"Chinafizierung" des Films:
Was Chinas Kino-Boom mit US-Blockbustern macht
Hollywood legt immer mehr chinesische Schnittmuster an, um Blockbuster den Asiaten schmackhaft zu machen. Deutsche Kenner fürchten Langeweile.
Hollywood bringt immer mehr Blockbuster hervor, die mit chinesischen Protagonisten werben. Tom Hanks’ "Cloud Atlas" etwa machte der Schauspielerin Zhou Xun Platz. In "Man of Tai Chi" spielt Keanu Reeves neben Tiger Hu Chen. Kevin Spacey war gar in "Inseparable" der einzige westliche Hauptdarsteller im überhaupt ersten China-Blockbuster aus Hollywood. US-Studios versuchen zunehmend, Verluste im westlichen Kino-Geschäft mit dem Boom in chinesischen Lichtspielhäusern zu kompensieren. Amerikanische Beobachter haben gegen Ende des Kinojahres 2013 immer häufiger den Asia-Effekt in großen Hollywood-Produktionen beschrieben. Denn: Als Film kommt nur ins kommunistische Land, was wenig Gewalt, kaum Politisches und nichts sexuell Anrüchiges zeigt. Witzige Actionstreifen wie die "Fast and Furious"-Reihe kommen dagegen auch ohne großes Bearbeiten bei Chinas Zensur und Kino-Fan gut an.
So wurde etwa "Cloud Atlas" trotz des asiatischen Co-Stars für China um 38 Minuten gekürzt, die homo- und heterosexuelle Liebesszenen zeigen. "Iron Man 3" kam dagegen mit zusätzlichen China-Szenen auf den Markt, um als einer von 20 ausländischen Filmen im Jahr auch im begehrten Kino-Markt im Reich der Mitte zu punkten. Damit es mit Zulassung und Zuspruch was wurde, zogen die Marvel Studios das chinesische Studio DMG Entertainment hinzu und verpflichteten darüber hinaus zwei dortige Stars namens Fan BingBing und Wang Xueqi. Auch typisch chinesische Product Placements wurden in die dortige Kinofassung von "Iron Man 3" eingeflochten.
Die "Chinafizierung" der Blockbuster dürfte langfristig massive Auswirkungen auf das klassische Filmgeschäft in Hollywood haben. Im Gespräch mit der digitalen BR-Jugendwelle Puls orakelt etwa Professor Andreas Gruber von der Münchner Hochschule für Film und Fernsehen (HFF), dass die "absolute Trivialisierung" im US-Film Einzug halten und die westliche Welt zum Gähnen bringen werde. "Pompöses Effektgetue", wie es bei Puls heißt, kommt in deutschen oder englischen Kinos nicht gut an – die Chinesen lieben es. Die dortige Erzählweise weicht stark von gewohnten westlichen Mustern ab. Bösewichter nur noch aus Nordkorea, Kung-Fu-Szenen oder das Familienessen als Ort der Problemlösung: Das taugt für Peking, aber weniger für London oder Berlin. "Puls" vermutet, dass neue globale Erzählformen in US-Blockbustern noch mehr Zuschauer aus den Kinos und hin zu Serien treiben könnten.
Beflügelt hat den Boom des chinesisch geprägten Blockbusters in den vergangenen Monaten sicher auch die leichte Freigabe der Restriktionen durch Chinas Regierung vor knapp einem Jahr. 34 ausländische Filme dürfen seither pro Jahr im Reich der Mitte gezeigt werden. Das Hollywood-Land USA hat ausgehandelt, dass mehr als die zuvor erlaubten 20 Filme die Zensur-Schranke passieren dürfen. Die 14 zusätzlichen Streifen aus dem chinesischen Ausland müssen in Imax oder 3D gedreht sein – ein Triumph für Hollywood. Kein Wunder: Mit zwei Milliarden Euro an Ticketverkäufen ist China seit 2012 der zweitgrößte Kinomarkt der Welt nach den Vereinigten Staaten. Die Chinesen haben damit Japan auf Platz drei verdrängt. Bei Bekanntgabe der Zahlen prognostizierte das Filmportal IMDb.com bereits, dass die US-Majors ihre Blockbuster immer stärker auf das chinesische Publikum zuschneiden werden. Das bedeutet für das Schnittmuster: Weniger Gewalt wie in Streifen à la "Django Unchained" von Quentin Tarantino, weniger Antichinesisches wie in der US-Version von "Iron Man 3", wo der Bösewicht The Mandarin heißt – und mehr Kung Fu.