Gastbeitrag von Flo Lau:
Warum werden Designs aus vergangenen Zeiten wieder modern?
Ein Style, der von Shutterstock als "Wichtiger Trend" deklariert wurde, nennt sich "Das Gestrige Morgen". Den Hang zu Retro durchleuchtet Flo Lau von Shutterstock.
Leuchtendes Neon, Duplex-Farbverläufe und geometrische Formen – dies sind Designtrends, die uns aus der Vergangenheit ziemlich bekannt vorkommen und seit einiger Zeit in verschiedensten Bereichen wieder begegnen.
Schwimmen wir derzeit auf einer Retrowelle zurück in Richtung 80er Jahre und warum werden Designs aus vergangenen Zeiten nun wieder modern? Darauf geht Flo Lau, Associate Creative Director beim Bilderdienst Shutterstock ein.
Ein Blick zurück auf die Trends von morgen
Für 2019 hat der Creative Trends Report von Shutterstock vor allem Trends identifiziert, die von Designprinzipien der vergangenen Jahre beeinflusst werden. Der Report basiert auf einer Analyse von Suchanfragen und Downloads von Designern, Kreativen, Art Direktoren, Marketern, Filmemachern und Bloggern. Ihr Such- und Kaufverhalten trägt dazu bei, Trends in der Werbe-, Medien- oder Designbranche zu prognostizieren.
Ein Style, der von Shutterstock als "Wichtiger Trend" deklariert wurde, nennt sich "Das Gestrige Morgen". Dieser Trend erinnert uns sofort an die 80er Jahre und kommt mit einer Prise Science Fiction und einem Hauch Nostalgie daher. Die Suchanfragen nach den Schlagwörtern "Retrowave" und "Synthwave" waren im letzten Jahr bereits um stolze 676 bzw. 717 Prozent gestiegen, und nun sehen wir immer häufiger Duplex-Farbverläufe in Rosa- und Blautönen oder hören Musik mit Tönen aus dem Synthesizer.
Die Kreativszene neigt dazu, in die Vergangenheit zu schauen, um Inspiration für die Zukunft zu finden. Und dieser Trend ist eine frische, aktualisierte Interpretation vergangener Zeiten. "Das Gestrige Morgen" spielt mit Designs aus den Anfängen der Tech-Szene und zeigt, wie wir uns in den 80ern die Zukunft vorgestellt haben.
Rückblick in die Zukunft
In den 80er Jahren schritt die Entwicklung der digitalen Welt schnell voran. Pioniere der Computerforschung legten vor genau 30 Jahren den Grundstein für das World Wide Web, und der Einzug von Heimcomputern wie dem Commodore 64 lösten Begeisterungsströme ganzer Generationen aus. Dieser Optimismus in Bezug auf das kommende digitale Zeitalter durchdrang sowohl Kunst, Musik, Film als auch Design.
Diese Looks und Sounds, die den Futurismus zu Beginn des digitalen Zeitalters prägten, beeindruckten durch violette, blaue und rosa Duplex-Farbverläufe, Vektorgrafiken und Synthesizer-Musik. Zudem prägen knallig-bunte Leuchtschriften und Laser das Design dieser Zeit – und erleben nun ein Comeback.
Besonders die typischen Farbpaletten der 80er Jahre gewinnen wieder an Popularität. Für das Jahr 2019 hat Shutterstock drei Trendfarben prognostiziert, die einzeln aber vor allem auch in Kombination miteinander Assoziationen an vergangene Zeiten hervorrufen. Ufo Green erinnert zum Beispiel an endlose Binärcodes auf dunklen Computerbildschirmen und Proton Purple sowie Plastic Pink wecken Erinnerungen an sirrende Neonschilder und elektrisierende Leuchtschriften.
Diese fluoreszierenden Neonfarben waren in den 80er Jahren schon überaus beliebt und werden jetzt mit anderen, lange gemiedenen Farben wie Türkis wieder eingesetzt – ohne dabei unmodern oder altbacken zu wirken. Miteinander kombiniert dürfen sie durchaus unharmonisch, ja sogar kontrastreich flimmern.
Diese gewagten Farbkombinationen werden mit Schwarz-Weiß-Kontrasten zu einem wichtigen Instrument des Retro-Futurismus. Zusammen mit runden Formen, geometrischen Mustern und schwarzen Konturen entsteht so eine klassische Ästhetik der 80er Jahre. Dieser so genannte Memphis-Style war in den 1980er Jahren allgegenwärtig. Bunte Kringel, knallige Dreiecke, zweidimensionale Formen, mutige Farben kontrastieren mit Pastelltönen und dicken geometrischen Strichführungen. Dabei sind die grafischen Elemente meist symmetrisch angeordnet. So funktioniert das Design heute auch sehr gut in online Grafikdesign-Anwendungen.
Sehnsucht nach Altvertrautem
Die derzeit aufkommende Faszination für das Design der 80er mag auch mit unserer gegenwärtigen Situation zu tun haben. Die Vergangenheit bietet in unsicheren Zeiten eine Zuflucht und Gewissheit. Daher treten Retrowellen vor allem in schnelllebigen und unbeständigen Zeiten auf. Heute stehen Schlagworte wie Digitalisierung und digitale Revolution wieder ganz oben auf der Agenda. Niemand kann genau voraussagen, was die Zukunft bringen wird und welche Auswirkungen die Digitalisierung auf unseren Alltag, unser Denken oder den Arbeitsmarkt haben wird.
Besonders die Generation X und die Millennials, die in dieser Umbruchsphase auf die Welt gekommen bzw. groß geworden sind, nehmen diese Unsicherheit wahr. Und wie immer, wenn ein großer Umbruch bevorsteht, besinnen wir uns gerne auf Altbekanntes und Vertrautes zurück – auch wenn man das Jahrzehnt (wie im Fall der Millennials) nicht unbedingt richtig miterlebt hat.
Inspiration in vergangenen Dekaden zu suchen ist spannend, aber natürlich keine neue Methode. Retro-Designs werden in der Kunst- und Kulturszene schon lange als Stil- und Ausdrucksmittel genutzt. Und auch in der Modebranche erkennen wir diese Entwicklung – schließlich ist in der Mode selten etwas wirklich komplett neu. In bestimmten Abständen werden Styles aus vergangenen Jahrzehnten wieder hervorgeholt und neu interpretiert.
Daher sind wir gespannt, wie sich der Retro-Futurismus-Trend weiterentwickelt und wo wir im Laufe des Jahres überall Designs mit 80er Jahre-Ästhetik entdecken werden.