht.
Drittens: Sie haben eine Plattform (Content Hub) geschaffen, auf der sie (Google, Blogging und Social Sharing machen es möglich) von Kunden gefunden werden.
Viertens: Sie schaffen sich so ihr eigenes Medium (Kanal) zum Kunden. Nur viel breiter, tiefer und nachhaltiger.
Da auch im Jahre 2013 die Marketingbudgets endlich sind, mussten diese Unternehmen wahrscheinlich ein wenig bei den klassischen Medien sparen. Aber das ist auch nicht schlimm. Im Gegenteil: Eine Marke mit "Purpose" macht fast zwangsläufig eine erfolgreichere Werbung, weil sie sinnvoller ist. Und das, auch wenn Ihr "Media-Herz" blutet, lieber Herr Koch, mit etwas weniger Media-Budget.
Mein Fazit: Vielleicht ist die "digitale Revolution" in Wahrheit ja eine Evolution.
Zum Schluss ein Vorschlag, Herr Koch: Wollen wir uns mal bei einem analogen Glas Altbier treffen und dieses Gespräch fortsetzen? Was meinen Sie? Vielleicht möchte der ein oder andere ja auch mit diskutieren. Wer Interesse hat kann sich ja schon mal bei mir melden, jan.steinbach@xengoo.biz
Bis dahin mit kollegialem Gruss,
Jan Steinbach
* Jan Steinbach ist Managing Partner vonXengoo Consultingin Düsseldorf. Er war Mitgründer der Digital- und DialogagenturOneCicle, die er 2006 in denHavasKonzern einbrachte. Bis August 2013 war er CEO vonHavas Worldwide Düsseldorf, der Leadagentur von SAP.